76. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1958/59

Es war im Jahre 1570, als sich die Pestleichen auf dem Steyrer Friedhof beim Bruderhaus derart häuften, da~ ein Teil der Gräber samt der Mauer zu rutschen begann und zur Steyr hinunlerslürzle. Die Seuche wütete so entsetzlich, da~ man selbsi auf die Ratswahlen verzichten mu~le, da aus Angst vor der An- ~leckung keiner der Ratsherrn zur Versammlung kommen wollte und die Bür- ger sich in ihren Häusern verkrochen. Schon seil Jahren wollte in Steyr das Unglück kein Ende nehmen, dort und da gab es schon wieder Leute, die munkelten, so strafe Goll ihre Abkehr vom katholischen Glauben, und d ie neuerdings auftauchenden Wiedertäufer riefen auf zu Bu~e und Demut vor dem nahenden Jüngsten Gericht. Vo r drei Jahren halle eine Oberschwemmung Brücken und Siege weggerissen, Mühlen und Schleifen waren von den Wassern zerstört und fortgetragen wor- den . Viele Bürger hallen ihre Habe verloren und die Not machte sich breit. Dem Hochwasser folgte die Pest und die von Hunger und Angst geschwächten Menschen starben in solchen Mengen, da~ der Friedhof zu klein wurde und die Stad! Grund für einen neuen auf dem Tabor erwarb. Sie tat gut daran, denn zwei Jahre später überfiel Steyr ein Hochwasser, wie es seil Menschen- gedenken keines gegeben halle, und der Chronist berichtet, da~ das Geschrei der Not, der Angst und des Jammers die Stadl erfüllte. In solchen Zeilen waren die Stadtväter mehr denn je auf die Wahrung der Ordnung bedacht, schrillen mit Strenge ein, wenn zersetzende Elemente sich bemerkbar machten, und bestrafte~ unnachgiebig jeden Verslo~ gegen d ie Sicherhei-t der Gemeinde. Also sandle der Stadtrichter Emanuel Fennzl eines Tages im Herbst des Jahres 1570 die Ratsdiener aus mit dem Befehl, eine Reiho von Bürgern unverzüglich auf das Rathaus zu bringen, da sie in dem Verdach t stünden, falsches Geld unter die Leute zu bringen, ja es gar selbst zu machen. Da marschierten sie nun an, eine ganze Zunft von Falschmünzern - lauter ehrsame Handwerker und Bürger - treulich begleitet von ihren Ehefrauen, die freiwillig oder unfreiwillig mit ins Gefängnis wanderten. Es war ein Skandal, wie es schon seil vielen Jahren keinen mehr gegeben halle, und wäro den Bürgern, und vor allem den Bürgernnen, nicht die Pest im Nacken gesessen, sie hätten sicher die Sensation genossen. So begnügten sie sich mit dem Bericht, da~ nach dem ersten Verhör ein Teil der Vorgeladenen nach Hause entlassen wurde, die Hauptverdächtigen aber hinter Schlo~ und Riegel kamen, worauf es für einige Zeil still um sie wurde, da es noch immer die Pes·l war, die in der Stadl den Ton angab. Es gibt kein datiertes Protokoll bis zum Mai 1571, doch is t aus den späteren zu entnehmen, da~ die Gefangenen verhört wurden, zuerst gütlich, und einige, deren Aussagen Widersprüche aufwiesen, auch peinlich. Möglich, da~ -die Pest an der langsamen Entwicklung dieses Falles schuld war, möglich aber 7

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