85. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1967/68

Kompositionen, denn auch in den ungünstigsten Verhältnissen sollen selbe ihre Wirkung nid1t versagen. Seine in die Höhe gerückten Ge- stalten erhalten vom Künstler Kraft und Stärke. Die Schädelbildung wird groß angesetzt, die Gesidltszüge sind tief eingeschnitten, der Falten- wurf einfam und die Draperien plastism modelliert, um alles in d.er großen Entfernung, die den Besdiauer vom Glasgemälde trennt, wir- kungsvoll ersd1einen zu lassen. Ansdtließend dem Bilderzyklus der Kirche war für dieses Fenster die „Geburt und Aufopferung Christi bean.t- tragt ... " Der Kunsthistoriker P. Albert Kuhn aus Einsiedeln in der Schweiz bezeichnete das Fenster als „ gewaltige Leistung" und meinte, Harter habe „zwismen der altgotismen Stilisierung und der mod ernen Auffassung einen schönen Mittelweg eingeschlagen" . 172 5. DIE LETZTE PERIODE : DER NEUE GEIST AB 1908 Langsam rannte sim die Regotisierungs-Tätigkeit zu Tode, nod1 bevor durd1 den Ausbrud1 des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 wirtsdiaftliche und interessenmäßige und mit dem Kriegsende auch soziologische Mitursachen der vorher allerorten blühenden Kirmenrestaurierungen wegfielen. Man darf vermuten, daß mit der anfangs Oktober 1907 erfolgten Niederlegung der Aufsicht über die Restaurierungs- und Ausstattungsarbeiten durm Oberbaurat Julius Hermann eine Zäsur geschehen ist. Die Zeit war bereits über die Neugotik hinweggegangen, aber Hermann war noch ein Got iker des alten Schlages. Immerhin W1tßte man in Steyr seine Leistungen zu schätzen . Franz Nothhaft und Rudolf Sommerhuber regten die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an den abtretenden Architekten an . Ein von zehn Gemeinderäten unterzeichneter Dringlichkeitsantrag vom 15 . Oktober 1907, der die Verleihung der Ehrenbürgerwürde verlangte, wmde am 18. Oktober vom Gemeinderat angenommen. 173 Bürgermeister Franz Lang und Nothhaft überbrachten das Ehrenbürgerdiplom persönlich in Wien. Bald darauf, am 1. März 1908 , starb Julius Hermann, der seit dem Turmbau 1885- 89 ständig die Arbeiten an der Stadtpfarrkirche betreut hatte und dafür jegliches Entgelt ablehnte. Herma1ms Nachfolger Simon war vom 21. bis 23. November 1907 in Steyr, um sim über die Fortführung der Arbeiten zu informieren. 174 Daß man sich jedod, an maßgeblicher Stelle von den bisherigen unbedachten, willkürlichen Einführungen irgendwelcher Einrid1tungsgegenstände distanzierte und nicht mehr gewillt war, weiterhin neugotisch auszustatten, sollte bald zutage treten. Am 21. Jänner 1908 fand eine kommissionelle Verhandlung für weitere Arbeiten an der Kird1e statt. Anwesend waren Stadtpfarrer Strobl, Hofrat Neuwirth und Oberbaurat Deininger als Vertreter der Zentralkom- mission, Dombauleiter Simon und Konservator Edmund Schmiedel.1 75 Schon am 28. Jänner erließ die Zentralkommission für Kunst- und Denkmalpflege Rimtlinien für die weiteren Arbeiten. 176 Der Inhalt dieses Erlasses zeigt schon jenen Geist, den der 1916 erschienene „Katechismus der Denkmal- pflege" des Wiener Kunsthistorikers Max Dvorak atmet: ,,Die Gesamtrestaurierung bezieht sich nur auf ein sorgfältiges über- gehen des ganzen Baues und beschränkt sich auf die Ausbesserung und 23

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