MORITZ ENZINGER Steyr 1m Werke der Enrica von Handel-Mazzetti Ist auch die Schilderung der äußeren Umgebung nicht immer wesentlich für eine Dichtung, so kann sie doch, und gerade in der epischen Form des Romans, weittragende Bedeutung gewinnen, da sie Schauplatz, Hintergrund und Atmosphäre zu bieten imstande ist und so bereits bei der Konzeption einer Dichtung mitbestimmend sein kann. Gewiß ist das nach Stilform und Zeitverlangen versd1ieden, bei Enrica von Handel-Mazzetti aber spielt der Handlungsort zumindest immer mit, so daß man keinen ihrer Romane in eine andere Umgebung versetzen könnte, ohne daß aber die Umgebung zu symbolischer Bedeutung gelangte. Doch sind ihre Romane landschaftlich gebunden, wie sie auch zeitgebunden sind, mag ihre Tendenz zur Aufgipfelung, zur barocken Übersteigerung, ja der Aufbau ihrer Bücher, der oft pseudodramatisch ist, das epische Moment anscheinend zurückdrängen. Als Handel-Mazzetti nam dem Tod ihrer Mutter zu ihrem Onkel Anton und Tante Luise nam Steyr gezogen war, wo sie die Jahre 1905 bis 1911 blieb, machte sie die Stadt Steyr, deren altertümliche Schönheit damals erkannt und 'betreut wurde, zum Smauplatz von drei Dichtungen: ,,Deutsmes Recht" (1908), ,,Die arme Margaret" (1911) und „Stephana Schwertner" 1912- 1914) . ') Natürlim legten schon ihre Quellen eine Verlegung nam Steyr nahe, aber für die Handlung selbst gab es ja kaum eine Quelle im ii'blimen Sinn. wenn audl 22 „Deutsmes Recht" an eine Sage und einen Braudl anschloß, der im Remtsleben früherer Zeit üblim war, daß ein Verbrecher begnadigt wurde, falls ihn ein Mädchen vom Richtplatz weg zur Ehe nahm!) Ein tsmemismes Lied, das die langjährige Kammerfrau der Familie Handel zu singen pflegte, vom Sterben der schönen Tochter des reichen Mannes, deren Leimnam Räube·r des Smmuckes berauben, wobei das Mädchen wieder zum Leben erwacht, und eine Kölner Sage der Richmondis von der Adud1t mit der Errettung von der Todesstrafe durch Hingabe der eigenen Persor, 'bieten die Grundlagen. ,,Dieses Remt erinnert mich im tiefsten an den Opfertod des Herrn" äußerte die Dimterin.3 ) Solcher Opfertod zur Rettung eines anderen begegnet bei Handel-Mazzetti, immer wieder umgestaltet und umgeformt, smon in Meinrad Helmperger, in .. )esse und Maria", in der „Annen Margaret", der „Stephana Schwertner", ja noch im 3. Teil der „Frau Maria", so daß das Motiv zu den Grundthemen der Dichterin gehört, wie umgekehrt die Agnes-Legende, die Jungfrau und Märtyrin, immer wieder als Thema anklingt.') Und wie die Reliquie. der hl. Euphemia in der Michaelerkirme zu Steyr auf die Gestalt der Stephana abfärbte, ja wie schließlidl, als die tote Stephana im offenen Sarg über den Steyrer Stadtplatz getragen wird, die Sonne auf ein smneeweißes totes Gesicht scheint, das ein Blumenkranz krönt, und auf eine kindliche Brust, ü'b<.'r der
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