„DER ARME POET" Dieses Bild von Carl Spitzweg stellt einen armen, frierenden Poeten dar. Er liegt In einer Dachkammer auf ein paar zusammengeschobenen Kissen, hat seine Schlafhaube tief über den Kopf gestülpt und ist mit einer dünnen Decke zugedeckt. Mit gesenkten Augenlidern sucht er mit flüssigen Handbewegungen das richtige Versmaß für sein entstehendes Werk zu finden. Über Ihm hängt ein großer Regenschirm als Ersatz für die fehlenden Dachschindeln. Neben dem Dichter ist ein aufgeschlagenes Buch, das in eine schöne, spannende, traurige oder lustige Welt hinein schauen läßt. Und wer einmal den Sinn der Bücher versteht und diesen in seinem Leben zu verwerten weiß, der ist ein hochgeachteter Mensch. Auch der schon ältere Mann hat diesen Sinn entdeckt. Den Federkiel krampfhaft mit seinen Lippen umschließend, trachtet er danach, seine ganze Lebensweisheit weiterzugeben; nicht nur danach schauend, daß sich das Gedicht reimt, sondern er versucht, jedem Wort einen Sinn und eine bestimmte Bedeutung zu geben. Zu den Füßen des Poeten liegen große, dicke Bücher, die verlockend dastehen und darauf warten, durch studiert zu werden. Es sieht aus, als bestehe die ganze Welt dieses Men schen aus Büchern. Auf zwei, drei Büchern lehnt das schon fast leere Tin tenfaß und daneben Irgendeine bittere Arznei, die seine Schmerzen lin dern und Ihm wieder frischen Mut geben soll. Dem liegenden Dichter gegenüber befindet sich ein Kachelofen, der kaum benützt wird, da das Holz fehlt, um zu heizen. Auch steht eine sparsam verwendete Kerze auf dem Ofen, in einem Flaschenhals eingezwängt. — So geht es einem Dichter, der sein Leben dafür opfert, um anderen Menschen Lebensweisheit nahe zu bringen und der sie damit glücklich machen möchte. Michael König, 2. D
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