nachten feiern, heute noch angebracht? Leserumfragen, Schulaufsätze, Fernsehinterviews und Hörerbefragungen befaßten sich in jenen Tagen mit diesem Problem. Also ein heißes Eisen, ein echtes Anliegen gerade der Jugend und somit ein hervorragend geeignetes Thema für unser „junges Theater". Drei junge Leute spielen die Hauptrollen. Aber sie müssen hier nicht ihnen völlig wesensfremde Hirten oder Könige verkörpern, sondern sie brauchen nur sich selbst möglichst echt darzustellen. Die Triebfeder der gesamten Handlung ist die Aggressivität des zornigen Primaners Eckart, der die Erwachsenen und ihre Gewohnheiten fortwährend scharf attackiert. Allerdings geben sie ihm hinreichend Anlässe für seine Attacken: Da ist sein Vater, ein despotischer Familientyrann; dann ein Anhänger der Prügelpädagogik, der seinen Worten gleich auch die Taten folgen läßt, schließlich der prächtig polternde Weihnachtsmann, der sich der Unredlichkeit seines Gewerbes bewußt wird. Diese und die übrigen mitwirkenden Erwachsenen - alles dankbare Nebenrollen - werden mit all ihren Fehlern und Schwächen gezeigt; und eben deshalb werden sie von Jugendlichen mit Begeisterung dargestellt. Es gibt keine Rolle in diesem Stück, die nicht gerne von einem Burschen oder Mädchen übernommen würde. Die Sprache des Stückes ist ebenso klar und bündig wie sein Aufbau. Wie oft kommt es nicht vor, daß man selbst bei guten Stücken gezwungen ist, etwas zu streichen, umzustellen, abzuändern. Nichts davon hier. Man bedauert sogar ein wenig seine Knappheit, und ich konnte mich nicht enthalten, eine kurze Episode über kitschige Weihnachtslieder einzufügen, die unseren tüchtigen Musikern ihren gewohnten Auftritt im Weihnachtsspiel verschaffte. Es gibt sehr viele komische Situationen in diesem Stück. Der Autor beweist damit, daß-sich auch Ernstes heiter sagen läßt. Oberhaupt müssen wir Ortwin Hermanns als einen Meister seines Faches bezeichnen, der genau weiß, worauf es beim Theater für junge -Leute ankommt. Dazu gehören auch die Einheit der Szene und der Verzicht auf einen großen technischen Apparat. Was an Requisiten, Bühnenbildern und Einrichtung unbedingt notwendig war, stellten die Schüler mit erstaunlicher Erfindungsgabe selbst her (z. B. Bartheke: 3 Stühle, darauf 2 Schultische, schwarzes Tuch darüber). Nach diesen zahlreichen Vorzügen unseres Spiels soll auch ein kleiner Nachteil nicht verschwiegen werden: Im bayrisch-österreichischen Raum kommt am Heiligen Abend nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind. Doch Schauspieler und Publikum nahmen diese Anleihe aus westlichen Regionen gerne in Kauf. Apropos Publikum: Es kam nicht gerade in hellen Scharen zu unserer einzigen Aufführung - was wir allerdings auf Grund des provokativen Titels und der warnenden Ankündigung eines unkonventionellen Spieles auch nicht erwartet hatten. Nach der Vorstellung war die Meinung des Publikums in zwei Punkten einhellig: 1. Man habe noch nie bei einem Weihnachtsspiel so viel gelacht (was nicht von allen Zusehern dem Stück zum Vorteil ausgelegt wurde), 2. noch nie sei ein Weihnachtsspiel so heftig umstritten gewesen (was zweifellos im Sinne des Verfassers lag). „Prost, Christkind!" hatte die Geister geschieden: begeisterte Zustimmung auf der einen Seite und schroffe Ablehnung (bis zum demonstrativen Ver20 -
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