89. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1971/72

Die Terrassengliederung zu beiden Seiten von Enns und Steyr ist charakteristisch für die Stadtanlage : Die ältesten Stadtteile liegen auf den Stufen der Niederterrasse, während die jüngeren Siedlungsgebiete (z. B. Ennsleite, Tabor, Christkindl) vorwiegend auf den Hochterrassen- schottern errichtet wurden; diese sind als Nagelfluh noch innerhalb des Stadtgebietes an Steilabfällen zur Enns aufgeschlossen. Diese Geschiebeterrasse erreicht bei Steyr jedoch nicht mehr die volle Höhe, sondern ihre Mächtigkeit von 76 m am Ausgang des Ge- säuses (Hieflau\ ist bereits auf 30 m abgesunken (A. Böhm, 1885, s. 472). Die Gunst der naturgeographischen Ausstattung und der kulturhisto- rischen Bedeutung ließen es zu, daß sich Steyr im überwiegend bäuer- lichen und geschlossen regierten bajuwarischen Stammesgebiet als landesfürstliche Stadt weiterentwickeln konnte; es ist somit eine der zehn von den 15 oberösterreichischen Siedlungen mit Stadtrecht, die schon im Mittelalter bestanden haben. Als wichtigster Faktor der Stadtentwicklung kann die enge Verknüp- fung ihrer Wirtschaft mit Eisenhandel und -verarbeitung gelten. Diese Bedeutung als „Eisenstadt" - freilich in veränderter Form - hat Steyr im wesentlichen bis in die heutige Zeit erhalten können. Die ältesten Siedlungs- und Gewerbeansätze werden auf dem linken Steyr-Ufer, dem heutigen Stadtteil Steyrdorf, angenommen, da sich dort sowohl die Eisenhämmer als auch das Bürgerspital befanden. Die Enge Gasse und Berggasse gehören demnach als erste Ansätze der Siedlung um die Burg einer etwas späteren Siedlungsepoche an. Das Nieder- schlagsrecht für Eisen , das Steyr im 14. Jahrhundert erhielt, förderte die städtischen Funktionen und die wirtschaftliche Blüte, die sich in der baulichen Gestaltung des Stadtplatzes, des Kerns der alten und der heutigen Innenstadt, widerspiegeln. Gotik und Renaissance geben den Fassaden der Bürgerhäuser auf dem Marktplatz der lnn-Salzach- stadt ihr Gepräge 2 ) . Mit der Verbauung der Pfarrgasse kann in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Grundriß der Altstadt als abge- schlossen angesehen werden. Aber schon im 19. Jahrhundert mußten sechs der neun Tore (1829-64) abgerissen werden, da die bauliche Entwicklung über die Mauern hinausgriff. (0. ö. Städtebuch , 1968, S. 278). Im Anschluß an alte Bauernhöfe außerhalb des Burgfrieds (Wieshof - Wieserfeldplatz, Schlüsselhof - Schlüsselhofgasse, Taschl- riedgut u. a. m.) hatte sich die städtische Siedlungsweise allmählich ausgedehnt (J . Ofner, 1956, S. 22). ') Typische Stadtform im bairisch-tirolischen Siedlungsbereich mit erweitertem Straßenmarkt und abseits stehender Pfarrkirche (Geisler, W. 1924, S. 87). 5

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