80. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1962/63

1863 bundB5 rnolgymnoaium 51Byr 1963

FESTSCHRIFT DES BUNDESREALGYMNASIUMS STEYR ZUR 100 - JAHR-FEIER DES BESTEHENS so. JAHRESBERICHT 1962163

Mit Befriedigung und Freude nehme ich zur Ke1111t:1is, daß das BundesrealgyHmasium in Steyr in den J 00 Jahren seines Bestehens die ihm übertragenen verantwortungsreichen Aufgabe11 voll und ganz unter allgemeiner A11erlle1111ung erfüllt und sich einen ,tntadeligen Ruf errungen hat. Gerne nehme ich daher den Anlaß wahr, zum 1 oo;ährigen Bestand des Bundesrealgymnasiums in Steyr meine aufrichtigen Glüd?- wünsclte auszusprechen. Aus der Geschid1te einer Scltule und aus ihren Wandlungen lassen sich sowohl die Forderungen der Gesellschaft an die ;eweilige Struktur der Heranbildung der ;ungen Menschen als auch die Entwicklungen des im Bereich der Schule beheimateten Bildungsideales und seine Verwirldichungen und Durchführungen in der Praxis erkennen. So hat sich aud1 das Bundesrealgymnasium in Steyr als eine echte Schöpfung seiner Zeit dem Wu11sd1 des Bürgertums gemäß, die Jugend für Gewerbe und Industrie praktisch heranzubilden, aus der inneren Forderung zum Erweitern der Aufgaben von einer Realschule zu einem Realgymnasium gewandelt, dessen Bildungsziel im Ausgleich von !1Uma11istischer 11nd realistisc/1er Bildung dem Mittlerideal der östcrreid1ische11 Geisteshaltung e11tsprid1t. Möge auch in hünftigen Zeiten das Bundesrealgynmu~ium in Steyr sci~,e il,m gcsctzte11 Ziele verfo lgen, möge es aud1 an dieser Bildungsstätte gelingen, in der Realisierung des neuen Schulgesetzwerkes, das nicht zu-- letzt traditionelle Werte t41it neuen Erkenntnissen zu verbinden sucht, der Jugend den Weg zu weisen in eine Zuk1111f t. deren Träger sie sci11 wird . DR. HEINRICH DRIMMEL Bundesminister für Unterrid1t

Das hundert;ährige Bestands;ubiläum des Bundesrealgymnasiums Steyr ist ein Anla/1 zu besouderer Freude für die Stadt Steyr. das Bundesland Oberösterreidt und darüber hinaus für ganz Österreidt. Würdig reiht sidt diese Mittelsdtule in den Kreis der ältesten Mittelsdtulen unseres Landes ein. Steyr, die alte Industriestadt, ist seit vielen Jahrhunderten au ch eine Stii tte besonderer Kulturpßege. Tedtnik, Kunst und Wis - sensdtaft geben in ihrem l1armonisc/1en Zusau1mcn1virl? en der Stadt ihr besonderes Gepräge . Eine gute Sdtule ist Voraussetzung für das Blühen und Gedeihen einer mensdtlidtcn Gese/lsdtaft, ihren Wohlstand und ihre gesunde Aufwärtsentwicldung. Das Lau d hat daher am Wirken der Mittelsd1ulen, die der reifenden Jugend eine höhere Allgemeinbildung bieten, das größte Interesse. Mit großer Freude und Genugtuung kann idt als Landeshauptmann feststellen, daß die Mittelsdtule in Steyr ihre Aufgabe während der ganzen Zeit ihres Bestehens voll erfüllt hat. Tausende ;unge Mensdten haben die.sc Sdtule verlassen, und viele ihrer Abgänger neh,,nen heute in Stadt und Land führende Stellungen in der Wirtsdtaft und Industrie. aber audt in der Kunst und Wissensdtaft ein. Das hohe A11sehen, das diese Mun - 11er u11d Fraue11 genießen, ihre Tüdttigkeit und ihre Leistungen, si11d die beste A11crkennung und das größte Lob für ihre Sclrnle. ldt beglückwü11sdte das Bundesrealgym11asium Steyr aufridttig zu seinem Jubiläum u11d danke allen seinc11 Lehrern für ihre ersprie/1/idte Tätigkeit. Zugleidt entbiete ic/1 der A11stalt die besten Wünscl1c für 11odt viele Jahre erfolgreidten Wirkens. 4 Dr. HEINRICH GLEISSNER Landeshauptmann von Oberösterreidt

Hunderr Jahre sind ein Zeitraum, in welchem sich viel Gutes und viel Schled1tes verwirklichen läßt. Wenn das Bundesrealgymnasium Steyr in diesem Jahr das Jubiläum seines hundert;änrigen Bestehens feiert. so darf es mit Dank gegen Gott und mit ehrlicher Freude zurüclisci1auen auf eine gro(Je Leistung, nämlich au( Generationen von Studenten, die es durch die innen vermittelte geistige Schulung und sittlich-menschliche Bildung auf führende Stellungen in Beruf, Gesellschuf t, Kirche und Staat wissenschaftlich und charakterlich vorbereitet hat. Ein solcher Rückblick läßt nicht nur das Gefühl einer vollbrachten stolze11 u11d der Ehre würdigen Leistung als berechtigt erscheinen, sondern begründet zugleich die zuversichtlid1e Hoffnung, da{J das Bundesrealgymnasium Steyr seiwe große Mission für die Stadt Steyr und unser geliebtes Österreich auch in den koi-umenden Zeiten erfolgreic/1 erfüllen wird. In diesem Sinne beglückwü11sche ich das Bundesrealgyumasium zu seinem Zentenar auf das herzlichste und erteile allen sei11en Professoren, Studenten, A,1gestellten, FreuHdru u11d Gönneru meinen biscl1öf/ic/1en Segeu. Ad 11111ltos, ad plurimos annos! t FRANZ SAL. ZAUNER Bischof von Linz

Die vielen Studenten, die eine Anstalt im Laufe von 100 Jahren trotz Krieg und Krisenzeiten. U111brüd1rn und Neuanfängen auszubilden in1sta11de war, lrnben unser geliebtes Österreich geprägt und geformt. Namen von toten und lebenden Absolventen des Bundesrealgynmasiums Steyr sowie Namen von Dirchtorcn und Professoren haben über den Rahmen eil-rer Sehulk lasse und über die Mauern des altehrwürdigen Hauses hinaus Bedeutung gcwo11ne11, und 11u11 kli11gen alle diese Namen anläßliclr dieses hunderr,ährigc11 Jubiläum.- zusammen wie in der Gemei11sd1af t einer großen, jubilierenden Familie. Die dadurd1 wieder neu gestärkte Gesinnung und Verbindung zwisd1cn Lehrer und Schüler möge der Allmächtige leiten und lenken zum Wohl unseres Landes über alle Konfessionsgrenzen und menschliche Sc/1wachheiten hinweg. Pfingsten ist die Versicherung solcher Geistesleirkung Gottes. Das Losungswort der /1/. Schri{ t für das dies;ährige Pfingstfest und Jubelfest des Bu11desrealgym11asiums in Steyr lautet: „So sollst du nun wissen, daß der Herr. dein Gott, ein Gott ist, ein treuer Gott, der den Bund und die Barmtrcrzigkeit hält denen. die ihn liebeir und seine Gebote t,altrn, in tausend Glieder. 5. Mose 7, q " EVANGELISCHE SUPERINTENDENTUR A. B. LINZ

ln der alten Eisenstadt Steyr feiert - im Ja'1r'1undert der Technik und Automation - eine allgemeinbildende Mittelschule i'1ren 1 00jä'1rigen Bestand. Dieses Jubiläum des Bundesrealgymnasiums Steyr ist für unser ganzes Heimatland ein Anlaß zu besonderfl' Freude. Eine Mittelsdrule l1ar im Ratrmen der menschlichen Gesellschaft einen '1ohen Auftrag zu erfüllen. Die '1ö'1ere Allgemeinbildung, die sie vermittelt, umfaßt die tvesentlichen Bereiche der Ge.isteswissenschaften tvie aud1 der Naturwissenschaften. Als '1umanistische Bildungsstätte tvirkt sie mit ihren mannigfaltigen Bildungstverten auf de11 ganzen jungen Menschen ein. 1hr Endziel ist auf die Persönlichkeitsbildung, auf das „ voll emfaltete edle Menschentum" ausgerichtet. In dieser Sendung stra'1lt das Wirken der Schule über die Schulsäle '1inaus in das ganze Volk, und die Mittelschule er/mrgt dadurch ihre große Bedeutung auch in einer Industri e- und Wirtschaf tsgescllsd1aft . 100 Jalrre lang '1at die Mittelschule in Steyr, vorerst als Realschule, dann als Realgymnasium, ihre Aufgabe im Dienste der Erziehung und Bildung junger Menschen erfüllt; sie ist dadurd1 aufs innigste mit i'1rer Stadt u11d dem ganzen Lande verbunden. Eine gro/1e Zalil von Schülern hat in dieser Zeit die jubilierende Anstalt verlassen, aus der viele tüd1tige. angesehene Menschen hervorgegangen sind. Ich beglückwünsd1e die Anstalt zu ihren schönen Erfolgen und verbinde dantit auch den aufrichtigen Dank an die Direktoren, Professoren und Angestellten der Anstalt für i'1r verdienstvolles Wirken i111 Interesse der Jugend und im Dienste unseres Vaterlandes. Möge11 der Anstalt in der Erfüllung ihrer Aufgabe als Stätte hö'1erer Allgemeinbildung und als ein kulturelles Zentrum der Stadt Steyr auc/1 wciter'1in viele Er( olge in einer friedlid1en Zukunft und in einem glücklichen Österreich beschieden sein! HOFRAT ANTON KRANZL Landesschulinspektor

Wei,111 eine so bedeutende und wertvolle Bildungse1nricl1tung wie das Bundesrealgymnasium in Steyr ei11 Jubiläum feiert, darf audt die Stadt Steyr dieser Feierstunde nidtt fernbleiben. Form und Inhalt dieser Schule wirkte auf alle wesentlidten Lebensbereidte der Bewohner unserer Stadt ein, in allen Sparten der Gebietsverwaltung und des Wirtsdtaftslebens sind mit Erfolg Absolventen des Bundesrealgymnasiums an einßußreidter und verantwortungsvoller Position tätig. Auf das kulturelle und gesellsdtaftlidte Leben in unserer Stadt übt diese Sdtule formend ihren Einßuß aus. Das hundertjährige Bestandsjubiläum des Bundesrealgyn111asiu1t1s in Steyr fällt mit dem Beginn einer neu,?11 Entwicklungsphase des österreidtisdten Mittelsdtulwesens zusa111men. Die neuen, im vergangenen Jahr vom Nationalrat besdtlossenen Sdtulgesetze werden audt in der künftigen Organisation des Bundesrealgymnasiums in Steyr ihren Niedersdtlag finden und einen bedeutungsvollen Sdtritt auf de~n Wege der Weitere11twiddung der Mittelsd1Ule darstellen. Die „Allgemeinbildende 1-löhere Sdtule" wird von allen Eltern in Steyr, aber besonders von jenen der näheren und weiteren Umgebung Steyrs, lebhaft begrüßt werden. Die 100-Jahr-Feier bietet mir einen willkommenen Anlaß, de11 Sdtulleitunge11 und dem Lehrkörper (ür ilm: erfolgreidte Lehr- i111d Erziehungsarbeit die verdiente Anerken11u11g und den Dank der Stadt zum Ausdrucl,e zu bringen. Ein Glückwu11sch soll den Festtag und die l?ünftige11 Jahre der Tätigheit dieser Sdtule begleiten: Möge ilrr eine weitere Aufwärtsentwicklung u11d reiclter Erfolg in einer friedlidten Atmosphäre bescl,icden sei11. JOSEF FELLINGER Bürgermeister

Zum hundertjäurigrn Bestand entbiete id1 der Anstalt meine aufrichtigsten Glückwünsche. J/1rer Fcstsd1ri{t , die sicher die Entwiddung, die Gesdiehnisse und den Stand der Anstalt, als der in Steyr einzigen allgemeinbildenden höheren Sdmle. darlegen wird. bitte ich zui,n Geleit den Wu11sd1 mitgeben zu dürfen, das Bundesrealgymnasium möge nicht allein darin seine Hauptau(gabe finden , allgemein wissensbildend tätig zu sei11 UJ.1-t die ihm anvertraute Jugend mit Kenntnissen auszustatten und damit /,,ochschul- oder berufsreif zu machen. sondern aud1 darin, den anvertrauten Schülern Grundlagen für die Persönlichkeitsbildung zu geben. das ist. die Schüler zur Persönlichkeit zu (ül1ren. In diesem Wunsd1e liegt aber auc/1 das Anliegen an den Lehrkörper der Anstalt, sich immer dessen bewußt bleiben zu wollen. daß Professoren und Lehrer nicht nur von dem geben, was sie wissen, sondem auch vo;i dem, was sie sind. denn acht Schuljahre am Bundesrealgymnasium sind wo/,,/ der bedeutendste Lebensabschnitt der Sdiiiler für den Aufbau itirer Persön lidikeit. Mit den besten Wünsd1e11 (ür vollen Erfolg uuf diesem Wege verbleibe id1 mit dem Ausdruck vorzüglichster Hocliachtung und W ertsdtätzung Dr. MARKUS GRABNER Bezirkshaupt11-1ann von Steyr 9

ZUM GELEIT Mit der Freude darüber, einer Anstalt vorstehen und in ihr lehren zu dürfen, die auf eine bereits 100 Jahre währende Leistung als Institut der Bildung und Erziehung zurückblicken kann, verbindet sich 1n erster Linie der Dank an die Direktoren, Professoren und Lehrer, welche seit der Gründung der Anstalt in langer Reihe diese Wirkung hervorgebracht haben. Viele, sehr viele Schüler sind es, die in diesen 100 Jahren von ihnen das seelische und geistige Rüstzeug erhalten haben. im leben sinnvoll zu wirken undd damit zu bestehen. Und wie gut sie jeweils ausgerüstet worden sind, beweisen. viele große Leistungen ehemaliger Schüler unserer Anstalt, beweisen aber auch die stillen Taten wie das Erfüllen der alltäglichen Pflid1t als Priester, als Professoren, als Juristen, als Ärzte. als fngenieure, als Künstler, als Beamte, als Lehrer, als Werkende - bestätigt letzten und besten Endes die Bewährung als Mensd1. All das galt von eh und je der Stadt Steyr, ihrer Umgebung, dem Heimatlande, dem Vaterlande und darüber hinaus dem Menschen schlechthin. So sehen wir denn in dem Vennäditnis, das :ius Arbeit, Haltung, Leistung und Erfolg kommt, unsere Verpflid1tung und wir wollen die uns anvertrauten Schüler zu gläubigen, aufrechten und tüchtigen Menschen heranbilden, geborgen im Bildungsgut des Humanismus und gesichert durch einen gesunden Wirklichkeitssinn, damit sie im Leben bestehen und für die Gemeinschaft, für das Vaterland und für die Mitmenschen tätig und 11ützlich sind. Wir, die wir im Kriege am Leben ge'blieben sind, müssen audi jener gedenken, die darin ihr Leben verloren haben. Und so lag der Smluß nahe, zur jahrhundertfeier den in beiden Weltkriegen gefallenen ehemaligen Professoren und Schülern ein würdiges Mal des Gedenkens zu errichten. Hier ist es meine vornehme Pflicl1t zu danken, und zwar zunädist den Aussd1üssen zur Errichtung des Mahnmales aus den ehemaligen Schülern und aus den Professoren für die Vorarbeit. Idi darf hier audi dem Amte der oö. Landesregierung, Abteilung Landesbaudirektion, unseren aufrid1tige11 Dank für das großzügige Entgegenkommen aussprechen, insbesondere rlen Herren Hofrat Dipl.-Ing. Karl Jander, Reg.-Oberbaurat Dipl.-Ing. Franz Höhne und Reg.-Baurat Dipl.-Ing. Raimund Miegl. Zu ganz 'besonderem Danke sind wir aber den ehemaligen Schülern, den Herren Regierungs-O'berbaurat Dipl.-Ing. Hem1ann Goldbacher für die vielen Anregungen und seinen nimmem1üden Einsatz und Architekten Dipl.-Ing. Helmut Reitter für den Entwurf der Gedenktafel, der Lampe und der Gitterglastüre, für den Entwurf und die Stiftung des schmiedeeisernen Kreuzes sowie für seine vorbildlime Mitarbeit verpfliditet. Der Direktion der Steyr-Daimler-Pud1-AG. gebührt unser Dank für die Herstellung des smmiedeeiscrnen Kreuzes und der Agraffe zum Mahnmal sowie für jeglid1es Entgegenkommen überhaupt. Den Steyrer Firmen Negrelli. Zwettler und Drößler danken wir für die zum Teil kostenlose. zum Teil nur zu Sclbstk0sten durchgcfiihrtcn Arbeiten zur Amgestaltung der Aula in der Anstalt. II

Ferner gilt unser Dank der Firma Benno Steller, Steinmetzmeister in Linz, für die Herstellung der Mahnmaiplatten mit der Schrift und für das preislid1e Entgegenkommen. Und schließlich danke ich im Namen der Anstalt sowie im Gedenke11 an die Gefallenen vom Herzen allen Spendern, jedem einzelnen sowie Vereinen, Verbänden, Körperschaften und Firmen für alle Beträge, die es erst ermöglichten, den Gedanken eines Mahnmales in dieser Form zu verwirklid1en. Weldie Bereitschaft zu Opfer und Leistung dabei zutage trat, kann als beispielhaft bezeichnet werden und muß jeden erfreuen. ldi danke hier audi allen Mitarbeitern an der Festsdirift und besonders für die wertvollen wissenschaftlidien Beiträge von ehemaligen Schülern, u11.d da gereicht es mir zur ganz besonderen Ehre und Freude, meinem ehemaligen verehrten Lehrer für Germanistik an der Universität in Innsbruck und gegenwärtigen Ordinarius für Germanistik an der Universität in Wien, Herrn Univ.-Prof. Dr. Moriz Enzinger, dafür gewonnen zu haben, für unsere Festschrift einen wertvollen Aufsatz über Steyr in der Dichtung der Enrica von Han.del-Mazzetti zu schreiben, obwohl er kein Sd1üler unserer Anstalt ist; aber er ist ein Kind unserer Stadt, der er sich immer verbunden fühlt. Endlich habe ich noch die Pflicht, unserer Stadtgemeinde herzlichen Dank zu sagen. Sie hat ja d.urdi viele Jahrzehnte unsere Schule 'betreut, sie vor allem hat nadi dem Kriege den Wiederaufbau getragen, die Anstalt hat bei den Bürgermeistern, bei den Stadtvätern und beim Magistrat jederzeit größtes Verständnis und Entgegenkommen gefunden. Wir verdanken der Stadtgemeinde jetzt auch eine namhafte Hilfe für die Festsdirift. Möge dieses Mahnmal uns stets daran erinnern, daß wir zu den Glücklichen gehörten, die aus dem Kriege heimkamen, und daß wir in Liebe und Ehrfurdit jener Bedauernswerten zu gedenken. haben, die mit dem gleidien Redit auf das Leben gefallen sind. Audi unsere Schüler sollen daran erinnert werden, der Lebensopfer zu gedenken, die von ehemaligen Schülern zum Teil im gleichen Alter gebracht werden mußten, und künftig alles zur Aufwärtsentwicklung der Mensdiheit beizutragen, damit nidit immer wieder die Differenzen zwischen den Völkern und Interessengruppen der Menschen mit Waffengewalt ausgetragen werden un.d ihre Hekatomben von Opfern fordern, damit nicht etwa auch sie selber, ihre K~nder und Kindeskinder wieder in Kriegen sterben müssen. Die Tradition aus den 100 Jahren aber möge uns ge·genwärtigen Professoren und denen, die nad, uns hier erziehen und bilden werden, stets Verpf!iditung sein, auf einem festen Fundament des Bezuges zwischen Mensdi und Gott das Beste zur Erziehung und Bildung der Jugend zu geben. In diesem Sinne: Vivat crescat, Aoreat' domus nostra ! 12 Dr. RUDOLF ENGELHARDT Direktor

„DIE SCHRECKEN DES . KRIEGES" FEDER. OTTO PRÖCKL 6. C

EIN MAHNMAL FÜR DIE TOTEN DER BEIDEN KRIEGE Die Hundertjahrfeier unserer Schule war der gegebene Anlaß, unserer teuren Toten aus dem 1. und 2. Weltkrieg zu gedenken. Daß bereits eine geraume Zeit verstrichen war, sollte sich nicht als Nachteil erweisen, da es jetzt leichter war, das Schicksal unserer Mitschüler zu klären, als unmittelbar nach dem letzten Krieg. Das Los der Vermißten hat sich zwischen Tod und Heimkehr entschieden. Zur Feststellung unserer Gefallenen wandte sich die Schule schriftlich an ehemalige Maturanten mit der Bitte um Meldung der im Kriege gebliebenen Klassenkameraden. Aus der Reihe der Klassenvertreter und einigenl Mitgliedern des Lehrkörpers setzte sich dann ein engeres Komitee zusammen, das die Organisation für die endgültige Anlage des Mahnmals übernahm. Die wichtigsten Beschlüsse des Komitees waren die Wahl des Platzes für das Denkmal an der linken Wand der Aula des Realgymnasiums und die Neuanführung der Toten des 1. Weltkrieges. Dafür sprach die Unvollständigkeit der alten Gedenktafel im Direktionsgang wie auch die vom künstlerischen Standpunkt aus mit dem neuen Denkmal unvereinbare Gestalt des alten Gedenksteines, so daß eine Übertragung desselben an die rechte Wand der Aula nicht möglich schien. Man beschloß auch, die Opfer aufzunehmen, die nicht unmittelbar durch die Kriegsereignisse, aber durch die Ungunst der politischen Verhältnisse in der Zeit des 2. Weltkrieges ihr Leben lassen mußten. Zur Finanzierung des Projektes wandte sich das Komitee an die Absolventen unserer Schule, an die Steyrer Geschäftswelt, an die Nachbargemeinden und an die Eltern der augenblicklichen Schülerschaft. Aus den vielen freundlichen Zuschriften und aus den reichlichen hochherzigen Spenden spricht ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eine Verbundenheit der früheren und jetzigen Schüler unserer Anstalt, die den Geist einer wahren Gemeinschaft erkennen lassen. Zu den Geldspenden kamen noch unentgeltliche Leistungen der Baufirmen Drößler, Negrelli und Zwettler, die Beistellung des schmiedeeisernen Kreuzes durch die Steyr-Werke und die würdige Erneuening der Aula im Auftrage der Landesbaudirektion. Es muß gesagt werden, daß das Mahnmal ohne die Mithilfe der Herren Oberbaurat Dipl.-Ing. Hermann Goldbacher und Architekt Dipl.-Ing. Helmut Reitter nidlt möglich gewesen wäre. Herr Oberbaurat Goldbacher hat die Offerteinholung, die Auftragsvergebung an die Firma Steller, die wichtigen Verhandlungen mit Stellen der Landesregierung und eine Fülle von R emühungen im einzelnen übernommen. Herr Architekt Reitter hat den Entwurf für das Mahnmal beigestellt; er hat sich für das Entgegenkommen der Steyr-Werke verwendet. Allen, die dazu 'beigetragen haben, die Errichtung des Kriegerdenkmals zu ermöglichen, sei an dieser Stelle der herzlichste Dank unserer Schulgemeinschaft ausgesprochen. Das Denkmal mahnt uns an 59 Gefallene des Ersten und an 157 Tote des Zweiten Weltkrieges. Möge ~ das letzte Mal sein, daß unsere Schule die traurige Pflicht hat, im Kriege gebliebenen Kommilitonen einen Gedenkstein zu errichten. 13

DIE TOTEN DES ERSTEN WELTKRIEGES Prof. Dr. Zimmermann Fritz Brandtner Josef Brunner Roman Burger Julius Dengler Alfred Denkmayr Friedrich Eckardt v. Feldenbruck Wilhelm Ecke Josef Ing. Eidenböck Leo Finda Friedrich Gall Otto Gleisscnberger Karl Gleissen'berger Rudolf Großauer Franz Gsöllpointner Viktor Ing. Haller Wilhelm Herburger Julius Hofer Franz Holl Ferdinand Hörner Karl Edler v. Roithberg Huber Julius Jungmair Rudolf Kahlhubcr Wilhelm Klandy Maximilian Ritter v. Kosch Ernst Krenn Josef Ing. Dr. Lackner Anton Lackner Rid1ard v. Langer Emanuel Leitgeb Valentin Lex Adalbert Mattausch Heribert Menschik Karl Mion Leo Omann Josef Panny Ridiard Panzl Robert Peter Kurt Pittner Hermann Ritter v. Plos Franz Pruckmüller Leopold Purkert Hans Ritzinger Franz Sd1aclmer Franz Scl1rangl Heinrich Sehrang! Johann Seiler Matthias Spaengler Hermann Steinbacher Franz Stiedl Johann Stohl Karl Sturmberger Oswald Tiefenwieser Franz Voglmayr Johann Watzinger Hans Werndl Leopold Winzig Josef Wittmann Ferdinand Zacek Rudolf DIE TOTEN DES ZWEITEN WELTKRIEGES Prof. Dr. Bauernfeind Edwin Prof. Hobetseder Georg Prof. Dr. Klakl Wilhelm Prof. Dr. Loidl Karl Prof. Pirkl'bauer Josef Prof. Reitter Georg Alte Helmut 14 Alte Wolfgang Andel Alfred Bachinger Walter Baminger Alfred Bauer Arthur Bereiter Gerhard Bernhardt Karl Brunner Edwin Buchtel Herbert Christian Friedrich Christoph Franz Danninger Gustav Derfler Alois Dipl.-Ing. Dertler Friedrich Dolzer Edmund Domes Karl

Edlmayr Michael Egger Johann Enöckl Franz Entinger Karl Exler Ferdinand Exler Leo Fahrenberger Josef Feierfeil Ewald Felbinger Helmut Fercher Arthur Finsterer Walter Fleischhacker Karl Födermayr Johann Förg Walter Forster Walter Fried Georg Fuchs Adolf Hirnhammer Herbert Gahbauer Johann Gammer Helmut Grachornigg Konrad Granner Rudolf Groiß Franz Gruber Johann Haberl Oskar Hadeyer Friedrich Hafrank Otto Haider Johann Handl Ernst Haratzmüller Johann Harthaller Ludwig Helmel Karl Hinterhölzl Leopold Hod1wallner Karl Hofstetter Erwin Hubner Johann Huemer Erich Kargl Max Karlhuber Max Kempinge'r Alice Kerschbaumer Alois Kettensteiner Emil Kettensteiner Josef Kimbacher Karl Kinzl Helmut Klakl Herbert Klein Otto Dr. Kletzmayr Franz Knara Helmut Kokoll Felix Kre-1111 Johann Kurzwcrnhart Karl Kutsam Karl Dr. Laschenzky Hermann Lebcrstorfer Anton Lebisch Friedrich Lehermayr Oskar Leitner Rudolf Lepold Rudolf Leutgeb Anton Lipowsky Rolf Löcker Hermann Luegmayr Otto Ludwig Herbert Dr. Lürzer Richard Mejor Kurt Mitterhuber Franz Müller Franz Mussotter Kurt Nagl Ferdinand Nemitz Helmut Niederhofer Walter Nömayr Josef Obermayr Johann Payer Ekkehart Peer Friedrich Pd Gottfried Pfeffer! Alois Prellingcr Alfred Puchinger Rudolf Rahofer Franz Ramnek Karl Rapp[ Kurt Rasch! Manfred Rauter Gerhard Reidienauer Josef Reitter Friedrid1 Reittcr Mario Riedl Josef Dipl.-Ing. Riescr Franz Rößler Eugen Rossner Karl Rubenzucker Ludwig Ruber Egon Rudolf Erhard Ruttensteiner Franz Saiber Alois Scheinhart Josef Dipl.-Ing. Sdimid August Sd1111id Karl Schmidt Theodor Schopper Alfred Schrautzer Erhard Schrautzer Helmut Sdireiberhuber Franz Dr. Sdiwarz Friedrich Dipl.-Ing. Schwarz Otto Sommer Josef Stadler Heinrich Stark! Karl Steinbred1er Roland Steiner Hanns Steininger Oskar Steininger Walter Stockhammer Moritz Sucher Ludwig Trauner Wolfgang Traxler Heribert Dipl.-Ing. Vögerl Franz Voglmayr Johann Waldhör Alfred Wallisch Erich Weber Heinrich Weinberger Gottfried Wimmer Hubert Wimmer Johann Winkler Franz Wirth Johann Wolfsegger Herbert Würzlhuber Silvester Zehetgruber Josef 3eilermayr Hermann Zeitlinger Stephan Ziehesberger Franz 1 5

DER ABSCHIED Für einen Freund, gefallen vor Kiew Der Tisch steht fremd und abgeräumt, die Stube, ach, ist nimmer mein. Die Kerzenflamme, die sich bäu111t im Eishauch, wacht mit mir allein. Am Fenster kühl die Flocke schneit. Ein Apfel duftet süß am Spind. Den Göttern hab ich ihn geweiht. Die Asche füttre ich dem Wind. Im Glase noch ein trüber Rest. Wie tranken wir uns herzlich zu! Es war das große Freundefest. Noch raunt im Raum dein dunkles Du. Was brennt das Herz r,nir wie im Tod? Die Tür stoß ich ins Dunfre/ auf. Reift schon das bittre Sdticfrsalsbrot in diesem Sterne mir herauf? Der Himmel schweigt. Die Erde schweigt. Unendlich sinkt der weid1e Schnee. Aus jeder Flocke aber steigt dein Bild, das ich durch Tränen seh. (Aus "Die Nacht des Hirten", Bugen Diederichs Verlag. 1943} Linus Kefer:

BRIEF AN EINEN VERSCHOLLENEN FREUND Wisse dies: das Haus, in dem du lebst, ward zu Sdtutt und Staub in einer Nadtt. Deine Mutter ist sehr alt geworden überm Warten. Selten, daß sie ladtt. Deine Brüder kehrten beide wieder aus dem Krieg. Die Heimat hielt sie nid1t. Auf der Fludtt starb deiner Sdtwester Jüngstes. Unsere Stadt verändert ihr Gesicht. Deine Frau zog fort. Man sagt, sie hätte irgendwo ein neues Glück gefunden. Adt, sie war so jung! Und eure Liebe. euer Glück, das zählte nur nadt Stunden. Deine Büd1er sind gut aufgeftoben. Aud1 die Briefe hab idt wohl verwahrt. Aber deine Sti11m1e sd1wcigt. Dcitt LäcJ.1eh1 ist nur noch in Bildern aufgespart. Wüßt' idt dies: ob didt Vergessen oder ob Erinnern didt V crstummten hält? Ferner bist du als Gestirn für ;ene, die der Ungewißl1eit Fludt zerquält. Wardst ein andrer du durdt bittre Wandlung? Hat das Heimweh, Bruder, didt versteint? Oder bist du Erde längst in fremder Erde, :lie den Regen trinkt, die Quellen weint . .. Veronika Handlgruber-Rothmayr

18 Die Festschrift, die das Bundesrealgymnasium in Steyr zur Hundertjahrfeier des Bestehens vorlegt, sollte der Verbindung von Altmaturanten und Schule dienen und aus ihrem Zusammenwirken geschaffen werden. Der Jahresbericht unserer Anstalt wollte immer sd1on den Kontakt mit den ehemaligen Maturanten herstellen. Die Bereitwilligkeit, mit der ihn diese weitgehend aufgenommen haben, ließ hoffen, daß unsere Absicht einem verbreiteten Wunsch entgegenkäme. Die Möglichkeit, daß die einstigen Schüler zu den jetzigen sprechen, wurde in der Festschrift zum ersten Mal in größerem Umfang aufgegriffen. Es lag der Gedanke zugrunde, unseren Schülern, vor allem natürlich denen der oberen Klassen, wesentliche Anregungen zu vermitteln, ihnen und ihren Eltern und damit einer breiteren Öffentlichkeit in Steyr einen Blick in das Schaffen ehemaliger Maturanten oder in ihr heutiges Verhältnis zur Schule zu gewähren. Daß die Arbeiten bemerkenswerte wissenschaftliche Ansichten und Erkenntnisse bieten und daß einzelne neue Beiträge zur Heimatkunde darstellen, freut die Herausgeber sehr und verpflichtet sie zu !besonderem Dank. Aufgabe unserer jetzigen Schüler sollte der Buchschmuck sein. - Die Schule dankt insbesondere auch Herrn Univ.-Prof. Dr. Moritz Eiizinger, der als gebürtiger Steyrer das Wirken der Anstalt in seiner Heimatstadt dadurch anerkannte, daß er zur Hundertjahrfeier eine Arbeit widmete, die für die Steyrer von besonderem Reiz ist.

GLASFENSTER ENTWURF IN WACHSKREIDETECHNIK H~LGA KIMBACHER, 6. 8

EMIL FLATZ Ein Gedenken und ein Dank Zu Beginn unseres Jahrhunderts war die alte Eisenstadt Steyr schon lange zu einer modernen Eisenstadt geworden. Die von Josef Wemdl gegründete Waffenfabrik war damals, wie heute die SteyrWerke, das größte Werk der Eisen verarbeitenden Industrie Österreichs. Immer wieder sah man Offiziere in fremden Unifonnen, die die weltweiten Beziehungen des großen Werkes erkennen ließen. Das prächtige Denkmal vor der Promenade zeigt den großen Mann, dem man es ansah, daß er seinen At'bcitern ein wahrer Vater gewesen war. Obwohl er schon über ein Jahrzehnt tot war, stand sein Andenken in hohen Ehren. Allerlei Histörchen waren im Umlauf über die hohen Löhne, die er seinen Arbeitern hatte zukommen lassen. Er war nicht nur der österreichische Waffenschmied, sondern aud1 der österreichische Pionier der Massenfertigung, deren Maschinen und Methoden er aus Amerika einführte. Kurz und gut, in Steyr zeigte sich die moderne Industriewelt sehr früh und von ihrer besten Seite. Eine Marmortafel am Hause neben der Dominikanerkirche verkündete aber, daß in der alten Eisenstadt noch ein zweiter, vielleicht noch größerer Pionier der Technik zu11 Welt gekommen war, Ferdinand Redtenbacher, der Begründer des wissenschaftlichen Maschinenbaues. Mit Ergriffenheit las ich immer wieder diese Inschrift; sie erfüllte mich mit Stolz auf die Stadt, die diesen großen Sohn der Welt geschenkt hatte, mit Ehrfurcht vor dem in Steyr so unbekannten Mann und vor der durch ihn zur Wissenschaft gewordenen Maschinentechnik. Jahrzehnte später habe ich erst Einblick 'bekommen in das Leben Ferdinand Redtenbachers. Die Ausstrahlung seines Wirkens in Karlsruhe war so stark. über alle deutschen Lande hinaus, daß er vielleicht ein wenig dazu beigetragen hat, den Wunsch seiner Vaterstadt nach einer Realschule und Oberrealschule in Erfüllung zu bringen. Ferdinand Redtenbacher ist vor 100 Jahren gestorben; ein Grund mehr, am 100. Geburtstag der „Realschule" seiner zu gedenken. Er ist der Sproß einer alten Steyrer Eisenhändlerfamilie (1809), wird mit 11 Jahren Kaufmannslehrling, mit 14 Jahren Zeichner am k. k. Bauamt in Linz, mit 16 Jahren, vorbereitet durch Sel'bststudium, Hörer an der Technischen Hochschule in Wien, mit 20 Jahren Assistent am Lehrstuhl für Mechanik, mit 24 Jahren Dozent für angewandte Mathematik am Polytechnikum in Zürich und hei19

ratet mit 28 Jahren eine Base aus Steyr. Sein Wirken in Zürich ist, eng mit der dortigen Maschinenindustrie verbunden, so erfolgreich, daß er 184.l an die Technische Hochsdmle in Karlsruhe berufen wird. Seine Reformen, z. B. die Schließung der Vorbereitungslehrgänge und ihre Überweisung an die Realschulen, sind beispielgebend im ganzen deutschen Sprachgebiet und führen zur Gründung zahlreicher Realschulen. 1857 wird er erwählter Direktor der Technischen Hochschule in Karlsruhe, die unter seiner Leitung immer mehr den Charakter einer heutigen Hochschule annimmt. Er stirbt viel zu früh mit ,4 Jahren. Worin liegt nun Redtenbachers wissenschaftliche Leistung? Tn der Überwindung der Französischen Schule, nach der man in allen polytechnischen Schulen Europas reine Mathematik und Mechanik lehrte und die Anwendung auf technische Probleme vernachlässigte oder sogar als herabwürdigend empfand. Redtenbacher machte die Technik zur Herrin und die Mathematik zur dienenden Magd. Mit einer Reihe grundlegender Pachwerke schuf er in der Tat die Grundlagen für die Wissenschaft des Maschinenbaues. Die Entwicklung der Maschinentechnik wurde damit außerordentlich gefördert und besd1leunigt. F. Schnabel. Ordinarius für Neuere Geschid1te in München, stellt Ferdinand Redtenbacher neben Friedrid1 List in die Reihe der großen Erzieher der Deutschen. Beide waren zutiefst überzeugt von der großen Mission der Naturwissenschaft und der Tedmik und daß der Industriestaat eine bessere Form des Daseins darstelle als der alte Agrarstaat. Ferdinand Redtenbacher war eine hinreißende Persönlichkeit mit umfassender Bildung. Viel mit 20 naturphilosophischen Fragen beschäftigt, hat er 18 5 7 sein „Dynamidensystem" verfaßt, worin er in den Grundzügen das Bohr'sche Atommodell 60 Jahre vorwegnimmt. Auf die humanistische Ausbildung der Ingenieure hat er größten Wert gelegt. Die Karlsruher Technische Hochschule erlangte unter Redtenbacher Weltmf. Aus aller Herren Länder kamen seine Schüler, viele von ihnen wurden berühmte Männer der Tedmik. Carl Benz, der Erbauer des ersten Automobils, war einer der Studenten, die den Sarg ihres über alles geliebten Lehrers zu Grabe trugen. Ferdinand Redtenbacher hätte sich gefreut, wenn er die Gründung der Realschule seiner Vaterstadt noch erlebt hätte. Im n.euen Jahrhundert, als ich sie betrat, war sie sd1on lange zu einer k. k. Staat;:· oberrealschule geworden. 1904 traten zum großen Schmerz aller Schüler Edmund Aelschker. der verehrte gütige Direktor, und der hochgelehrte Dr. theol. Josef Schuhbauer in den Ruhestand. Aus dem verbleibenden Lehrkörper ragten 'besonders drei Männer hervor, die auch den besten Gymnasien Österreichs zur Zierde gereimt hätten. Es waren der Naturwissenschaftler Emil Stephan, der Historiker Dr. Alfred Hackl und der Germanist Dr. Siegfried Nagel. Alle drei waren gute Pädagogen und erfüllt von unendlicher Liebe zu ihrem Fach, und diese ist bekanntlich ansteckend; auch wir Schüler wurden von dieser beglückenden Krankheit ergriffen. Stephan, ein sehr liebenswerter Mann, war uns in den letzten Schuljahren auch ein warmherziger Betreuer und Erzieher. Dr. Hackl tmg frei und lebendig vor, seine Geschichtsstunde war für uns eine wahre Feierstunde. Dr. Nagel hingegen war eine kritisd1e Natur, aber dies sprach besser an bei uns als übertriebene Begeisterung. Er war uns aud1

ein strenger Sprachschulmeister, dem wir viel verdanken. Unser Hunger nach den Perlen deutscher Dichtkunst wurde aber auch von der Stadt gestillt. Welche Stadt von der Größe Steyrs hatte solch ein Theater! Schon das köstlid1e „Haus" mit der goldigrotcn Barockausstattung gab echte Theaterstimmung. Wir konnten Faust, lphigenie, Die Räuber, Hero und Leandcr und Werke von lbsen und Hauptmann sehen. Wenn die Theaterkasse leer war, sandte der Bühnenverein einen der Großen des Burgtheaters. Ein volles Haus mit dreifachen Preisen machte das Schiff wieder flott. Natham Ringerzählung, gesprochen von Lcwinsky, klingt mir heute noch im Ohr. Unsere Erziehung zum Schönen im Zeichenunterrid1t war zwar sehr gut, aber noch mehr bildeten uns die schönen Bilder der Stadt, die vielen Gebäude edelster Ardiitektur, der Stadtplatz, der Blick die Steyr aufwärts, der Blick vom Tabor. Weldie Stadt kann so viel Sdiönheit bieten! Wenn idi heute 56 Jahre zurückblicke und mich frage, wem id1 meinen Beruf verdanke, der mir soviel Befriedigung und Freude gegeben hat, so muß idi sehen, es war Steyr, die Stadt und die Schule. Meine Liebe zu den Naturwissensdiaften verdanke idi Emil Stephan, den Entsdiluß, nicht reine Physik, sondern die Physik des Masdiinenbauers zu studieren, dem tedinisdien Fluidum der Stadt. Und den Doktoren Hackl und Nagel verdanke ich es, nie vergessen zu haben, daß der Mensdi das Maß aller Dinge ist. Idi habe im Leben eine Reihe bedeutender Männer kennen gelernt, die mir etwas mitgegeben haben; nur wenige aber weiß idi, die mir so viel gaben, wie die drei Männer der Sdmle. Sie waren ja audi meine ersten Lebensbildner und hatten eine nodi junge, biegsame: Seele vor sidi. ld1 denke nidit nur alle Jubeljahre an sie, nein, öfter als der Mond wediselt. Und wenn idi an einen denke, dann tritt das ganze Dreigestirn der Schule vor mein Auge und dazu die wundervolle Stadt und ein Gefühl inniger Dank- 'barkeit. 21

MORITZ ENZINGER Steyr 1m Werke der Enrica von Handel-Mazzetti Ist auch die Schilderung der äußeren Umgebung nicht immer wesentlich für eine Dichtung, so kann sie doch, und gerade in der epischen Form des Romans, weittragende Bedeutung gewinnen, da sie Schauplatz, Hintergrund und Atmosphäre zu bieten imstande ist und so bereits bei der Konzeption einer Dichtung mitbestimmend sein kann. Gewiß ist das nach Stilform und Zeitverlangen versd1ieden, bei Enrica von Handel-Mazzetti aber spielt der Handlungsort zumindest immer mit, so daß man keinen ihrer Romane in eine andere Umgebung versetzen könnte, ohne daß aber die Umgebung zu symbolischer Bedeutung gelangte. Doch sind ihre Romane landschaftlich gebunden, wie sie auch zeitgebunden sind, mag ihre Tendenz zur Aufgipfelung, zur barocken Übersteigerung, ja der Aufbau ihrer Bücher, der oft pseudodramatisch ist, das epische Moment anscheinend zurückdrängen. Als Handel-Mazzetti nam dem Tod ihrer Mutter zu ihrem Onkel Anton und Tante Luise nam Steyr gezogen war, wo sie die Jahre 1905 bis 1911 blieb, machte sie die Stadt Steyr, deren altertümliche Schönheit damals erkannt und 'betreut wurde, zum Smauplatz von drei Dichtungen: ,,Deutsmes Recht" (1908), ,,Die arme Margaret" (1911) und „Stephana Schwertner" 1912- 1914) . ') Natürlim legten schon ihre Quellen eine Verlegung nam Steyr nahe, aber für die Handlung selbst gab es ja kaum eine Quelle im ii'blimen Sinn. wenn audl 22 „Deutsmes Recht" an eine Sage und einen Braudl anschloß, der im Remtsleben früherer Zeit üblim war, daß ein Verbrecher begnadigt wurde, falls ihn ein Mädchen vom Richtplatz weg zur Ehe nahm!) Ein tsmemismes Lied, das die langjährige Kammerfrau der Familie Handel zu singen pflegte, vom Sterben der schönen Tochter des reichen Mannes, deren Leimnam Räube·r des Smmuckes berauben, wobei das Mädchen wieder zum Leben erwacht, und eine Kölner Sage der Richmondis von der Adud1t mit der Errettung von der Todesstrafe durch Hingabe der eigenen Persor, 'bieten die Grundlagen. ,,Dieses Remt erinnert mich im tiefsten an den Opfertod des Herrn" äußerte die Dimterin.3 ) Solcher Opfertod zur Rettung eines anderen begegnet bei Handel-Mazzetti, immer wieder umgestaltet und umgeformt, smon in Meinrad Helmperger, in .. )esse und Maria", in der „Annen Margaret", der „Stephana Schwertner", ja noch im 3. Teil der „Frau Maria", so daß das Motiv zu den Grundthemen der Dichterin gehört, wie umgekehrt die Agnes-Legende, die Jungfrau und Märtyrin, immer wieder als Thema anklingt.') Und wie die Reliquie. der hl. Euphemia in der Michaelerkirme zu Steyr auf die Gestalt der Stephana abfärbte, ja wie schließlidl, als die tote Stephana im offenen Sarg über den Steyrer Stadtplatz getragen wird, die Sonne auf ein smneeweißes totes Gesicht scheint, das ein Blumenkranz krönt, und auf eine kindliche Brust, ü'b<.'r der

Wachshände liegen und einen Blumenstrauß halten, und diese weiße Lilie war Stephana, die reinste Magd Steyrs,5) ganz nach dem Bilde der heiligen Euphemia, 6 ) so werden auch das Aschenbrödel- und Dornröschen-Märd1en7) wie Konrad von Marburg und die hl. Elisabeth (III, 371), ja Jakobs Werbung um Rahel (III, 413) aus der Bibel zu Leitbildern, ebenso Rosa in der Newen Welt") oder die Gemahlin des hl. Leopold, die Gründerin von Klosterneuburg, Agnes,9) ferner Agnes Bernauer (III, 13 5) und sogar Ferdinand von Tirol mit der schönen Welserin (111, 136). Aber da waren nun auch noch die Chroniken von Steyr. Für die „Am1e Margaret" hauptsächlim die Aufzeichnungen des Färbermeisters Jakob Zettl in Ennsdorf, ' 0 ) dann die Annalen des Steyrer Bergschulmeisters Wolfgang Lindner (1603 - 1622)11 ) und schließlich die „Annales Styrenses" des Valentin Prevenhuber, Nürnberg, 1740. dazu viele andere Quellenschriften, besonders natürlich Franz Pritz, Gesdiichte der Stadt Steyr, Linz, 1837. Daraus war Zeit und Ortskolorit zu entnehmen, wozu noch Bilder und alte Stadtpläne traten, wie der von Wolfgang Hauser (1584), der (St. ScllW. 11. 1) audi gelegentlich erwähnt wird. Die den angeführten Legenden und Anregungen frei nachgebildeten Handlungen der drei Diditungen sind nun in die Ortslandschaft der Stadt Steyr eingebettet. Im „Deutschen Redlt" wird der „Herrgott von Steyr" gewissermaßen zum Mittelpunkt, als die Todlter des Steyrer Eisenmannes und Patriziers Wolf Reisdlko, vom Tode wieder erweckt, den verurteilten Räuber zur Ehe nimmt. Vom Friedhof auf dem Tabor bis zu den Sd1lupfwinkeln an der Enns, dem Hodlgericht in der Freising und ins Stcyrcr Rathaus führt die balladisdic Diditung. In der „Armen Margaret", die 1626 spielt, gibt Jakob Zettl, der die aus ihrem Haus vertriebene, zu Tod gequälte Margaret bei der Kapelle am Sdlnallenberg aufliest und ins Bruderhaus in der Sierninger Straße bringt, seine eigene Lebensgeschichte in der Zeugeneinvernahme vor (S. 302 f.), die aus Zettls „Chronik" (S. 15 f.) gesdlöpft ist. Da wird diei Stadt Steyr sel'bst zum Schauplatz der Ereignisse, und immer wieder werden Straßen, Gassen und Plätze genannt. In der oberen Gleinker Gasse steht das Haus der Margaret, das vom Tabor her besdlossen wird (S. 34). Zettl wohnt in Ennsdorf in der Langengasse (S. 347), das Hirschenhaus auf dem Stadtplatz, wo das Hauptquartier ist, 12 ) ist das jetzige Kreisgeridlt, das Gefängnis ist im Wasserturm. Das Bruderhaus wird zur Stätte einer widltigen Szene, von dort führt ein Pförtlein zum Pestfriedhof, der Weidiselgarten genannt, und von da gehts hinab zur Steyr (362 f.). Zahlreich sind Ortsbezeidlnungen aus der Umgebung13 ) , wiederholt wird audl das Haus des Wolfgang Madlseder erwähnt, des hingeridlteten Bürgermeisters von Steyr aus dem Bauernaufstand, dessen Haupt mit dem Holzmüllers zur Aufsteckung von Linz hergebradlt worden war,14 ) sowie die Sdiandsäule, die zwischen Kirdle und Madlsederhaus erridltet wird (304). Ins Wieserfeld führt die Handlung (189), Wirtshäuser werden genannt (Zur güldenen Sunn, Zum grünen Baum (S. 61), Pfarrberg, Dachsberg, Steyrbrücke, die Stadtviertel, das Messererkreuz (160, 197), Grünmarkt (234), Berggasse, Sdluhbodengasse (92), daß alles das namentlich genannt wird, ist ja fast selbstverständlidl. Dazu die Predigerkirdle (Dominikanerkirme, 338), die Kapuzinerkirdie (154), das Innerberger Gewerksd1aftshaus (236) auf dem Stadtplatz (Neue Spar23

kasse) usw. Beim Tunnblasen vom Stadtpfarrturm wird das lutherische Verbündnislied geblasen (23 5 f.), wie ja auch zahlreiche geschichtliche Momente in kleinen Andeutungen verflochten werden, über den Bauernkrieg, über Stadtereignisse, wie z. B. S. 224: ,,Seit die beiden Wolfen den Abt von Garsten, Leonhard, vor seiner Kammertür erschlagen haben, ist ein solcher Zulauf und Sturm von Leuten in Steyr nie erhört gewesen, selbst da Stephan Fadinger auf dem Rathaus mit dem Richtschwert judizierte und der Bauernprädikant bei Kaspar Reinhards Fenster auf den mit Maibäumen gezierten Stadtplatz hinab das Evangelium las, kamen nicht solche helle Haufen vom Land herein". 15 ), 16 ) Ja Margaret singt ein Lied von Kaiser Matthias, mit dem sie vor 13 Jahren als Schulkind den Kaiser bei seinem „Progreß" durch Steyr begrüßt hatte. 17 ) So verbindet sich „Die arme Margaret" auch mit der „ Stephana Schwertner", deren Einsatz eben die Schilderung dieses Besuchs des Kaisers Matthias auf der Steyrer Burg ist, und die ebenso auch nach Garsten führt, wo die „Arme Margaret" begonnen hatte. Stephana spielt zeitlich früher, noch in der Zeit der protestantischen Herrschaft, 1615 (l, 257). Es wäre sinnlos, a 11 e Ortsbezeidmungen aus dem dreibändigen Roman anführen zu wollen, dessen Handlung durch ganz Steyr sid1 erstreckt, denn es ist selbstverständlich, daß die wichtigsten Gassen und. Plätze immer wieder genannt werden, auch die Tore wie Gleinkertor, Ennstor, Steyrtor, Gilgentor, Neutor, Schnallentor, Schuhbodentor. Kollertor, ebenso Stiegen wie Pfarrstiege, Kirchenstiege, Friedhofstiege, Mayrstiege, die Kirchen (Pfarrkirche, Predigerkirche, Spitalkirche), die katholische Schule am Berg, die evangelische im Örtl, dann Engcls24 eck (1, 468), die Schrottbrücke zwischen Voglsang und Steyrdorf ([, 227), ja auch entlegene und wenig bekannte Namen tauchen auf, so Katzenwald (JI, 20), Fuchsloch, 18 ) Küeperg und Steinfeld (1, 92), der Weichselgarten hinter dem Bruderhaus, einmal Pestfriedhof, 19 ) das Messererkreuz, das früher an der Straße stand (III, 405), die Gerichtsstätte in der Freysing (1, 3 69 ff.) an der Eisenstraße, das Hochgericht der Stadt auf dem Steinfeld (I, 323), der Pranger am Eingang des Grünmarkts (I, 453, 390, 460 f.), der Platz vor dem Spittel am Eingang der Kirchengasse, wo die Hinrichtung des Jakob Zeller stattfindet (II. 167), Pyrach (1, 48), Stadlmayrgut (ITI, 120; II, 303), das Hirschenhaus mit der Apotheke (1, 305; II. 3 31 ), es ist nicht möglich, alles anzuführen. Dazu treten zahlreiche Erwähnungen von Örtlichkeiten der engeren und weiteren Umgebung, des Ennstales wie Weißenbach, Buchau, Admont, St. Gallen, Landl, Kleinreifling, Weng, wohin die verbotene Wallfahrt gehen soll, Johnsbach, Gstatterboden und das Gesäuse; Ternberg, Losenstein, Sand, Wolfern, Sierning, Hall, Kremsmünster, Letten, Rosenegg, die Saaß (I. 311), Enns, St. Florian, Mauthausen, Gleink, der Heuberg, Lord1, Kronstorf, Haidershofen, Frauenstein, Behamberg. Berge werden zu Vergleichen benützt wie Hochtor, Priel, Hornsense. Schieferstein, Damberg und Kammennayrleite.2°) Sarning, Pyrach, das alles wird angeführt. Entscheidende Szenen des 2. Bandes spielen im Kloster Garsten, wohin der pestkranke Soldat mit einem Haufen Passauer Volks von Sand her kommt.2 ') Aus der „Hölle" bliist der Wind (II. 337), selbst die Martersäule auf dem Weg nach Garsten ist nicht vergessen (III, 42 S). Aichet und Kegelpricl22 ) werden erwähnt, sowie auch das Zeughaus

und das Arsenal. ohne daß deren Lage daraus klar würde!') Wichtig ist nun, daß fast alle Ortsangaben nur durd1 Namennennung erfolgen. Selten begegnet auch eine kurze Beschreibung. Es ist so, als setzte Handel-Mazzetti die Kenntnis der Örtlichkeiten voraus. Zudem will sie den drängenden Gang der Darstellung nicht durch Schilderung des Schauplatzes hemmen. So 'begnügt sie sich, bis auf geringe Ausnahmen, mit sparsamer Zeidmung. wobei sie aber immer die wirklichen Namen benützt. Nur die Stadtpfarrkirche und die Margaretcnkapelle werden etwas ausführlicher gezeichnet, aber durch indirekte Schilderung.24 ) In dieser bewußten Knappheit liegt ein Moment der Straffung, das die Art dieser Romane an den Balladenstil heranrückt. wie ihn die Dichterin zuerst im „Deutschen Recht" zu erzielen suchte. Und in der Ballade dient die Ortsangabe nur als Hintergrund, dient nur zur Untermalung der Stimmung oder gelegentlich zur Beglaubigung des Geschehens. Joachim Händel. der Richter von Steyr, herrscht auf Schloß Vogelsang (St. Schw. I. 33), das mit Ecktürmen und Giebeln versel1en, jenseits des Stadtwalls und außer dessen Schirm liegt (l. 341). Die Gegend wird durch die Schrottbrücke mit Steyrdorf verbunden (1. 227) und Händel kann von einem seiner Zimmer, das nach Nordwest geht, aus Vorgänge in Steyrdorf und Wieserfeld beobachten, wo seine 'berühmte Stahlschnciderwerkstatt bei einem Volksauflauf zerstört wird.25 ) Es schwebte ihr dabei das Stöckl des lambergschlosses vor Augen, nicht etwa das von l. Werndl erbaute Schloß Voglsang. Das Schwertncrhaus, ein „Bestandhaus" des Abtes von Kloster Garsten in Steyrdorf (1. 44), liegl ,.oben in der Gleinkerstraße, der Friedhofstiege gegenüber", ein einsames, ungesd1mücktes Haus (I. 92 f.), ein Gasthaus in Wieserfeld, wie es (I. 204) auch genannt wird, ,.Zum 'blauen Hirschen" geheißen26 ), wohl an der Ecke von Wieserfeld und Gleinkerstraße anzunehmen. Noch werden neben dem Rathaus auf dem Stadtplatz das Pfefferlhaus, das Amorthaus, das Haus des Patriziers Adler in der Berggasse namentlid1 erwähnt. alles gesdiichtlich beglaubigte Gebäude. Ist nun auch die Handlung der Romane frei erfunden, so erzielt Handel-Mazzetti Glaubwürdigkeit und Zeitfärbung nid1t nur durdi Nennung echter Örtlichkeiten, sondern auch durch Nennung gesd1ichtlid1er Gestalten, mögen diese auch nur von lokalgcsd1ichtlicher Bedeutung sein. Hiefür seien nur einige Beispiele angeführt. Bürgermeister Radlingcr") und Bürgermeister Johann Mayr;28 ) der Aufrührer Jakob Gre-imbl.29 ) Der protestantisd1e Latein-Sdrnlmeister Georg Mauritius, auch als Dichter bekannt, der 1600 fortziehen mußte,30 ) der kath0Jisd1e Sdrnlmeister Wolfgang Lindner, der im Auftrag des Klosters Garsten seine Annalen auf- ::eichnct, 31) und der, als die katholisdie Schule in der Berggasse gesperrt wird, als Winkelschreiber auf den Dörfern sidi sein Brot verdient; der Färbermcister Jakob Zettl (A. M.), der in der lange- ~asse 14 sein Anwesen besitzt; der Jesuit P. Georg Scherer,32 ) dessen Predigten angeblidi von P. Albert abgeschrieben werden; der Eisenobmann Georg Adler33 ) und nodi mancher andere, vor allem aber Valentin Prevenhuber, 34 ) Sekretär der Innerberger Gewerksdiaft und Verfasser der Steyrer Annalen, der später wegen seines Glaubens nach Regensburg auswandern mußte35 ) und der noch in St. Sdiwertner (III. 3 8) genannt wird. 25

All das werden auch heute in Steyr lebende Leser herausfinden können. Anders aber steht es mit der Vorliebe Handel-Mazzettis, in scherzhafter Weise Steyrer Bürger oder Personen ihrer Zeit in ihren Werken festzuhalten, eine Art Montage, so wie etwa Maler ihnen bekannte oder berühmte Personen ihrer Zeit auf ihren Bildern anbrad1ten oder zuweilen auch sich selber darstellten. Solche Selbstdarstellung ist nun bei Handel-Mazzetti in direkter Art nicht zu finden, indirekt natürlich wohl. aber nur so, wie das eben bei jedem Künstler der Fall ist. Ihre weiblichen Gestalten, vor allem ihre Mädchenfiguren, sind alle übersteigert, sind Idealgestalten, vielfach klösterlicher Ausbildung und Erziehung und verkörpern ihr Frauenideal. Aber einige Zeitgenossen, die von der Verfasserin in das historische Geschehen projiziert werden. seien au; eigener Jugenderinnerung angeführt, ehe sie ganz in Vergessenheit geraten. Sie sind nicht nur Modelle für Nebenfiguren. wie solche Handel-Mazzctti mehrfach verwandte,36 ) sondern werden wie selbstversti:indlich eingefügt. So schiebt bei der Aufführung des Spieles „Von den Sti:inden'' des Prädikanten Mauritius der neue Lehrer am Steyrcr Gymnasium Augustinus Ricner eine ganz neue Szene ein, ,,ein großer Dichter vor dem Herrn. auf Deutsd1 und Latcin".37 ) Aug-ust Ricner ( 1 tlL, 7 bis 1915) war Strafhauslehrer in Garsten und sdirieb unter anderem zwei Theaterstücke : ..Der Schelm von Bergen" und „Die Himmelspförtnerin''. die beide in Steyr aufgeführt wurden.38 ) Der Organist Kirchperger Johann (II. 200) erinnert an eine bekannte Steyrer Persönlichkeit. Pfeffer!, ein reicher Patrizier von Steyr (IIT, 27 ; I, 240) ist der Namensvetter eines bekannten Steyrer Bürgers. Der Sdineider Vög-erl (1. 27,, 277; lll. H) war wirklich 26 Schneidermeister und hatte sei11e Werkstatt in den Sparkassahäusern hinter dem Werndldenkmal. Der Fleischhauer am Neutor (1, 240) bestand audi zur Zeit Handel-Mazzettis noch (Derflinger). Der Name des reichen Patriziers Adler lebte in einer Familie in der Berggasse weiter.39 ) Das Amorthaus, einem reichen Eisenhändler gehörig (Stadtplatz 14) zählt zu den sdiönsten des Platzes. Der Tisdilermeister und Gärtner Jaunisch, der sein.en wohlgepflegten und genutzten Garten in der Neuschönau besaß, wird zum Schloßgärtner erhoben (I, 272), Julius Gsdiaider, Bürgermeister von Steyr, wird zum protestantischen Viertelsmeister von Steyrdorf gemacht (lll, 521, 535), während der Mesner Auinger von der Vorstadtpfarre Mesner bleibt (1. 292). Der Zuckerbäcker Kollmann in der Engegasse wird zum Stadtschreiber befördert (1, 314), und manche Namen wie Fürthaller, Kranzmayr (1, 381, 31) sind der Zeitgenossenschaft ebenso verdäditig wie Kammerhofer ihrer überwiesen ist. Strobl ([, 31) hiei3 ein Stadtpfarrer und Kanonikus von Steyr. Fux (1, 31) ein Bt"a111ter. Doch können manche dieser Namen auch wirklich historisch sein. So war ein Basilius Kammerhofer' Prediger von Aflenz in der Steiermark.40 ) Jedenfalls hat Handel-Mazzetti Namen von Personen ihrer Zeit und Umgebung 'benützt, ihre Träger teils mit ihren wirklid1en Berufen verwertet, teils sie in andere überführt. Ihr machte das ein besonderes Vergnügen, sich solch kleine Sd1erze zu erlauben. Man findet auch in ihren anderen Romanen dafür Belege. Nur nodi einige Beispiele. Nothaft (St. Sd1w. II. 71) hieß ein Steyrer Geschäftsmann, langjähriger Gemeinderat und Vizebiirgermeister in der Enge Gasse (eigentlich: Franz Nothhaft). In der „Armen Margaret" (218) holt sich Zcttl beim Bäcker Berthold Lintl in der

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