75. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1957/58

Spottfiguren mit Lächerlich kei ten von Ständen, Völkern, Amtspersonen und Mo- den auf . Mit gemütlichem Humor werden die Menschen betrachtet und immer neue physiognomische Besonderheiten mit treffsicherer Schärfe, aber ohne Bis- sigkeit vorgeführt . Dem Narrenspiel der Rahmen entspricht das Kauderwelsch der Verse unter den Zwergen, die uns ihre modischen und nationalen Verrückt- heiten, ihre wunderlichen Gestalten und Gesichte r, ihre Amis- und Standestor- he i ten deuten.' ) Das Augsburger Buch nennt sich „Callols Neueingerichtes Zwerchen Cabinel " und weist damit auf ein 100 Jahre früher erschienenes Werk des bedeutenden Lothringer Radierers Jacques Callot hin, das sich das ganze 17. Jhdl. hindurch grö~ter Belieb,theil erfreute und oftmals nachgestochen und erweitert wurde. Die Besonderheit der "Varie figure gobbi di Jacobo Callot" •) lag darin, d~~ die 21 kleinen Blätter zum Unterschied von den Augsburger Nachfolgern rich- tige Krüppelzwerge mit Kröpfen, Höckern und unförmigen Bäuchen enthalten . Doch tritt das Gegemtändliche stark zurück, die Hauptfreude Callols liegt offen- bar im Spiel der Fo rmen, in den grotesken Umrissen und Linien. Die psycholo- gische Charakterdeutung und die satirische Darstellung zeitgenössischer Lebens- formen liegt ihm fern. Die Darstellung deformierter Menschlichkeit und die Hingabe an gegenslandsferne Linienspiele zeigen den berühmten Lothringer als' echtes Kind des Manierismus um 1600, der weniger von der objektiven Na- tu r ausgeht und schon gar nicht die Ve-rbindlichkeit klassischer Proportionen anerkennt. Die Vorliebe für die deformierte Natur zeigt sich von da, an durch die ganze Barockwelt hindurch immer wieder in der Sammelfreude an Abson- derlichkeiten, wenn sie auch in der Kunst selbst wieder zurücktritt oder zeit- weise verschwindet. Die starke Vertrautheit mit körperlicher Mi~bildung in unse- ren Alpenländern (Salzburg und Kärnten haben seil je einen sehr hohen Pro- zenlsah von Schilddrüsenvergrö~erungen) mag auch beigetragen haben zu der Freude der Barockzeit an Zwergensammlungen wie J. Leisching bei Erörterung der Mirabellzwerge in Salzburg meint. 5 ) Das Augsburger Zwergenbuch dagegen ist eine Art Kasperlthealer, das sich der Figurenkleinheit und Kurzbeinigkeit auf eine Weise bedient, die kein peinliches Gefühl vor Mi~gestaltelem aufkommen lä~t, auch wenn man kein Freund un- klassischer Menschendarstellung ist. Die Ungeslallheiten sind vielmehr Entspre- chung und Ausflu~ einseitiger Obertriebenhe,iten des Charakters, es werden Narren vorgeführt, die ihrer selbst sicher sind und nicht unser Mitleid und unseren Ärger wecken, sondern uns lachen lassen.•De Waereld is vol Gekken- Neslen d e klynsle Narren zyn de beste" hei~t es im Titel der Amsterdamer Ausg abe des Buches. Der Spott gehl nicht auf gro~e Köpfe, aufgeworfene Nasen und kurze Beine an sich, schon gar nicht auf Höcker und Verkrüm- mungen - das wäre wahrlich nicht zum Lachen für jedermann -, sondern auf alle möglichen Differe nzen zwischen Einbildung und Wirklichkeit, oder 3 ) Das Buch dürfte von dem Augsburger Ku pferst echer Elias 9aeck stammen, der dabei e1 in ähnliches, in Amsterdam erschienenes Werk kopierte. 4 ) 1616 in Florenz en tworf en, 1622 in Nancy e rschien en. 5 ) Julius Leisching, Die Gestalten des Salzburger Zwer'.) e lg-lr l e.is ill Nr. 5, Jg. 7 (Okl.28) der Salzburger Museumsblätter 11

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