82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

Bung des Gebietes. Die Gründungsurkunde, die in der überlieferten Form’) nicht das Original wiedergibt,10) gewährt allerdings nur für die an das Stift überwiesenen Gebiete Einblick in den Stand der Siedlung auf der noch weithin mit Wald bedeckten Traun-Enns-Platte.11) Das Gebiet nördlich des Unterlaufes der Steyr hinüber zur Enns wurde 777 als Rodungsbezirk Dietach dem Stift zugewiesen.12) Die Ortsnamenforschung beweist nach E. Kranzmayer13) einwandfrei, daß seit der Spätantike eine ununterbrochene schriftliche Überlieferung des erschlossenen ursprünglichen Örtlichkeitsnamens *stiria besteht, wie er auch in den Urkunden seit dem 12. Jahrhundert verwendet wird (styria, stiria). Lautgesetzlich mußte nämlich die alte Form ‘stiria zu ‘stirre bzw. ‘stirra werden (ca. 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts).14) Die Formen Stira, Styra finden sich auch oft in mittelalterlichen Urkunden. Dies kann bedeuten, daß schon in der Zeit der Spätantike der Name stiria bestanden hat. Wir wollen uns aber nicht zur Behauptung versteigen, daß dies allein schon das Bestehen einer Ansiedlung in jener Zeit — oder in der Zeit des oben angeführten Lautwandels — beweist. Es ist ja auch denkbar, daß das Mündungsgebiet der Flüsse Enns und Steyr, ein markanter Punkt in der Landschaft, für sich genommen und ohne menschliche Niederlassung den Namen Stiria getragen hätte. Markante Punkte in der Landschaft tragen schließlich meistens alte Namen. Stiria heißt nach E. Kranzmayer „das zur Hemmung (Stauung) gehörige" und ist wohl ein keltisches Adjektiv. Die Endung —ia ist ein fern. Zueignungssuffix. In der Spätantike hatte also der Fluß Steyr bereits seinen Namen, der von der indogermanischen Wurzel *stir-os (Hemmung, Stauung) abgeleitet war.15) Wir wollen noch drei frühe, verschollene Berichte über die Entstehung von Steyr betrachten, die schon der für seine Zeit wissenschaftlich bemerkenswert nüchterne Preuenhueber verwarf.16) „Derjenige, so der Grafen von Steyer Genealogiam zusammengetragen" gab an, Steyr sei 412 von Winulphus, einem Heerführer des Alarich, gegründet worden.17) Der Genealoge weiß zwar, wann Alarich gelebt hat, aber diese Meinung — eine gelehrte Fiktion, wie sie das Mittelalter und die Zeit des Humanismus so häufig kennen, — ist zu phantasievoll, als daß ein Wahrheitsgehalt darin stecken könnte. Laurenz Pichler weiß nach unserem Chronisten von einer „Erhöhung zu Zeiten Karls des Großen“.18) Eine Stadtgründung oder eine Erhebung kann für diese Zeit, die agrarisch-naturalwirtschaftlich eingestellt war und ein Städtewesen im spätmittelalterlichen Sinn nicht im entferntesten kannte, nicht in Betracht kommen. An anderer Stelle be- ’) Urkundenbuch des Landes ob der Enns 2 (1856), S. 2—4. 10) Heinrich Fichtenau, Die Urkunden Herzog Tassilos III. und der „Stiftbrief“ von Kremsmünster. Mitt. des Instit. für Geschichtsforschung LXXl (1963), S. 1-32. ") Pfeffer, Land ob der Enns (Anw. 5), S. 150. ,2) Pfeffer, Land ob der Enns (Anm. 5), S. 81. 13) vgl. Kranzmayer, Besiedelung (Anm. 7). 14) Münd!. Mitt. Univ.-Prof. Dr. Kranzmayer. 15) Erst 1963 wurden Univ.-Prof. Dr. Kranzmayer indogermanische Wurzel und Bedeutung des Namens Steyr bekannt. 16) Preuenhueber, Annales (Anm. 1), S. 4 f. 17) Preuenhueber, Annales (Anm. 1), S. 5. ”) Preuenhueber, Annales (Anm. 1), S. 4. 7

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2