88. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1970/71

B E R I C H T E Die naturkundliche Woche der 1. A-Klasse Durch einen glücklichen Zufall, ein Schüler hatte bei einem Preisaus- schreiben den ersten Preis gewonnen, konnte die 1. A-Klasse ei ne Woche im Anton-Reinthalcr-Haus in Attersee verbringen. Beste Unterbringung und Verpflegung waren die Voraussetzung für die Erhaltung der körperlichen Lei- stungsfähigkeit die ganze Woche über, der niedrige Preis (S 50.- je Tag) ermöglichte zusätzliche Autobusfahrten für Ausflüge in die weitere Umgebung. In der Woche vom 3. bis 8. Mai wurde, trotz Behinderung durch das anfänglich nicht s1chr günstige Wetter, ein genau vorbereitetes, umfangreiches Prograimn abgewickelt. Die landschaftlich abwechslungsreid1e Umgebung, Berge, Wiesen, Wald und Moor, boten eine reiche Fülle von Möglichkeiten, den Schülern die Formen des Lebens in ihrer Vielgestaltigkeit nahe zu brin- gen, ihnen die Hannonie der Tier- und Pflanzengesellschaften zu zeigen und sie durch das unmittelbare Erleben des sich eben entfaltenden Frühlings zu begeistern. Dies alles freilich nicht, ohne auch auf die Härte jener Gesetze hinzuweisen, welche alle Wesen der belebten Natur erst befähigt, so kraft- voll in die Ersd1einung zu treten . Für uns Lehrer, Prof. Maisser und mich, war es überraschend zu sehen, wie die Schüler alles , mit spielerischer Leichtigkeit aufoahmen, was an Stoff an sie herangebracht wurde. Dabei hatte der Großteil von ihnen eine Reihe von Ferientagen mit schönen Ausflügen und lustigen Spielen erwartet, aber keineswegs eine Wod1e ernster Arbeit, die sie allerdings nicht als sold1e empfunden haben. Es ist zweifellos nicht einerle i, ob eine Vogelstimme etwa durch das Abspielen einer, wenn auch noch so guten Schallplatte im Klassenzimmer zu Gehör gebracht wird, oder ob der junge Menscil um 4 Uhr früh von einem Hochsitz oder vom Waldrand aus, das Erwachen des Tages und die gaJ1Ze tönende Fülle aus hunderten von Vogelkehlen erlebt. Wohl ebenso macht eine Waldspitzmaus, auf unserer vergilbten Wandtafel vorgeführt, kaum einen bleibenden Eindruck. Keiner aus der Klasse hat aber das kleine Tier verges- sen, das, von einem Schüler gefangen, zunächst ruhig auf der Hand des dozie- renden Lehrers saß, dann aber in kühner Flud1t über dessen Arm, Schulter und Rücken huschte, um schließlich in küh'nem Sprung einen Baumstrunk zu erreichen und anschließend spurlos im Boden zu verschwinden. Der Raum- mangel verbietet, weitere Einzelheiten zu beschreiben, es erh ebt sich aber nach all dem, was man als Lehrer in dieser Wocile beobachten konnte, die Frage, ob nicht der junge Mensch, der heute in eine weitgehend mechanisierte Welt hineinwächst, zur Bildung seiner Persönlichkeit notwendiger als alle Generationen vorher den unmittelbaren Kontakt mit der Natur brauchen würde. Wir hören viel von sehr nützlichen Unterrichtsgeräten, audiovisuellen Infonnationsträgern, Schulcomputern und dergleichen mehr. Glücklich die Lehrer vielleicht, die das alles einmal im Unterricht verwenden können . Aber ich meine, wir sollten darüber nicht die „lebendige Natur, da Gott die Men- sd, en schuf hinein" vergessen und vielleicht mehr als bisher die Möglich- keiten nützen, die sie bietet, um unserer Aufgabe gerecht zu werden, junge Menschen für das Leben zu rüsten. Prof. Rößner 15

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