82. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1964/65

zur heutigen oberösterreichisch - niederösterreichischen Landesgrenze, wo das Stift Garsten später die Stiftspfarren St. Ulrich, Ternberg, Losenstein, MariaNeustift u. a. m. innehaben solle. Hat es nun einen Sakralbau im Bereich der heutigen Stadtpfarrkirche schon in otakarischer Zeit gegeben? In den Gärstner Traditionen findet sich folgende Stelle: „Inter flumina uero anesum et styriam hec sunt, que tradidimus scilicet cellam, que terminatur in Rjuulo Sabinicha, ubi ille Riuum facit in anesum per leichperge usque ad ujam (= viam), que a cella iter prebet ascha . . .""") Die erwähnte „cella“, die am Flüßchen Sabinicha liegt, wo dieses in die Enns einmündet, ist wahrscheinlich eine Eigenkirche der Otakare. Die Datierung der Llrkunde auf ca. Ilio”1) ist allerdings eine unbegründete Vermutung, da sie gefälscht ist. In der Bestätigung der Rechte und Besitzungen Garstens durch Herzog Leopold (1192) ist die Wendung „ . . . Quia uero abbatem monasterij prelibati racione Capelle in vrbe nostra Stira Curie nostre summum constituimes Capel- lanum . . ."”2) enthalten. Der Abt von Garsten wird also als Kapellan oder kirchlicher Herr über eine Kapelle in der seit diesem Jahr herzoglich-babenber- gischen urbs Steyr eingesetzt bzw. bestätigt. I. Krenn'13) hat die „Capelle" als Burgkapelle aufgefaßt und nicht, was das Wort Kapelle damals auch bedeutet, als eine „Kirche ohne pfarrherrliche Rechte" in der urbs. Ich möchte jedoch die Urkundenfälschungen von ca. 1110 und 1143 (siehe oben) mit ihrer Erwähnung einer „cella“ beim Hundsgraben mit dieser Urkunde in Zusammenhang bringen und betrachte die „Capelle" als Vorläuferbau der heutigen Stadtpfarrkirche: Um einen Anspruch auf den Sakralbau der bereits städtischen Siedlung zu stützen, ist im Kloster Garsten die Fälschung angeblicher Urkunden von 1110 und 1143 erfolgt. 1305 werden die kirchlichen Rechte des Abtes von Garsten über die Stadtpfarrkirche und die Spitalskirche von der Bürgerschaft wiederum bestätigt.”4) Damit sind wir bei einem weiteren problematischen Sakralbau angelangt, nämlich der S p i t a 1 s k i r c h e. Um 1180 übergab Wecilo von Steyr den Johannitern ein Haus „ad hospitale Sancto Joanno Iherusalem".”5) Entgegen früheren Meinungen haben wir schon ausgesagt, daß der von Preuenhueber erwähnte Neubau der Kirche 1305 als LImbau einer doch schon romanischen Anlage zu verstehen ist.”6) Die Einsetzung des Garstener Abtes als obersten Pfarrer auch über die Spitalskirche 1305 (siehe oben) deutet wohl darauf hin, daß Garsten schon vor diesem Datum solche Befugnisse über die Spitalskirche gehabt hatte. ”’) Urkb. d. Landes ob der Enns I (Wien 1852), S. 122. — Gefälscht. Die angebliche Bestätigung durch Otakar von Steyr („1143“), wo sich diese Stelle wieder findet, ist auch eine Fälschung. — Urkb. d. Landes ob der Enns II (Wien 1856) S. 208—211. ’ ”1) Register der Urkb. d. Landes ob der Enns. ’n) Anni. 99. ”3) Ingeborg Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr l.Teil (Veröff. des Kulturamtes der Stadt Steyr, Juni 7 951), S. 45. '") Anni. 103. ”5) Urkb. d. Landes ob der Enns I (Wien 1852), S. 179. ”6) Manfred Brandl, Die gotische Bürgerspitalskirche in Steyr. Veröff. des Kulturamtes der Stadt Steyr 25 (Dezember 1964), S. 66. 20

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2