II. Im Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur Dienstleistung und nicht zu bestimmten Arbeiten. Zwar wird die Art der Dienste in der Vereinbarung meist näher bezeidmet, es handelt sich aber immer nur um eine bestimmte Kategorie, z. B. Schlosser, Buchhalter, Hilfsarbeiter, Chauffeur usw. Der Arbeitnehmer stellt damit dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft als Schlosser, Buchhalter usw. zur Verfügung. Die Dienstleistungspflicht beinhaltet demnad1 in erster Linie die Verbindlichkeit, sich zur Verfügung zu halten. Dem Arbeitgeber erwächst daher aus dem Wesen des Arbeitsvertrages ein e i n s e i t i g es V e r f ü - g u n g s recht, genauer: ein Weisungsrecht gegenüber dem Ar'beitnehmer. Ein zweites, etwas anders geartetes Anordnungsrecht entsteht aus der Tatsache, daß der Arbeitnehmer in der Regel in Gebäuden und auf Grundstücken tätig ist, die in der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers stehen. Dieser kann daher bis zu einem gewissen Grad auch das Verhalten des Arbeitnehmers während der Arbeitszeit einseitig bestimmen. Aus dieser Situation schließt der Soziologe, daß sich der Arbeitnehmer nicht in ein Vertragsverhältnis mit genau umschriebenen Rechten und Pflichten, wie z. B. der Mieter bei einem Mietvertrag, sondern in ein Herrschaftsverhältnis begibt. Er gerät, ob er will oder nicht, in eine p e r s ö n I i c h c Abhängigkeit, die zwar mit der schon vordem bestandenen wirtschaftlichen Schwäche nidu zusammenhängt, durch sie jedoch noch bedeutend verstärkt wird. Diesem Verfügungsrecht des Arbeitgebers (Direktionsrecht nach der Terminologie der Arbeitsrechtslehre) und seinen nachteiligen Wirkungen auf den Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber auf verschiedene Weise entgegenzutreten versucht. Die wirkungsvollste Maßnahme war zweifellos die Schaffung einer gesetzlichen Be I e g s c h a f t s ver t r e t u n g (Betriebsräte). Unter den Befugnissen, die man ihr übertrug, befindet sich e i n e R e i h e v o n M i t - s p r ach er echten - meist in Gestalt einer ed1ten Mitbestimmung - die sich auf Angelegenheiten beziehen, die ansonsten dem alleinigen Verfügungsrecht des Arbeitgebers unterliegen würden. z. B. bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Tage der Woche oder bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen. Neben dem Gesetzgeber hat auch die Ar'beitsrechtswissenschaft dadurch wesentlich zur Milderung des Herrschaftscharakters des Arbeitsverhältnisses beigetragen, daß sie ausgehend von geri11gen Ansätzen im positiven Recht auf die wechselseitige Treue und Fürsorge p f 1 ich t hinwies, die die Ar'beitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung beherrscht. Nach dieser Lehre, die auch in der Rechtsprechung überwiegend Anerkennung gefunden hat, entsteht ab dem Eintritt des Arbeitnehmers in den Betrieb eine über die rein vermögensrechtlidte Beziehung hinausgehende, wechselseitige persönliche i. e. personenredttlidte Beziehung. Aus dieser wiederum folgt, daß der Arbeitgeber über die Lohnzahlung hinaus zur Fürsorge, besser zum sozialen Sdtutz der Person des Arbeitnehmers in jeder Beziehung verpflidttet ist, während der Arbeitnehmer in bestimmten Situationen, z. B. in einer Not- oder Zwangslage des Betriebes dem Arbeitgeber nach besten Kräften audt über die normale Dienstleistung hinaus zur Verfügung stehen muß. Dieses widttige, dem Wesen nach immaterielle und daher im besonderen Maße humanisierend~ Element trägt mit seinen praktischen J\uswirkun33
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