78. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1960/61

war nicht nur Freiheit, Anstrengung und Finderfreude gewährt, sondern auch Raum für kleine Proben von Resignation und Verzicht zur rechten Zeit und gelassen von weiteren Versuchen zurückzustehen, wenn die Bemühungen um Lösung zunächst nicht zum Ziel führten. Im Vorwort zur ersten Auflage des Aenigmatias sagt sein Verfasser: „Begegnet man bei ihren (der Rätsel) Lö= sungen oft großer Schwierigkeit, so trägt die Geschicklichkeit derjenigen die Schuld, für die sie zunächst bestimmt waren. Die feinsten und wunderlichsten Aufgaben waren ihnen die liebsten, und keine blieb ungelöst. Einige be¬ sonders bezeichnende Beispiele sollen jeweils die Darstellung der einzelnen Rätselformen des Werkes begleiten und illustrieren. Die gewählten Proben gehören zu den leichtesten Stücken, und so wird es nicht nötig sein, dem Leser durch Angabe der Resultate den heiteren Genuß des eigenen Lösung findens vorzuenthalten. Die erste Gruppe enthält die dem Volksrätsel zunächststehenden einfa¬ chen — „gewöhnlichen“ oder „eigentlichen Rätsel. Einzelne von ihnen sind bereits Allgemeingut geworden und bis in die Schullesebücher einge¬ drungen, wie etwa „Der selbstlose Führer" (Ein Weiser bin ich ...) oder „Die uneinigen Schwestern“ (Zwei Schwestern kenne ich ...), „Die Mi߬ geburt (Welch ein Geschöpfchen!...) u. a. Bei dieser Sorte kann sich die bildgestaltende, eigentlich künstlerische Seite der Denktätigkeit am freiesten entfalten und ausleben. Brentano zeigt Reichtum an Einfällen und beachtliche Kraft dichterischer Gestaltung. Schöpferische Phantasie und Beherrschung der Form halten sich die Waage. Nehmen wir gleich das erste Stück (S. 18 der 4. Auflage.) ZUM EINGANG Ich nahe dir, ein Kind, das schelisch necket, Oft hinter ernster Maske kidiernd stecket; Des Frühlings Kranz um Stirn und Locke schwing ich, Und hoch am Zweig die bunte Fahne schwing ich. Wer ahnte da, daß einst mit grimmer Tücke Am Berg gelauert meine finster Blicke, Zwar lockend, um den höchsten Ruhm zu werben, Allein des Kühnen sicheres Verderben? Ich rang mit ihm. Die Lanze sollt er schwingen; Ich warf nach seinem Haupt des Netzes Schlingen; Und sterben mußt er mir, wenn er erlegen Und gräßlich folgt ein Fluch des Siegers Wegen. Doch jetzt auch bin nicht überall ich Kind Ernst stelle ich vor, dem, der Ernstes sinut. Ich schweige, und ein Antlitz ist verhüllt Er aber weicht nicht, bis die Zeit erfüllet Er harret, ob auch fließen Jahr um Jahre, Bis ich mich endlich sterbend offenbare. Von mir erfüllt sind aller Erde Grenzen, Mich sieht man in dem Strahl der Sonneglänzen, Ich wohne in des Meeres tiefem Schoß, Und bin im Großen und im Kleinen groß. Ich bin der Welten Bau in seiner Pracht,

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