85. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1967/68

Die Gemeinde bestellte sd10n 18 55 den Altar beim Münchener Bild- hauer Fidelis S. Sd1önlaub. 21 Der Künstler kam am 1. Mai 1856 persönlich nach Steyr. Der Gemeinderat schloß mit ihm einen Vertrag zur Herstellung des Altars um 5.500 Gulden (fl). Man hatte bereits 3.900 fl gesammelt. 22 Am 22. April 1857 begann der Abbruch des „alten und noch immer schö- nen" Hochaltars, wie ihn Willner bezeichnete. 23 ) Das von Carl von Reslfeld gemalte Hodialtarbild kam in die Margaretenkapelle, die schon seit gerau- mer Zeit als Schuppen diente. Sdion im August 1857 war der fertiggestellte neue Altar im Münchener Glaspalast ausgestellt. Am 20. August kam er über Bitten und auf Kosten des Wiener Kunstvereins nad1 Wien, wo er bis zum letzten September in der Minoritenkirdie aufgestellt war. Allerdings fand er in der Wiener Presse „keine ganz besondere Anerkennung". 24 Auch das Kaiserpaar besiditigte den Votiv- altar. Am 22 . Oktober 1857 traf das Werk in Steyr ein . Seine Aufstellung begann am 21. November und dauerte fünf Tage. 25 Am 3. Jänner 1858 erfolgte die feierlid1e Altarweihe. 26 Aber schon dem Chronisten jener Tage hat das Werk nicht besonders gut gefallen, 25 vielleicht deswegen, weil er als Stadtkassier die auf die Restaurierungsarbeiten folgende Finanzmisere mitverfolgen mußte. Doch davon noch später. Die Lokalpresse in Gestalt des „Alpen-Bothen" begrüßte den Altar mit uneingeschränktem Lobe. Es ziemt sid1 wohl, entspred1ende Passagen zu zitieren, da ihre Sprache die Aussageabsidit direkter vermittelt, als dies durch die Umschreibung in eigene Worte erfolgen könnte: „Eine der sdiönsten Erscheinungen der jetzigen christlichen Kunst ist der vom Hrn. F. Sd1önlaub für die hiesige Stadtpfarrkirche neu erbaute gothi- sd1e Hochaltar. Es ist di es ein Werk der vollendetsten Sd1önheit dieses Fadies in Ardütektur, Ornamentik und Composition der Statuen. Der ächt christlidie Sinn und die wahre künstlerische Begeisterung für das sdiöne Werk sind im ganzen Bau und allen Theilen unverkennbar aus- gesprod1en. Man muß staunen, mit weldier gewissenhaften Strenge selbst bis ins kleinste Detail der alte, ernste, ehrwiirdige Styl u11serer biederen und ehrenfesten Vorfahren beibehalten ist. Die Figuren sind zwar nicht in der eckigen, harten, altdeutsd1en Manier gemacht, wohl aber in jener schönen, erhabenen Weichheit ausgeführt, wie jene wenigen Statuen, die bei unserer Kirche dem Vandalismus noch entgan:gen sind.27 Die Architektur ist eine der würdigsten Schöpfungen unserer Zeit, und ganz getreu der Art, in der die Kirche erbaut ist. Und die Ornamentik, wie lieblich sd1miegt sie sich in alle Räume, die für sie bestimmt sind, wie reich und edel ziert sie Giebel und Thürmd1en . Es sind dabei Arabesken und Laubkreuze, die der sd1önsten Zeit der altdeutschen Kunst werth sind. Ueberhaupt ist den edlen Bewohnern von Steyr, wel- che für die glücklid1e Rettung ihres geliebten Kaisers dieß schöne Denk- mahl setzen, in jeder Hinsicht zu gratulieren ... " Soweit A. A. Stern 28 im „Alpen-Bothen " 1857, Nr. 11, S. 43 . Was man damals unter Gotik verstand, was man damals mit romantisd1-smiefem Blick in den mittelalterlichen Stil hineini nterpretierte, zeigt schön eine andere Stelle im „Alpen-Bothen" 1857, Nr. 41, S. 165. 29 9

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