78. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1960/61

Liegt der Reiz der einfachen Rätsel hauptsächlich im Bilderreichtum der Maskierung und deren poetischer Ausgestaltung Arnold nennt es die tro¬ pische Tendenz des Rätsels gegenüber der logischen (a. a. O. S. 14) - kommt es bei den folgenden Gruppen daneben zunehmend auf die gedank¬ liche Pointierung, die Schärfe und Präzision des sprachlichen Ausdrucks an. Die Andeutung muß meist spärlicher sein, die Zurückhaltung des Dichters und die Verschleierung noch größer, weil durch den mehrfachen Sinngehalt des gewählten und zu erratenden Wortes oder seiner Teile — jener beim Homonym, dieser bei der Scharade bereits Anhaltspunkte und gewisse Handhaben für die Lösung gegeben sind. Das Homonym als nächste Gattung bringt jeweils ein Wort mit ver¬ schiedenen Bedeutungen (S. 50, Nr. 3): Vertrau ihm nicht! den häufig ist es Lug. Trau ihm den sicher stellt es dich vor Trug. Der Leser wird angeregt, auf der Suche nach der Lösung den Bereich seiner Muttersprache zu durchforschen; Sprachbildungen und zusammenhänge werden ins Bewußtsein gehoben, der Wortschatz abgewandert und manche die Seele bereichernde Entdeckung gemacht. Ähnlich verhält es sich mit den von Brentano so benannten, aber schon viel älteren Homoionymen, bei denen Wörter und Wortgruppen nur den Klang gemeinsam haben, nicht die Schreibweise (SS. 63, Nr. 10 u. 65, Nr. 14): Getrennt der Mann zwar mächtig überwiegt, Allein vereint besitzt's das Weib und siegt. Ob du getrennt auch allen überlegen, Nie handle dem Verbundenen entgegen. Wie verschieden die Schwierigkeit der einzelnen Exemplare ist, kann folgendes aus derselben Sorte gewählte zeigen, von dem auch die Lösung angegeben sei. Mitunter ist es für den Leser schon ein Rätsel, ein Rätsel vor sich zu haben. Er muß erst entdecken, worin die Rätselhaftigkeit über¬ haupt besteht, und erst wenn diese Vorarbeit geleistet und das erste Geheim¬ nis gelüftet ist, kann die weitere Enthüllung und eigentliche Lösung zustandekommen. Das folgende Beispiel zeigt aber zugleich auch die Grenze, wo die Kunst zum Routinespiel bzw. zur Tüftelei wird — Brentano hat sie, wie bereits bemerkt, relativ selten überschritten. (Beispiel S. 67, Nr. 26) Mit zweitausend umgekehrten Ausgezeichnet guten Karten Spielt ici. s war zum Kuckucks werden. Ließ mein Spiel ich Sieg erwarten, War mein Gegner voll der Schliche, Madite doch die meisten Stiche. (Die Lösung: Tausendsasa!) Ein mit seinen Alliterationspaaren geradezu klassisch anmutendes Stück finden wir in unserem nächsten Beispiel, einen weiteren Beleg der dichteri schen Kapazität, aber auch der humoristischen Ader des Verfassers. Wir se¬ hen im Geiste den Schalk schmunzeln, wenn er den Löser verlegen mit dem

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