84. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1966/67
Auto und fuhr nach Chicago. Dort bekam ich meinen Reisepaß. Am nächsten Tag sagte ich „Auf Wiedersehen" zu meiner Mutter, meinen zwei Schwestern und meinem Bruder. Ich war ganz allein, als die Reise weiter mit dem Zug nad1 New York City ging. Dennoch traf ich nach einer Weile ein Mädchen. Es war aud1 eine zukünftige Austauschschülerin und in unserer Erregtheit ver- gaßen wir auf die Rücksicht gegenüber den anderen Fahrgästen, da wir die ganze Nacht redeten und lachten . Ich war zum erstenmal in Grand Central Station, dem Hauptbahnhof von New York City, und ich war wirklich froh , daß dieses Mädchen bei mir war . Dort war ein furchtbares Durcheinande1 und wir fanden endlich nach einer Stunde ein Taxi. Die Fahrt war schrecklich: Der Fahrer war wohl sehr freundlich , aber während der Fahrt fuhr er immer zick zack und erklärte uns vieles, ohne auf den Verkehr zu achten. Schließlich kamen wir aber doch gut zu unserem Hotel, wo zirka 150 A. F. S.-Studenten zusammenkamen. Nachmittags besuchten ich und zwei A. F. S. ler das Empire State Building and Greenwich Village, wo viele Beatles, moderne Künstler und Dichter wohnen. Am nächsten Tag bestiegen wir unser Schiff, es hieß „Seven Seas " . Es war schon sehr alt, ein richtiger Klapperkasten, aber die 11 Tage auf diesem Schiff waren unvergeßlich. Unser Ziel war Rotterdam, wo unser Schiff noch immer steht. Nach dieser Reise war das Schiff nie mehr zu gebrauchen. In Rotterdam trennten sich die 11 Österreicher von den übrigen, wir fuhren mit dem Zug über Deutschland bis Salzburg. Von dort weg war ich bis Linz allein. Hier hatte ich 10 Minuten Aufenthalt und mußte in diesen 10 Minuten meinen Zug suchen. Nach acht Minuten hatte ich ihn noch immer nicht gefunden . Dann suchte ich auf dem Bahnsteig, wo ich einen Schaffner sah. Ich zeigte ihm meine Karte, er packte einen meiner Koffer und lief weg. Ein Wurstverkäufer sah dies, schnappte die beiden anderen Koffer, lud sie auf seinen Wagen und fuhr nach. Ich folgte auch. Sie steckten die Koffer und mich nod1 schnell in den Waggon, und schon fuhr der Zug ab, ohne daß ich die Möglichkeit gehabt hätte, mich zu bedanken. Als der Zug nach Steyr fuhr, versuchte ich mich zu erinnern, ob Steyr 4000 oder 44.000 Einwohner habe. Der erste Bahnhof hieß Steyr-Münichholz. Soll ich hier aussteigen? fragte ich mich. Dann entschied ich mich zu warten, und glücklicherweise hieß der nächste nur Steyr . Dort sah id1 eine sehr nette Frau. Sie rief meinen Namen, und ich erkannte sie von einem Bild. Dies war meine neue Mutter. ,,Grüß Gott!" sagte ich aufgeregt. ,,Ich bin so froh, daß ich hier bin!" Das waren die einzigen deutschen Wörter, die ich richtig sprechen konnte. Ich war überrascht, daß meine neue Schwester kurzes Haar hatte, weil ich geglaubt hatte, daß alle österreichischen Mädchen Zöpfe tragen. Ich wutde gleich gefragt, ob ich Hunger hätte, und ich war wieder überrascht, als ich Spaghetti bekam! Das Essen dauerte eine Stunde, da ich mit meiner neuen Schwester so vieles zu reden hatte. Freilich waren die Sprachschwierig- keiten sehr groß, aber Tag für Tag ging es besser. Die Schule begann am 15. September. ,, Um Gotteswillen! " seufzte ich, als ich entdeckte, daß fast der ganze Unterrid1t in einem Gebäude auf dem Tabor war. Wir müssen 23 8 Stufen aufsteigen, um dieses winzige Gebäude zu erreichen! Es dauerte eine Woche, bis wir genau wußten, was für Gegen- stände und wann und wo wir Unterricht hätten. In meiner Heimatstadt haben wir einen Computer, der alle Gegenstände usw. für 900 Schüler ausrechnet. 27
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