93. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr

Vorstellungen radikal zuwiderlief; so ist der Ruhm, diese Geometrie entdeckt zu haben, den Mathematikern LOBATSCHEWSKI und BOLYAI zuteil geworden. Das mathematisch wichtigste Ergebnis dieser Entwicklung war zunächst die Lösung des Parallelenproblems. Indem gezeigt werden konnte, daß Geometrien logisch denkbar sind, die ohne das Parallelenpostulat auskommen, war erwiesen, daß dieses Postulat keine logische Folgerung aus den anderen EUKLIDschen Axiomen ist. Darüber hinaus gaben aber die neuen �rkenntnisse den Anstoß zu einem fundamentalen Wandel im mathematischen Denken. Bis GAUSS wurde in der Mathematik vorwiegend naturwissenschaftlich gedacht und die Geometrie als "Erdmessung", als Lehre vom Raum betrieben. Davon zeugen auch die Messungen, welche GAUSS an großen Dreiecken durchführen ließ, um allenfalls eine von 1 80 ° abweichende Winkelsumme festzustellen; denn die konstante Winkelsumme im Dreieck ist eine direkte Folgerung aus dem Parallelenpostulat (Satz 32 bei EUKLID). In der nichteuklidischen Geometrie wird nun der Übergang vom naturwissenschaftlichen Denken zum spekulativen Denken in der Mathematik vollzogen. Im Jahr 1871 tat Felix KLEIN mit seinem "Projektiven Modell einer nichteuklidischep Geometrie" einen entscheidenden Schritt in dieser Richtung. Die Grundzüge dieses Modells für den Fall der ebenen (hyperbolischen) Geometrie seien hier kurz skizziert: Kennzeichnend ist zunächst, daß den Worten "Punkt", "Gerade", "Ebene" eine neue, von der landläufigen Vorstellung verschiedene Bedeutung gegeben wird. Man geht aus von dem Inneren eines Kreises, und dieses Innere ist die "Ebene", in der die lieometrie betrieben wird. Die "Punkte" der Geometrie sind die gewöhnlichen Punkte im Inneren des Kreises, die "Geraden" sind die .K.reissehnen. Damit diese "Geraden" unendlich lang sind, wird als Maßzahl für die Länge einer Strecke AB der Zahlenwert -1� d festgesetzt, worin d das sogenannte "Doppelverhältnis" (Quotient zweier Teilverhältnisse) der Punkte A,B,I,J (siehe Zeichnung) d= IT BI AJ BJ iIT BJ BI AJ ist. Sowohl für A gegen J als auch für B gegen I geht d und somit auch +. ln d über alle Grenzen, für A=B wird d=l und 17

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