80. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1962/63

RUDOLF STRASSER Die Grundgedanken der Arbeitsrechtsordnung A. Nid1t die mensd,lid,e Arbeit sdilechthin, sondern nur die für einen anderen auf vertraglid,er Grundlage erbradite Dienstleistung (zeit-, nicht erfolgbestimmte Arbeit), unter dessen Leitung (Fremdbestimmtheit), die abhängige Arbeit also. ist Gegenstand jenes Teiles der Reditsordnung, den wir gewöhnlich als das Arbeitsred1t bezeichnen. In fast allen Industriestaaten der Welt sah sich der Gesetzgeber in den letzten 50 bis 150 Jahren genötigt, in steigendem Maße diesem Sachverhait Aufmerksamkeit zu sd,enken, ihn in ein immer diditeres Netz von Regelungen einzuspannen. Auf diese Weise ist ein Normenkomplex entstanden. der an Umfang, gesellschaftlidier Bedeutung und Eigenständigkeit altüberkommenen Rechtsgebieten. etwa dem Strafredit oder dem Handels- und Wechselrecht durdiaus gleidirangig ist. Als eine der jüngsten Disziplinen der Rechtswissensd,aft beweist die Arbeitsreditslehre ihre Selbständigkeit und Gesdilossenheit, vor allem durch besond.ere, in keinem anderen Reditsgebiet anzutreffende Grundgedanken und Prinzipien. Für den Laien und den nur praktisch tätigen Juristen mag die Beschäftigung mit solch grundsätzlid1en Erwägungen, mag das Aufspüren von tragenden Leitgedanken vielleidit auf den ersten Blick als l'art pour l'art, als bloßes Theoretisiaen ohne unmittelbaren Bezug auf das Arbeitsleben gelten: eine n:ihere 30 Prüfung zeigt uns jedoch das Gegenteil: Sobald ein Sadiverhalt einen bestimmten Grad an Komplexität erreicht hat, ist eine sad1gered1te reditliclw Beurteilung nur nod, von einer Position der Zusa111111enscl1au der unmittelbar den Fall treffenden Normen und der das in Frage stehende Reditsgebiet tragenden Grundsätze aus möglid,. Zwei praktische Fälle, die wahrsdieinlich gar nidit so selten vorkommen, mögen dies deutlid1 madien. Fa l l I : Ein Angestellter vereinbart mit seinem Arbeitgeber, daß er den gesetzlidien Erholungsurlaub auf einzelne Tage verteilt verbraucht. Die einschliigigcn Bestimmungen des Angestelltengesetzes lauten dem Sinne nacl,: Der jährliche .Erholungsurlaub kann audi in zwei Teilen verhr:111cht werden, jedod1 darf kein Teil weniger als sechs Werktage umfassen (§ J 7 Abs. 10 Angestelltengesetz). Nad, § 40 Angestelltengesetz dürfen die dem Angestellten auf Grund der §§ ... 17 Abs. 10 .. . zustehenden Rechte durch Vereinbarung nicht verschledltert (.. weder aufgeho'ben, noch bcschri:in kt") werden. Fa 11 2 : Ein Metallarbeiter vereinbart mit seinem Arbeitgeber, daß die im Falle der Kündigun;; einzuhaltende Frist für beide Teile zwei Monate betragen soll. Im Punkt XVII des MetallnrbeircrKollcktivvertragcs sind je nach der Dauer dcr Dienstzeit Kündigungsfristen von cincr Woche bis fünf Wodicn vorgesehen. In § 2 Abs. 3 Kollci<-

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