verblüffendsten Wirkungen hat die Betätigung dieser Freiheit in Georg CANTORs Analysen des Unendlichen gezeitigt. ts ist kein Zufall, daß gerade CANTOR den Satz geprägt hat: "Das Wesen der Mathematik besteht in ihrer Freiheit". Und Bertrand RUSSELL hat den Durchbruch der Mathematik zu einer axiomatisch aufgebauten Strukturwissenschaft mit den begeisterten Worten gefeiert: "Der größte Triumph der Mathematik ist, entdeckt zu haben, was Mathematik wirklich ist." Die KLEINsche Reform des Mathematikunterrichts Nach diesen Ausführungen über die Grundkonzeption der wissenschaftlichen Mathematik in der Gegenwart soll nun über die Reform des Mathematikunterrichts an höheren Schulen berichtet werden. Im Jahre 1908 wurde in Rom die "Internationale mathematische Unterrichtskommission" (IMUK) gegründet; durch ihre Tätigkeit ist die Reform im 2o. Jahrhundert weltweit initiiert, gefördert und koordiniert worden. Der erste Vorsitzende der IMUK, der deutsche Mathematiker Felix KLEIN, ist Urheber und Haupt der ersten, nach ihm benannten Reformbewegung unseres Jahrhunderts. Um die Ziele der KLEINsehen Reform zu verstehen, muß man zunächst den -Zustand um 1900 beschreiben: Bis etwa 1870 wurde ein vorwiegend wissenschaftlich, nicht pädagogisch oder praktisch orientierter Unterricht erteilt. So wurde z.B. Geometrie nach EUKLIDa "Elementen" vorgetragen. Unter dem Einfluß von Pädagogen wie PESTALOZZI und HERBART wurde dann zunehmend die Forderung nach einer mehr kindgemäßen Methode erhoben. Ihr wurde durch Einführung propäaeutischer Kurse nachgegeben. Die Trennung der reinen Mathematik von der Anwendung rief in den neunziger Jahren den Protest der Ingenieure hervor. Damit erschien der mathematische Unterricht im Spannungsfeld der Tradition, der Mathematik als Wissenschaft, der Forderungen der Praktiker (Technik und Wirtschaft) und des pädagogischen Denkens. Denselb.en Kräften begegnen wir übrigens auch bei der heutigen Reform. Alle genannten Strömungen sollten bei der KLEINsehen Reform Berücksichtigung finden. So wurde in den "Meraner Vorschlägen" der "Unterrichtskommission deutscher Naturforscher und Ärzte" 23
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