85. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1967/68

unserer Väter den Prachtbau in seinem Innern zu vollenden. Schnell kamen Gaben von Arm und Reich, ein Theil des kunstberaubten Schmuckes aus glau- bensannen Zeiten fiel, und zum Gedächtniß der wunderbaren Rettung des geliebten Landesherrn erhob sich ein Altar im Geiste alter, deutscher Kun:st. " Die Schaffung des Hochaltars der Stadtpfarrkirche hatte seine Wurzel nicht iiur in Ressentiments gegen die barocke Kunst und den 1689-1692 erbauten schwarzgoldenen Hochaltar der Stadtpfarrkirche. Kaiser Franz Jo- seph, der in seinen früheren Regierungsjahren Sympathie und Antipathie doch noch lebhafter kundtat, als er dies in späteren Jahren zu tun wagte, hatte nämlich der Stadt anläßlich seiner Durchreise am 14. August 1853 kühl seine Abneigung gezeigt. 8 Das beunruhigte die gedemütigten, treupatrio- tischen Steyrer Bürger ungemein. Nun, der Grund der allerhöchsten Ungnade war folgender: In den wilden Ereignissen der Revolutionsjalu-e 1848 und 1849 9 waren am 6. Juni 1849 regierungsfeindlid1e Husaren ungehindert durd1 die Stadt gezogen, ohne daß ihnen Widerstand entgegengestellt worden wäre. Der Kreisverweser Albert Stadler mußte wegen dieses Debakels sogar von seinem Amte zurücktreten. 10 Der Kommandant des löblichen Bürger- korps hatte gar ersd1rocken die Gartentüre hinter sich zugeschlagen, als er die Husaren sah. In dieser Situation war es für die Stadt sd1ier ein Glück, daß ein miß- lungenes Attentat auf den Kaiser (1853), welches aud1 die Erbauung der Votivkirche zur Folge hatte, zwanglos zur Widmung eines neuen Votiv- Hochaltars zum Gedenken an die Rettung des Landesherrn führen konnte. 18 55 fiel der Entschluß zur Schaffung des Altars. Zum le tzten Male sah man im vorliberalen Steyr ein kirchliches Anliegen als zugleich öffentliches Vor- haben durchgeführt. Die Stadtväter besorgten sogar selbst die Geldsammlung für den Altar.11 Sicher förderte der damalige Bürgermeister Anton Gaffl 12 den Altarbau ganz besonders, galt er ja als „frommer Chist" . 13 Man entsd1loß sid1 in Steyr nicht zuletzt audi über Einflußnahme Adal- bert Stifters zu den Regotisierungsarbeiten, die neben dem Altarbau geleistet wurden. 14 Stifters Meinung über den Zustand der Kird1e war dieselbe, die der Stadtkassier und Chronist Stephan Willner 15 in seinen Annalen ver- merkte: ,, Der jetzige schwarze und vergoldete Hochaltar im italienischen Stil aus den Jahren 1689-1692 paßt ... sdiledit zur gotisdien Kirche ; aber a.udi die Seitenaltäre, ... der Musikchor, die ganz vernachlässigten Fenster und Türen und Kirchenstühle verunzieren den schönen gotischen Bau." 16 Stadtpfarrer war damals Alois Zweythurn. In Natternbad1 im Innkreis 1810 geboren und 1833 Priester, war er von 1855 bis zu seinem Tod am 10. Februar 1868 Stadtpfarrer, seit 1856 aud1 Dechant, ab 1863 Gemeinde- rat und bischöflicher Konunissär für die Unterrealschule in Steyr. 1865 wurde er Ehrenkanonikus.17 Am 24. Dezember 1855 machte das Gemeindekomitee für den Votiv- altar die Beschlüsse und Pläne des Altarbaues der Kreisbehörde zwecks Genehmigung bekannt. 18 Am 6. Jänner 18 56 war der erste Opfergang zur Finanzierung des Altars. 19 Das Ordinariat in Linz genehmigte am 26. April 18 56 die aud1 ihm vorgelegten Pläne „in kird1lid1er Beziehung" und meinte, ,, die künstlerische Beurtheilung steht Künstlern zu, doch dürfte auch in die- ser Beziehung wenig Einsprache mit dagegen mit Grund gemacht werden. " 20 8

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