84. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1966/67

Orff, einer der großen schöpferischen Gestalter des zeitgenössischen Thea- ters, stellt seine Kräfte auch in den Dienst der Musikerziehung: So schrieb er die „WEIHNACHTSGESCHICHTE" als Hörspiel für Jugendliche im Alter von 9 bis 15 Jahren und zur Aufführung durch Jugendliche. Weihnachten 194 8 wurde es zum ers ten Male vom Bayrischen Rundfunk ausgestrahlt und erlebte seither zahlreiche Aufführungen im deutschen und außerdeutschen Sprachraum. Die Verfasser bringen in diesem Spiel das Schwierigste aller echten und großen Kunst zuwege: einfach, volkstümlich und gemütsvoll zu sein, ohne ins Banale und Sentimentale z.u verfallen. Krasse Gegensätze fügen sich har- monisch ineinander: Erhabene Bibelworte neben derben, naiv-warmherzigen Sprachbrocken in der Mundart der Hirten; der Heimatbrauch des Kindlwiegens und die orientalische Atmosphäre der Heiligen Drei Könige, die wie in einer farbenprächtigen Barockkrippe auftreten; Lieder aus dem Mittelalter (z. B. das Wiegenlied „Dormi Jesu ") folgen auf Instrumentalstücke einfache r moderner Satzkunst . Trotz vieler moderner Elemente besteht kein Zweifel: Diese „WEIH- NACHTSGESCHlCHTE " Orffs steht eindeutig in der Nachfolge der alten - ursprünglich lateinischen - Weihnachts- und Krippenspiele, di e in keiner anderen Gegend so zahlreich und volksverwurzelt anzutreffen sind wie in den alpenländischen Gebieten Österreid1s und Bayerns. Natürlich mußte das gelehrte Latei n dem urwüchsigen Dialekt weichen, als das einfache Volk an den Schauspi elen Anteil z.u nehmen begann. Und so läßt auch Orff seine jugendlid1en Hirten in ihrer angeborenen Mundart und aus ihrer ureigenen Schau die Wunder der Christnacht gestalten. Die Mundart ist eben ein Ge- schenk, dessen ungebrochener Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. DIE VORBERETTUNG Die Spielpartitur verlangt: Chor, Solisten, Spieler, Sprecher, Orchester. Sie schafft also die Voraussetzung, möglichst viele Kinder nicht nur zu be- schäftigen, sondern sie auch zu begeistern. Der ein- bis vierstimmige Chor (Sopran- und Altstimmen) bestand aus Buben , die im Spiel alle zu zünftigen 42

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