89. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1971/72

Bundespräsidenten und seine Begleitung geplanten Programms nicht mit- machen, doch erwarteten wir ihn auf dem Flugplatz Ciampino, sahen ihn dort die Gangway von der „Tirol " heruntersteigen und fuhren ihm voraus über die Via Appia antica zum Kolosseum, wo ihn der Bürgermeister von Rom begrüßte, bevor sich alle gemeinsam zur Kranzniederlegung am Altar des Vaterlandes begaben. Wir trafen ihn bei den Empfängen im Qui ri nal , im Grand Hotel und auf dem Kapitol , als ihm eine Kopie der kapi tolinischen Wölfin überreicht wurde, und wenn wir auf einem Spaziergang plötzlich in eine ganz unnatürlich verkehrslose Straße kamen, brauste sicher bald darauf der Präsi- dentenkonvoi auf seinem Weg zu irgendeiner Konferenz oder einem Besuch vorbei. Die Tage in der Hauptstadt sollten aber auch der Vorbereitung au f den Rund- flug und dem grundsätzlichen Anliegen der Gastgeber dienen, Informationen über Italiens Wirtschaft und deren Probleme zu geben. Vorträge in den Zen- tralstellen der Cassa del Mezzogiorno (Wirtschaftsplanung für Süditalien) , der IRI (Institut für den Wiederaufbau der Industrie), der staatlichen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft RAi und der staatlichen Fremdenverkehrsgesellschaft ENIT zeigten nicht nur die Vielschichtigkeit der ital ienischen Wirtschaftspro- bleme, sondern in den darauf folgenden Diskussionen auch das rege Interesse der österreichischen Wirtschaft. Es schien , daß die Vertreter der österreichi- schen Industrie nicht erst über das Wie und Wo geplanter Unternehmungen unterrichtet werden müßten, sondern vor allem über das endgültige Wann und die Möglichkeit aktiver Zusammenarbeit. Ihre genauen Kenntnisse über zum Teil er,st im Stadium der Planung befindliche Indust riegründungen im Raume Neapel und Kalabrien veranlaßten den Präsidenten der Cassa del Mezzogiorno zu dem Ausruf : ., Signori , mi date una mattinata infernale con tutte queste domande - come mai sapete gia tutto !" Es erwies sich auch bei allen diesen Diskussionen , daß Dolmetscher überfl üssig waren und die Verwendung der italienischen Sprache niemandem Schwierigke iten bereitete . Trotzdem wurde bei der Debatte über die Arbeit der IRI simultan übersetzt, damit es keinerlei Mißverständnisse in wichtigen Detailfragen geben konnte. Die ENIT informierte uns weniger durch Vorträge als durch Vorführung ihrer täglichen Arbeit: Mittagessen im Grand Hotel , Galaabend im Cavalieri Hilton auf dem Monte Mario - die amerikanische Reisegesellschaft, welche im Nebensaal ein römisches Gelage in Toga und Sandalen zelebrierte und im zweirädrigen römischen Streitwagen über die Gänge roll te, war auch Hotel- alltag - und schließlich den Rundflug. Die RAi-Studios öffneten ihre Pforten. Tonkabinen , Ansagertische, Studios für Filme und Lifesendungen , Werkstätten jeder Art zeigten die Arbeit für die verschiedenen Programme. Als wir das Gebäude verließen , demonstrierte vor dem Haupteingang eine Gruppe junger Leute, sie vert rat das Heer freier Mit- arbeiter der RAi, das wohl für Vorbereitung und Durchführung der Programme kurzfristig gebraucht, dann aber wieder entlassen wird. Sie verlangten lang- fristige Verträge und regelmäßige Bezahlung . Nach Beendigung des Staatsbesuches kehrte Bundespräsident Franz Jonas in unsere Hauptstadt zurück, während wir zu unserem Rundflug starteten: Genova - Cagliari - Palermo - Catania - Taranto - Verona, das war die durch das Wetter diktierte Endfassung des Programms. Turin fiel aus 79

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