74. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1956/57

Falls nun talsächlid, einmal ein öffentlidies Interesse am Schutz überwiegen sollte, !O folgt daraus noch lange nicht, da~ die aus diesem Grunde beschlossenen Natursd,utzma!J- nahmen auch wirklich zweckmä~ig sind. Vor allem mu~ mit Recht bezweifelt werden, da~ die gesetzlichen Interessenvertretungen alles Ernstes fähig und willens seien, zu kulturellen Angelegenheiten, zu denen auch der Naturschutz zählt, sachlich Stellung zu nehmen'). Ferner läfJt sid, die ZweckmäfJigkeit aller jener Bestimmungen des oöNG bestreiten, die das Oberwiegen eines öffentlidien Interesses sogar für NatursdiutzmafJnahmen von bio~ örtlicher Bedeutung verlangen. Im Gegenteil, man wird von einem Natursd,utzgesetz, wenn es seiner Bestimmung gerecht werden soll, in zwingenden Fällen MafJnahmen voraussetzen müssen, die zwar im Augenblick unpopulär erscheinen, die sich aber in der Zukunft als im öffentlichen Interesse l iegend erweisen werden. E, kann wohl kaum ernstlich in Abrede gestellt weraen, da~ nur Fachleute imstande sind, in Natursdiutzfragen Entscheidungen zu treffen, die den in der Natur herrschenden verwickelten biologischen Bedingungen einigermafJen entspredien , Daher wäre es der Sad10 des Natursdiutzes dienlicher gewesen, wenn man als entscheidende Instanz eine eigene gesetzliche Körperschaft, die man etwa Natur s d, u t z rat nennen könnte und die sich aus Biologen, Landwirten, Forstmännern, Jägern und Fischern zusammensetzen müfJte, ge- schaffen hätte. Der vom oöNG bei der Landesregierung vorgesehene mehrgliedrige .Lan- desbeirat• hat nur eine beratende Funktion und ist nid,t befugt, bindende Beschlüss'9 zu fassen. Auch fehlt im Gesetz jeglicher Hinweis, nach welchen Gesichtspunkten die Mit- glieder des Beirates ausgewäh l t werden sollen. Somit werden jene Behörden, die, wie es das Gesetz vorschreibt, das Oberwiegan eines öffentlichen Interesses feststellen müssen, in vielen Fällen vor sehr schweren Ent- scheidungen stehen, zumal die idealistischen Bestrebungen des Naturschutzes immer wieder auf den mächtigen Widerstand wirtschaftlicher Interessen stol)en werden, Was liegt näher, als da~ die entscheidende Behörde, vor allem der zuständige Beamte, der ja persönlich die ganze Verantwortung fragen mulJ, dem stärkeren Druck nachgeben und schlielJlich die Sache des Naturschutzes nur mangelhaft wahren wird. Hoffentlich werden die Mitglieder des Landesbeirates und die den Behörden beigegebenen Naturschutzbeauftragten offensicht- liche Fehlentscheidungen rechtzeitig zu verhindern wissen. In diesem Zusammenhange soll auch darauf hingewiesen werden, dalJ sich so manche MafJnahme auf dem Gebiete des Landschaftsschutzes und auch des Artenschutzes, wenn s;e nicht bis zu ihren letzten Auswirkungen durchdacht war, später sogar an der Wirtschaft schwer gerächt hat, obgleich sie zunächst im überwiegenden öffentlichen Interesse zu liegen schien. Hiefür könnte man genug warnende Beispiele anführen. Der B e g r i ff „0 b e r w i e g e n d e s ö f f e n t I i d, e s I n t e r es s e•, der sicher- lich juristisch exakt definiert werden kann, erweist sich in der Praxis als sehr dehnbar und läl)t die unterschiedlidisten subjektiven Auffassungen zu . Kein anderes Naturschutzgeseh: stellt, soweit b i sher bekannt ist, d i esen Begriff so sehr in den Vordergrund wie das oöNG. Ein Naturschutzgesetz soll doch in erster Linie die wehrlose Natur und deren Geschöpfe vor den materiellen menschlichen Interessen sdiützen und keineswegs den letzteren dienst- bar sein. Es soll ein brauchbares Instrument sein, um den zumeist naturfeindlichen Inter- essen der Wirtschaft erfolgreich begegnen zu können . Beim oöNG hingegen erschweren das Hereinnehmen und übermäfJige Betonen eines in der Praxis schwankenden Begriffes jede Schutzarbeit. NATURSCHUTZGEBIETE Das oöNG schützt Geb i e I e, die sich durch v ö 11 i g e oder w e i 1- g e h e n d e U r s p r ü n g I i eh k e i I auszeichnen oder die s e 11e n e P f I a n- z e n- oder T i e r a r I e n beherbergen oder die r e i eh a n N a t u r d e n k- m ä I o r n sind, wenn die öffentlichen Interessen am Naturschutz alle anderen Interessen überwiegen. Der Schutz wird in jedem einzelnen Falle durch eine Verordnung der oö. Landesregierung wirksam. Im allgemeinen sind Eingriiffe in e in Naturschutzgebiet untersagt, es sei denn, da~ solche Eingriffe auf Grund anderer Gesetze oder im Interesse der menschlichen Sicherheit oder zur Ab- wehr von Gefahren notwendig sind. Darüber hinaus können Eingriffe, auch solche zur verkehrsmä~igen Benützung des Naturschutzgebietes, durch Ver- ordnung oder Bescheid der Landesregierung gestattet werden, soweit öffent- liche Interessen am Naturschutz n'icht überwiegen. ') So manche kulturelle Groqtat, z. B. der prunkvolle Wiederaufbau der Wiener Staats- oper, wäre niemals zustande gekommen, wenn man sich hätte vorher vergewissern müssen, ob hiefür ein überwiegendes öffentliches Interesse bestünde. 39

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