80. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1962/63

FRIEDRICH SIXTL Grundzüge und e1n1ge Ursachen der modernen Psychologie Die zweifache Möglichkeit des Menschen, sich zu objektivieren, als eine der Ursad1en der Psyd1ologie Wenn ein Philosoph Resignation empfiehlt, schickt er eine Verurteilung der Welt voraus (1): sie sei nid1t zu bessern, aller moralisme Mut müsse zerschellen, man solle sie nach ihrer Art treiben lassen ... Der Philosoph argumentiert so, als hüttc er den Anlaß zu seinem Resignieren „draußen in der Welt"' vorgefunden. Tatsämlich fordert seine Selbsterfahrung die resignierende Abkehr von der Welt: er hat vielleicht einen autoritären Vater gcha'bt, gegen dessen Willen sich durd1zusetzen einfach aussichtslos war - und dieser harte Vater blickt ihm nun überall aus dem Antlitz der Welt entgegen. Als Philosoph liebt es der in seinem Selbstvertrauen gebrochene Sohn, von sim abzusehen: er will ja die Welt an sein Publikum verraten und nicht sich selbst. An dieser - freilid1 etwas frivolen Behauptung - enthüllt sich das Wesen der Philosophie: in all ihre Aussagen geht mit Notwendigkeit das Verhältnis eines Im zu seiner Welt ein. Die subjektive Im-Komponente dieses Verhältnisses würde aber die Forderung nam sich ziehen: jedem seine eigene Philosophie. Es geschieht somit um der Allgemeingültigkeit der Aussage willen. daß das IchVerhältnis in die Welt projiziert wird, in der es der Philosoph als „ihr Wesen"' erkennt. Seine Aussage lautet dann nicht: ich empfinde die Welt als unverbesserlich, sondern: sie i s t unverbesserlim. Im Gegensatz zu den Aussagen des Philosophen über die Welt geht es der Psymologie um das ImVerhältnis in diesen Aussagen. Wir werden sehen, daß dabei der Philosophie nimt einmal die Welt als Domäne vorbehalten bleiben kann. Versuche unserer östlid1en Nachbarn, sie ihr in Form der .,sozialistischen Wirklichkeit" zu reservieren, 111ad1en eine künstliche Unterdrückung der Psychologie notwendig. Die „Welt" erweist sich - ganz im Sinne Fid1tcs - als ich-abhüngig: man erkennt auf den ersten Blick die Neigung des Idealismus zur Psyd1ologie. Wäre jener nicht mit der Forderung, die Welt im Sinne der Ideale zu verwirklichen, verkettet gewesen, so wäre die Psyd10logie bereits aus ihm und nicht erst aus der Relativierung der Ideale hervorgegangen. Was wir eben an der hohen Philosophie andeuten, läßt sich bis in den kleinsten Alltag hinein verfolgen: Eltern halten ihr Baby für das lieblichste von der Welt - oder sie wissen, daß Eltern daz'.! neigen, ihr Baby als das lieblichste anzusehen. Im ersten Fall erscheint das Entzücken der Eltern als Folgt' einer ungewöhnlichen Lieblichkeit des Ba37

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