101. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr

Lehrerbeiträge Ein Beispiel zum Thema Mathematik und Politische Bildung EINLEITUNG: Polltische Bildung soll laut Erlaß des Unterrichtsministeriums als fächerübergreifendes Prinzip in allen Unterrichtsgegenständen ange strebt werden. Nach häufig gehörter Ansicht sei dies in Mathematik aber kaum möglich, da diese nichts mit Politik zu tun habe. Meiner Ansicht nach können gewisse pölitische Phänomene und Prozesse gerade durch den Mathematiker gut analysiert werden. Ais Beispiele seien erwähnt: — „Sachzwänge" sind nicht voraussetzungslos; die Tatsache, daß mathematische Beweise und Begründungen immer auf gewissen Voraussetzungen aufbauen, sollte zur Erkenntnis führen, daß auch sogenannte „Sachzwänge" von — meist ungenannten — Vorausset zungen (z. B. Tradition, ideologische Wertentscheidungen,...) abhän gig sind. Diese Voraussetzungen unterliegen aber politischen Ent scheidungen bzw. Nichtentscheidungen und sind somit prinzipiell änderbar. Damit verlieren auch die „Sachzwänge" ihren Zwangscha rakter. Dieser politische Aspekt von mathematischen Beweisen kann natürlich kaum in „Rechenaufgaben" direkt behandelt werden; als Anmerkung zu einzelnen Beweisen kann er aber zumindest angedeu tet werden. — Wahlarithmetik als mathematisches Themengebiet; zu diesem Pro blemkreis wären zwar Rechenbeispiele möglich, allerdings passen sie schiecht in den sowiesö schon zu aufgeblähten Lehrplan. — Das Ausmaß, in dem Wählerentscheidungen von den mehr oder weni ger stark ausgeprägten Interessen einzelner Personen oder Gruppen abhängig sind. Zu diesem Aspekt bietet die Wahrscheinlichkeitsrech nung einerseits eine ausgezeichnete Methode zur Analyse, anderer seits lassen sich auch konkrete Beispiele gut in den Unterricht ein bauen. Varianten des folgenden Beispiels — die Idee dazu stammt aus dem im Kiett-Veriag erschienenen Buch von Arthur Engel „Wahr scheinlichkeitsrechnung und Statistik" (Band 1) — wurden als ein Schularbeitsbeispiel In der 8. Klasse und als ein Prüfungsbeispiel für die mündliche Matura gegeben. AUFGABE: Ein Gremium besteht aus 13 Personen. Von diesen 13 haben sich drei Personen abgesprochen, um einen Vorschlag durchzubringen. Die übrigen zehn Personen stimmen völlig unabhängig voneinander ab, tref fen also keine Absprachen. Weiters sei ungültige Stimmabgabe bzw. Stimmenthaltung ausgeschlossen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Vorschlag von den jeweils Anwesenden mit Mehrheit angenom men wird?

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