93. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr

Die Geometrie von EUKLID bis HILBERT Jede einigermaßen verständliche Beschreibung der gegenwärtigen Lage der Mathematik wird auf die Vergangenheit zurückgreifen müeAen. Es soll daher zunächst die Entwicklung, welche zu den heutigen Denk- und Arbeitsmethoden der Wissenschaft geführt hat, am Beispiel der Geometrie skizziert werden;diee ermöglicht auch einen kleinen Einblick in die Welt der nichteuklidischen Geometrie. Die Geometrie, welche als eine bescheidene Sammlung empirischer Regeln schon d�n Babyloniern und Ägyptern bekannt war, erlebte ihre erste Blüte, als die Griechen sie als eine beweisende, systematisch zusammenhängende Wissenschaft aufbauten. Die "Elemente" des EUKLID sind der Höhepunkt dieser Entwicklung. Der Wille zum Beweis erfordert, daß jede Behauptung in klar definierten Begriffen ausgesprochen und allein mittels stichhaltiger logischer Schlüsse aus angegebenen Voraussetzungen und schon bewiesenen Sätzen demonstriert wird. Die Griechen bemerkten sehr rasch, daß diese Vorschriften sich selbst aufheben, wenn man sie konsequent befolgen will: um einen Begriff zu definieren, braucht man Hilfebegriffe, diese müssen ebenfalls definiert werden usw,; um einen Satz zu beweisen, braucht man Hilfssätze, die ebenfalls bewiesen werden müsAen usw, Man kommt so weder zu einer gültigen Definition noch zu einem zwingenden Beweis. Offenbar bleibt nur übrig, die endlose Kette der Definitionen und Beweise irgendwo zu zerschneiden, d.h. mit einigen Grundsätzen und Grundbegriffen zu beginnen, die für jeden so einfach und einleuchtend sind, daß weitere Erklärungen überflüssig erscheinen. Grundbegriffe dieser Art sind bei EUKLID z.B. "Punkt", "Gerade" und "Ebene"; einer der Grundsätze, besagt, daß es durch zwei verschiedene Punkte stete eine Gerade gibt. Solche Grundsätze, die unbewiesen am Anfang stehen, heißen Axiome ( EUKLID nennt sie alle�dings Postulate= Forderungen) . Die Axiome setzen die Grundbegriffe zueinander in Beziehung, und aus diesem dünnen Netz von Beziehungen entsteht nun durch konsequentes Weiterweben der reiche und große Teppich der euklidischen Geometrie, Hier zeigt sich zum erstenmal, daß aus wenigen einfachen Beziehungen eine Fülle von verborgenen, nicht mehr unmittelbar einsichtigen Eigenschaften gewonnen werden kann. Diese

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