82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

lieferte Römerfund ist der 1297 gefundene Münzschatz.4) Solche Funde weisen auf unruhige Zeiten hin; das Sicherheitsgefühl ist geschwunden und man vergräbt seine Habe. Der Steyrer Fund berechtigt zur Annahme menschlicher Ansiedlung in der Umgebung, falls die Münzen nicht bloß während der Flucht in bedrängter Lage dem Erdboden anvertraut worden waren. Die römische Zivilisation in unserem Raum fand in den Wirren der Völkerwanderung ihr Ende. Die bairische Landnahme, die sich in sehr unklarer Weise vollzog, wurde jedenfalls durch den Einfall der Awaren um 700 aufgehalten. Bischof Arbeo erzählt, daß es zwischen den Awaren („Hunnen“) und Baiern zum Streit kam, daß die „Städte“ zu beiden Seiten der Enns zerstört und fast verlassen, die Wälder den wilden Tieren preisgegeben waren und niemand mehr die Gegend zu betreten wagte. Lorch wurde damals zerstört. Die Baiern waren damals nicht in der Lage, sich an der Ennslinie festzusetzen und sie zu halten.5) Nach dem Awarenvorstoß um 700 liegen durch fast ein Jahrhundert keinerlei urkundliche Nadirichten über den Zentralraum Oberösterreichs vor. Die Ortsnamen lassen nun erkennen, daß weite Gebiete des Landes von slawischer (karantanischer) Siedlung durchsetzt wurden. Rein slawi- sdie Siedlungsgebiete waren der Alpenrauni Oberösterreichs, die Täler der Enns und Steyr, die Teichl, Krems, Alm, Traun und Ischl. Die Siedler kamen von Süden her über die Alpenpässe oder von Osten über die Enns in das weithin noch unbesiedelt gebliebene Waldgebiet der Traun-Enns-Platte.6) Namen der engsten Umgebung stammen aus der Slawenzeit, dem 8. Jahrhundert: Dietach, Raming, Garsten, Sarning, Sierning.7) Freilich, der Flußname und die Örtlichkeitsbezeichnung stiria — die in die Keltenzeit zurückreichen8) — wurden von den Slawen nicht verdrängt, sondern weitertradiert. Ob sich die Slawen des 8. Jahrhunderts im engsten Bereich der Stadt niedergelassen haben, vermag man nicht zu sagen. Eine erste Konsolidierung des Gebietes können wir für die 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts annehmen. Noch in der frühesten Karolingerzeit war das Land zwar von Awaren ständig bedroht, aber deswegen kann man eine — den damaligen Verhältnissen entsprechend — agrarisch-naturalwirtschaftlich eingestellte Bevölkerung im Gebiete nicht ausschließen. Das nahe Kloster Krem s- Münster wurde 777 gegründet und war ein Mittelpunkt für die Erschlie4) Rudolf Noll, Römische Siedlungen und Straßen im Limesgebiet zwischen Inn und Enns (Oberösterreich) (Der römische Limes in Österreich XXL Wien 1957), S. 76 /. 5) Franz Pfeffer, Das Land ob der Enns (Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs, Linz 1958), S. 145. 6) Pfeffer, Land ob der Enns (Anm. 5), S. 147. 7) Eberhard Kranzmayer, Die Besiedelung der Umgebung von Steyr im Lichte der Ortsnamen. Veröff. des Kulturamtes der Stadt Steyr (März 1953), S. 62—78. Über die Slawensiedlung in Dietach gibt die „Gründungsurkunde“ von Kremsmünster (777) Hinweise: . . . tradimus et XXX sclauos ad Todicha cum opere fiscali seu tributo iusto. Tradimus autem et terram, quam illi sclaui cultam feccrant sine consensu nostro infra qui vocatur forst ad Todicha et ad Sirnicha. Urkundenbuch des Landes ob der Enns 2 (1856), S. 3. °) Mündl. Mitt. Univ.-Prof. Dr. Kranzmayer. 6

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