aber nicht stirbt, so kann man zwar noch glauben. daß die Dämonen erzürnt sind, aber sie können der Frau nichts tun. Diese ersd1eint dann mit einer sold1en Macht ausgestattet, daß man sich vor ihr fürchtet. Etwas anders liegt der Fall bei einer „Emanzipierten": wenn ein Mädchen studiert, aber nicht scheitert, dann muß man zur Kenntnis nehmen, daß es nicht ungeistiger sein kann wie die Männer, die das Studium erfolgreich beenden. Der Ausfall der Tabuwirkung widerlegt die Deutung des weiblichen Wesens. Damit urteilt man rückschließend: die Mädchen früherer Zeiten studierten nicht, weil sie ungeistig waren, sondern sie hielten sich für ungeistig, indem sie sich abhalten ließen zu studieren. Dergleid1en Deutungen bewirken eine gewisse spezifische Ordnung im Verhalten der Menschen. die in Gefahr kommt, sobald ma11 sich ihnen nicht mehr als der o'bjektgegebenen Realität unterwirft als die sie sich ausgeben, sondern versucht, mit ihnen die Probe aufs Exempel zu mad1en. Die Gefahr, dabei „krank" zu werden, ist nur die letzte. unbewußte Absicherung dieser Ordnung. lndem der Mensch diese Deutungen als solche zur Kenntnis nimmt, deutet er sid1 selbst als ihr Arrangeur. Er wird zum Maß aller Dinge. Mit dieser Anspielung auf ein philosophiegcschichtliches Schlagwort der Sophisten wollen wir auf eine interessante Parallele eingehen, in der diese anthropozentrische, d. h. den Menschen in den Mittelpunkt rückende Betrachtungsweise ebenfalls auftrat, obwohl die Sophisten mit ihr noch argumentierten, anstatt wie der Psychologe sie schlicht festzustellen und ohne Kommentar zu beschreiben. Die Sophisten stellten fest, daß die Menschen sich über das Recht streiten. Daraus schlossen sie. 42 daß das eine Recht gar nicht existiert. Jeder hält das für Redit, was ihm erwünsdit ist. Aus Recht-sein wurde ihnen Für-Recht-Halten. Es gab kein davon una'bhängiges, objektives Recht, mit dem sid1 ein einzelner Rechtsansprudi decken konnte oder auch nicht: Recht war substantiell, was man dafür hiilt. Man kann die Menschen auch verführen, etwas für Recht zu halten, die Beredsamkeit erschien in dem besonderen Lichte eines „rechterzeugenden Instrumentes", durch geschickte Worte ließ sich jeder beliebige Tatbestand mit dem Namen des Rechtes vergolden. Die Sophisten waren besessen genug, die Projektionen von Im-Verhältnissen aus der konsolidierten Welt der Griechen herausreißen zu wollen und sie dem Td1 zurückzugeben. Das sittlich,: Selbst des Sokrates war schließlich nur die weise Abklärung jener Erschütterungen, unter denen der ,.sittliche Kosmos" der Frühzeit zerbrod1en war. Wir halten die Sophisten für unausstehlidie Leute und fragen, ob man die funktionalen Voraussetzungen schlechthin jeder Gesellschaftsordnung einer akademischen Erkenntnisattitüde opforn soll. Die• Menschen wären, um sich Normen mit „sittlichem Ernst" zu unterwerfen oder gar Opfer auf sich zu nehmen, zu sehr „sophisticated" - wie der Angelsachse sagt. Ein Staat, dessen Grundlagen aus dem Gutdünken und der Willkür von Menschen gedeutet werden, ist instabiler als ein Staat, dessen Grundfesten der Wille Gottes, das Geschichtsgesetz. der Kosmos sind. Wir werden im folgenden Abschnitt sehen, daß es folsd1, zumindestcns unwissensd1al:tlich ist, dergleichen Grundfesten als Illusionen (etwa im Dienste der Staatsidee) zu deuten. An dieser Stelle wollen wir noch auf den Zusammenhang zwischen Sophismus und der Etablierung des „Lustprinzips" verweisen. Vnallgemeinert
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