80. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1962/63

ein strenger Sprachschulmeister, dem wir viel verdanken. Unser Hunger nach den Perlen deutscher Dichtkunst wurde aber auch von der Stadt gestillt. Welche Stadt von der Größe Steyrs hatte solch ein Theater! Schon das köstlid1e „Haus" mit der goldigrotcn Barockausstattung gab echte Theaterstimmung. Wir konnten Faust, lphigenie, Die Räuber, Hero und Leandcr und Werke von lbsen und Hauptmann sehen. Wenn die Theaterkasse leer war, sandte der Bühnenverein einen der Großen des Burgtheaters. Ein volles Haus mit dreifachen Preisen machte das Schiff wieder flott. Natham Ringerzählung, gesprochen von Lcwinsky, klingt mir heute noch im Ohr. Unsere Erziehung zum Schönen im Zeichenunterrid1t war zwar sehr gut, aber noch mehr bildeten uns die schönen Bilder der Stadt, die vielen Gebäude edelster Ardiitektur, der Stadtplatz, der Blick die Steyr aufwärts, der Blick vom Tabor. Weldie Stadt kann so viel Sdiönheit bieten! Wenn idi heute 56 Jahre zurückblicke und mich frage, wem id1 meinen Beruf verdanke, der mir soviel Befriedigung und Freude gegeben hat, so muß idi sehen, es war Steyr, die Stadt und die Schule. Meine Liebe zu den Naturwissensdiaften verdanke idi Emil Stephan, den Entsdiluß, nicht reine Physik, sondern die Physik des Masdiinenbauers zu studieren, dem tedinisdien Fluidum der Stadt. Und den Doktoren Hackl und Nagel verdanke ich es, nie vergessen zu haben, daß der Mensdi das Maß aller Dinge ist. Idi habe im Leben eine Reihe bedeutender Männer kennen gelernt, die mir etwas mitgegeben haben; nur wenige aber weiß idi, die mir so viel gaben, wie die drei Männer der Sdmle. Sie waren ja audi meine ersten Lebensbildner und hatten eine nodi junge, biegsame: Seele vor sidi. ld1 denke nidit nur alle Jubeljahre an sie, nein, öfter als der Mond wediselt. Und wenn idi an einen denke, dann tritt das ganze Dreigestirn der Schule vor mein Auge und dazu die wundervolle Stadt und ein Gefühl inniger Dank- 'barkeit. 21

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