86. Jahresbericht des Bundesrealgymnasiums Steyr 1968/69

Tag drinnen. Die Studenten gehen von Klassenzimmer zu Klassenzimmer, nicht die Professoren. Der Schultag dauert von 8.30 Uhr bis 3 Uhr, mit einer halben Stunde Mittagspause. Fast alle essen ein warmes Essen im Schulspeisesaal. In den ersten Monaten habe ich ziemlich wenig verstanden. Aber im Oktober und November fand ich, daß ich viel mehr verstehen konnte. In den vielen Gegenständen sah ich, wieviel Stoff gelernt werden muß. Obwohl viele Gegenstände nur zweimal in der Woche vorkommen, wird viel Stoff gelehrt. In Steyr hatte unsere Klasse vierzehn Gegenstände, daheim hatte ich nur sechs Gegenstände, dafür aber jeden Tag. Viel mehr Stoff wird in diesen sechs Gegenständen gelehrt, aber insgesamt muß der österreichische Student mehr lernen, weil er dreizehn oder vierzehn Gegenstände hat. Dazu muß ich sagen, daß ein amerikanischer und ein österreichischer Student für ganz andere Prüfungen lernen. In Amerika habe ich nie eine mündliche Prüfung gemacht, nur schriftlich. Beim Diskutieren habe ich mich schon daran gewöhnt. In unseren Schulen wird der ganze Stoff diskutiert. In allen Klassen gibt es viele Diskussionen in einem Monat. Bei den ersten mündlichen Prüfungen hier war ich nervös, weil ich vor der Klasse stehen mußte. Im Lauf des Jahres hatte ich oft Gelegenheit, die Kostbarkeiten, Landschaften und berühmte Orte und Gebäude Österreichs zu sehen. Im November fuhr ich nach Wien zu einem Treffen des AFS. Eine Woche lang waren wir dort. Was ich dort sah, ist eigentlich unbeschreiblich. Ich habe das Parlament, das Wiener Rathaus, Schloß Schönbrunn, die Schatzkammer und die Hofburg gesehen, und habe am meisten die Oper bewundert. Wir hatten die große Gelegenheit, die Oper „Fidelio" zu sehen. Die Kultur Amerikas ist gegenüber der Österreichs sehr jung. Österreichs Geschichte und Kultur sind groß und bedeutend. In Österreich lernte ich eine neue Art, Weihnachten zu feiern, kennen. Obwohl die Geburt Christi bei uns ähnlich gefeiert wird, gibt es doch bestimmte Unterschiede. Hier ist alles mehr wunderlich und altmodisch. Es ist leider bei uns in Amerika alles so kommerzialisiert worden. In Österreich lebt man in den Wochen vor Weihnachten für die Feier. Ich habe gesehen, wie Leute in den Geschäften das Beste für ihre Familien aussuchten. Alle hatten ein lustiges Zwinkern in ihren Augen. Die ganze Feier ist mehr um das Leben der Familie konzentriert. Was mir am besten gefallen hat, war der Schikurs. Die Professoren Aichinger und Moser haben alles gemacht, daß ich am Schikurs mitfahren durfte. Am 22. Februar fuhren wir nach Hinterglemm, Salzburg. Von den Bergen war ich ganz begeistert. In meinem Bundesstaat ist der höchste Punkt nur 689 Meter und ist 300 Kilometer entfernt. Die Alpen um Hinterglemm sind wunderschön. In Ternberg hatte ich mit Schifahren schon angefangen, aber unter der Führung von Professor Rammerstorfer lernte ich sehr viel. Am Anfang der Woche konnte ich kaum auf den Schiern stehen, und am zweiten Tag verstauchte ich mir meinen rechten Fuß. Ich mußte zwei Tage lang im Bett bleiben, um den Fuß heilen zu lassen. Ich war traurig, daß ich dort liegen mußte, aber ich hatte auch Glück gehabt, daß meine Verletzung nicht ärger 48

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2