92. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1974/75

au.fgefallen sein dürfte, ,daß sich dieses Motto für jede Weltanschauung an- wenden läßt und sid1erlich auch bei den Nationalsozialisten hoch im Kurn gestanden wäre, nur mit •dem Unterschied, daß man andere Werte für wahr, gut oder schön geh alten hätte. Konkriteres forderten die Pädagogen der Weltorganisation: ,, Die all- gemeine Tendenz zur Überladung ,der Lehrpläne bedeutet eine große Gefahr; um sie zu vermeider,, ·sollte ,die Eirnrführung neuen Lehrstoffes in den Lehrplan durch dde Streidrnng -des weniger wichtig gewo11denen Lehrgutes ausgeglichen werden. Die Lehrpläne der einzelnen Fächer ,sollten eine Auswahl wesent- lichen Lehrgutes und nicht eine bloße Lehrstoffanhäufung enthalten." (Inter- nationale Erziehungskonferenz ,der UNESCO 1960) 4 ). Schon .lange vorher hat ein österreichisd1er Unterrichtsminister Mut zur Lücke, zum Sichten und Lichten verlangt, doch wuir:de dieser Mut umso ,schwä- d1er, je tiefer er hinabdm:ng, er vcr.kümmerte u'l1Jd artete ,sd1ließlich beim einzelnen Kollegen zur For,derung nach höherer Stundenzahl seines, und nur seines Faches aus. *** Können wir überhaupt eine wertfreie Definition des Begriffes Allge- meinbildung finden? Ist es die .aus ,dem Lexikon? ,,Allgemeinbildung; we,sent- lid1es Ziel der Sdrnlbildung ; umfaßt möglichst vielseitige, ,grurudlegende Kenntnisse und Fähigkeiten auf allen Lebensgebieten. " 5 ) Also fragen wir: Gehören Wed1selredit, drie Eigenschaften des Nylons , die Funktion eines Ver- gasers dazu~ Der Gebildete wird ,dodi damit zu tun bekommen? Oder i,t es -das hohe Zi el, -das Friedr,ich Schlegel vorsch,webt, wenn er sd1reibt: ,, Ein recht freier und gebildeter Mensch müßte sich selbst nach Be- li eben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt. Zu jeder Zeit und in jedem Grnde. " 6 ) Fast scheint es, als müßten wir für -die kommende Fr-eizeitgesellschaft genau diesen Menschentyp in ,der Höhe1en Schule produzieren (als „Output" - i11 rder Sprache des OECD- Reridites). Den Kern ,des Problems hat audi Goethe, das letzte Unive'l1salgenie auf u111serem Planeten, erkannt, a1s er findet , ,, daß ei,ne Bildung, die über das Ganze geht, aud1 dem einzelnen zugut' kommt, ohne daß man begreift, wlie sie ihn berühren kann. Ein Barometer " (so fügt ,der große Praktiker zum allgemeinen Verständnis ·hinzu) ,, ,deutet im versd1lossensten Zimmer genau den Zustand der äußeren Luft an. " 7 ) Das Problem ist das gle·idie in anderen Lärl'dern mit eiinem dem unseren vergleichbaren Gesellrschaftssystem. ,,Drie Sdiwierigkeiten erwachsen aus mehreren Ursachen : wechseln 1 de Forderungen der modernen Kultur ; wirtschaft- liche Umwälzungen allenthalben; das Ideal der Ghancengleichheit für alle in der Bildung; Erfassung u111d Ausbildung ,begabter junger Leute für ,die Be- dürfniss·e und ,den höheren Intelligenzstandard der modernen Gesellschaften. Eine Lö,sung aller dieser Sdiwierigkeiten :z;u finden, 1 bedarf es nicht nur der Neuorganisation ,der Erziehungssysteme in den meisten Ländern, sondern audi der Beseitigung ,des Monopols im überlieferten Konzept der höheren Schul- bildung." 8 ) Gerade weil viele Länder dieses Problem haben, kann internationale Zusammenarbeit und internationaler Geda,nkenau,sta,usch von Nutzen sein. Die Erfahrung zeigt , daß ·es nicht zielführend ist, solche Fragen auf welt- 5

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