habe ich jeden Tag ein bisserl mehr in dieser Sprache gelernt. Aber der „große Tag" war mein erster Schultag, an den ich mich immer wieder gerne erinnern werde. Stellen Sie sich Ihr Gefühl vor, wenn Sie in ein Land, z. B. Japan, führen, wo Sie Sitten, Gebräuche und vor allem die Sprache nicht kennen . . . wäre es Ihnen anders ergangen? Aber in der Schule war für mich die Sprache nicht die einzige Verschiedenheit, ja, sie war sogar einer von den kleineren Unter schieden! Ich war überrascht, daß in unserer Klasse nur Mädchen waren und alle aufstanden, als der Professor hereinkam. Auch in der Unterrichtsmethode konnte ich viele Unterschiede beobachten. In Amerika schreiben wir alles zu Hause auf und in der Schule diskutieren wir über den Stoff. Das war auch ein Grund dafür, daß für mich das Mitschreiben so schwer war, als der Pro fessor die ganze Stunde vortrug. Die Hauptschwierigkeit aber war, daß ich am Anfang sehr sehr wenig verstand. Ich versuchte, alle Wörter, die mir nur irgendwie geläufig waren, mitzuschreiben, machte aber viele komische Fehler dabei, z. B. „Apfel Stroodle". Auch habe ich einige neue Wörter erfunden, wie z. B. „Jagaschussling", was auf gut Deutsch „Hochstand" heißen soll. Als ich besser und besser mitkam und mitzulernen begann, war ich erstaunt, wie viel Stoff (und in wie vielen Gegenständen) wir lernen mußten. Auch mündliche Prüfungen waren neu für mich. Ich glaube, am besten hat mir gefallen, daß man jeden Tag einen anderen Stundenplan hat. . . und in den Pausen essen darf! Aber von allen linterschieden war das Schwindeln für mich am lustigsten! Bei uns sieht man es für ungerecht und würdelos an, wenn wir Prüfungsarbeiten in „Gemeinschaftsarbeit" durch Schwindeln ablegen. Aber hier habe ich die Kunst dieser Tätigkeit erlebt, und es wird für mich sehr wichtig sein, auch einmal zu schwindeln. Ich glaube, das Schwindeln hat sich aus einem der größten Unterschiede entwichelt, nämlich, daß man einen ganzen Tag lang mit denselben Klassen kameraden beisammen ist. Aber Klassenkaineradschaft hat mir so viel gehol fen, besonders als mich die Mädchen der 6. B so schnell und freundlich auf nahmen, als ich im Dezember nach Steyr kam. Noch mehr war ich von der Direktion und den Lehrkräften begeistert, die mir so viel Verständnis und Hilfe entgegenbrachten. Herr Professor Schweitzer hat mich herzlich eingeladen, die Chemischen Übungen zu besuchen, und er hat mir gezeigt, wie gut ein Professor m i t seinen Schülern zusammenarbeiten kann. Besonderen Dank muß ich auch meiner Deutschprofessorin, Frau Prof. Neumann, aussprechen, die jede meiner Schularbeiten korrigiert, mir meine Fehler erklärt, und mich in die Klassendiskussion eingeführt hat. Ich werde allen nie genug danken können für das, was sie hier in der Schule für mich getan haben. Dialekt lernen, Walzer und Polka tanzen, Wiener Schnitzel, Knödel, Palatschinken und Schlagobers essen, zu den Pfadfindern gehen, Ausflüge machen und jeden Tag etwas Neues erleben und kennenlernen — ich kann nur sagen, ein Jahr ist nicht genug, um alles das zu sehen, das meine Familie und die Schule mir zeigen wollten. Durch American Field Service wurde ein Traum zur Wirklichkeit. . . ein Land nicht als Tourist, sondern als Bürger kennen zu lernen. Nicht nur der Fassade nach, sondern von innen, mit all seinen Menschen, Sitten und Schönheiten.
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