besitzen, weil zwischen ihren Objekten (äußerlich vielleicht verschieden aussehende) Grundbeziehungen mit denselben Eigenschaften vorhanden sind . . . . Die Emanzipation des menschlichen Geistes ist von immer weiter ausgreifenden Abstraktionsprozessen begleitet gewesen, Der Primitive ist ganz der Herrschaft des einzelnen, konkreten Gegenstandes unterworfen, er beseelt ihn und verleiht ihm Kräfte, die sein Leben bestimmen. Der erste befreiende Abstraktionsprozeß besteht darin, Gegenstände mit gleichen Eigenschaften zu Klassen zusammenzufassen und unter einen Begriff zu bringen. Die zweite Stufe der Abstraktion wird erklommen, wenn die empirischen Gegenstände bzw, die Klassen dieser Gegenstände von unwesentlichen, zufälligen Sinnesqualitäten gereinigt werden und auf diese Weise ein Reich idealer, zeitloser Objekte mit ewig gleichen Eigenschaften entsteht, über die wegen der Konstanz ihrer �igenschaften zeitlos gültige Aussagen gemacht werden knnnen. Diese Stufe wird in der Philosophie von PLATON, in der Mathematik von EUKLID erreicht. Die nächste Stufe des Abstraktionsprozesses finden wir in der modernen Mathematik: die Objekte werden, auch in ihrer idealisierten Form, völlig preißgegeben, Gegenstand des Nachdenkens werden Beziehungen und �trukturen. Wenn die geschichtlichen Analogien nicht trügen, wird diese neue, in der Mathematik vorbereitete Bewußtseinslage den Geist der Zukunft entscheidend umgestalten, Das Vehikel dieser Umgestaltung wird die rapide um sich greifende Mathematisierung immer weiterer Wissenschaften und Lebensbereiche sein, eine Mathematisierung, die gerade durch die hochgradig abstrakte Auffassung der Mathematik als Strukturwissenschaft ermöglicht wird. Gegen eine solche Neuorientierung des Denkens wird sich, wie gegen jede Veränderung, Widerstand aufbauen, Er artikuliert sich schon heute in Herbert MARCUSEs scheinprogressiven "pronunciamentos". Die geistige Emanzipation, die der Mathematik durch ihr Loslösen von der Wirklichkeit gelungen ist, zeigt sich am deutlichsten in dem enormen Freiheitsraum, den sie sich gewonnen hat. Ohne Rücksicht auf die Realität kann sie ihre Axiome selbst schaffen, nur gebunden durch die Forderung, daß die Axiome logisch miteinander verträglich sind. Die 22
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