73. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1955/56

REALQYMNASIVM STEYR 1955/56

BVNDESREALQYMNASIVM STEYR 73. JAHRESBERICHT SCHVLJAHR 1955/56

INHALTSVERZEICHNIS 1. llse Neumann / Paul Peuerl 2. Aus dem Leben der Sd1ulgemeinsmaft Bilder von Konrad Sdmeider Herausgegeben von der Direktion im Juni 1956 (iedruckt in der Vereinsdruckerei Steyr

ILSE NEVMANN PAVL PEVERL ORCiANIST VND ORCiELBAVER IN STEYR Unser Jahresbericht will heuer einer breiteren Öffentlichkeit den Namen eines merkwürdigen Steyrer Musikers bekannt machen, des Paul Peuerl, der in unserer Stadt eine Reihe strenger kleiner Musikwerke schuf, die eine seltsame Form des Musizierens für Deutschland begründeten: Die Variationensuite. Ein einfaches Tanzthema wird bei dieser mehrfach zu neuen Formen verwandelt. Die nunmehr vier Tänze werden in klugem Einfall so gruppiert, da~ jedes Glied seinen unverwechselbaren Platz im Ganzen hat. Eine der schönen Ordnungen war damit gefunden, in denen sich die Welt der Musik entfaltete. Die Form der Tanzfolgen mag um 1600, als Peuerl lebte, in der Luft gelegen haben. Au~erhalb Deutschlands gab es dergleichen bereits. Doch unser Meister hat die Möglichkeit, soweit wir wissen, im deutschen Bereich zuerst ergriffen, gestaltet und in Druck gebracht, so da~ sie alsbald Johann Hermann Schein, Thomaskantor in Leipzig, aufnehmen und fortführen konnte. Die Variationensuite mag dem Musikfreund unbekannt sein, wenn er nicht gerade seine Liebe der Barockmusik zugewendet hat. Doch ist sie ein weites köstliches Feld, das, einmal entdeckt, von vielen Meistern in unerschöpflicher Einfallsfülle bestellt wurde. Wir bringen nachstehend die 10. Variationensuite aus dem 1611 gedruckten Instrumentalwerk Peuerls als Beispiel für die von ihm gefundene musikalische Form. 5

PAVL PElJERL / VARIATION ENSVITE :t 6

ERSCHIENEN IN NÜRNBERG 1611 7

EIN WORT ZV DEN QVELLEN Man k~nn geschichtliche Ereignisse nach Daten ordnen, nach Persönlichkeiten, die sie hervorgerufen haben oder von ihnen emporgelragen worden sind, man kann Kriege als Meilensteine der Geschichte betrachten oder sagen, daf} kulturelle Höchstleistungen den Werl der Epochen bestimmen - nie aber wird Geschichtsbetrachtung ohne Berücksichtigung der Quellen möglich sein. Geschichtliches ist geworden, weil heule Vergangenes einst lebte, und wer Geschichte erleben will, muf} versuchen, dem Vergangenen so nahe zu kommen, daf} er seine Stimme vernimmt. Ein Weg dazu führt über das Archiv. Dort finden wir Briefe, aus denen noch der Streusand rieselt, den ein eifriger Schreiber vor 100, 200, 300 oder mehr Jahren über seine mehr oder weniger ebenmäf}igen Schriftzüge streute, um sie fein säuberlich abzutrocknen, Gesuche, Testamente, Strafakte, Ratsprotokolle, kleine und grof}e .Zedln" füllen die ordentlich gebündelten Faszikel, die auf den Regalen warten, bis wieder einmal jemand kommt, der wissen möchte, •wie es damals war", als ein Federkiel emsig über das rauhe Papier kratzte. Was bietet uns das Archiv im Falle Paul Peuerl? Der Faszikel .Pfarrkirchenakte 1609", Kasten XI, Lade 26, enthält unter Nr. 94 ein paar Blätter, die über Peuerls Berufung nach Steyr als Organist an der evangelischen Kirche Aufschluf} geben.') Es wird in der Folge von ihnen die Rede sein, denn sie sind der Ausgangspunkt für olles, was wir über das Leben des Organisten Peuerl in Steyr sagen können. Es scheint auf den ersten Blick etwas wenig und doch, diese Blätter lassen uns einen Menschen sehen! Ist das nicht sehr viel? Was wollen wir noch? Den Hintergrund, vor dem das Schicksal dieses Menschen entschieden wurde - Steyr. An Quellenmaterial dafür leiden wir keine Not, wir wollen nur das Wichtigste für unseren Zweck heraussuchen. Jeder, der einmal im Archiv gearbeitet hat, weif}, daf} man zuerst etwas ratlos vor der Frage steht: •Wo fange ich an?" Der Archivar im Sleyrer Rathaus, Herr Amtsrat Koller, an dessen verständnisvolle Hilfsbereitschaft sich viele Studenten dankbar erinnern, pflegt einem in einem solchen Augenblick ein umfangreiches alles Buch in einem stillen Winkel auf den Tisch zu legen, die Annales Styrenses des Preuenhuber') Valentin. Sie reichen aus der sagenhaften Zeit der Gründung Sleyrs bis in das Jahr 1618 und sind, wie der Verfasser im Untertitel sagt, .aus der Stadt Steyr uraltem Archiv und anderen glaubwürdigen Urkunden, Aklis publicis und bewährten Fontibus mit besonderem Fleif}e verfaf}I" {1740 in Nürnberg gedruckt). Dieses Buch ist für die angegebene Zeit eine Heimatkunde, wie wir sie uns gar nicht besser wünschen könnten. Wer fürchtet, durch den Protestanten Preuenhuber zu einer einseitigen Geschichtsbetrachtung verleitet zu werden, der lege sich daneben die Annalen (1590-1622) des Wolfgang Lindner,3) eines streng katholischen Schulmeisters, 8 1 ) Wenn in der folgenden Arbeit das Stadtarchiv zitiert wird, so ist immer dieser Faszikel des Steyrer Stadtarchivs gemeint. 1 ) Vgl. dazu den Aufsatz: DDr. Karl Eder, ..Ein Reformationshistoriker - Valentin Preuenhuber" in Heft 15, Dezember 195S, der Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. 3) Herausgegeben von K. Schiffmann im Archiv f. d. Geschichte der Diözese Linz, 6. Bd. 1910.

der die Zeitereignisse von seinem Standpunkt aus betrachtet. Allerdings sind dazu Lateinkenntnisse nötig, er bedient sich der Gelehrtensprache. Der drille im Bunde der Steyrer Chronisten, Jakob Zeil, Ratsbürger und Färbermeister aus dem Ennsdorf, war ein aufrechter Katholik; seine Aufzeichnungen reichen von 1612 bis 1635.1) Hat man sich mit Hilfe dieser Chroniken dem alten Steyr auf respektvollen Abstand genähert, kann man sich mit Hilfe der Indexbücher den Weg zu den Faszikeln, den Quellen, öffnen. Wer diesen Weg einmal beschriften hat, wird mit Verwunderung merken, da~ er auf ihm nicht allein ist, sondern da~ so mancher andere sich aufgemacht hat, dem alten Steyr einen Besuch abzustall'en.') ') Jakob Zell: Chronik der Stadt Steyr 1612-1635. Revidiert und redigiert von Ludwig Edlbacher. Im 36. Bericht des Museums Francisco Carolinum Linz 1878. 2 ) Von Literatur will ich nicht zu reden anfangen; sie ist zahlreich wie der Sand am Meer und ström1 uns von allen Seifen zu. Ein Buch nur sei erwähnt, weil es für die Sfeyrer Heimatkunde von Bedeutung und zum Teil selbst Quelle ist: Franz Xaver Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Sleyer und ihrer nächsten Umgebung. Linz 1837. 9

STEYR - 1608/09 1 ) Bürgermeister Matthäus Jahn und Stadtrichter Paul Trauner lenkten in diesem Jahr die Geschicke der Stadt, die sich wirtschaftlich und politisch zu den bedeutendsten des Landes zählen konnte. Ihre Handelsverbindungen reichten weH über die Grenzen der Erblande hinaus und ihre Bürger halten Sitz und Stimme in den Landständen. Gerade in diesem Jahre 1609 hall ihre Stimme mif, dem Erzherzog Mathias eine wichtige Entscheidung abzutrotzen, die Gewährung der Religionsfreiheit.') Die protestantischen Landstände halten sich zu diesem Zweck aus Wien entfernt, sich in Horn im Waldviertel versammelt und, den Streit zwischen Malhias und seinem kaiserlichen Bruder Rudolf II. ausnützend, am 19. 3. 1609 tatsächlich Religionsfreiheit erhalten. freilich legalisierte diese Zusicherung nur einen schon bestehenden Zustand, denn im Vorjahre, am 31. 8. 1608, halte man versucht, Erzherzog Mathias zum Nachgeben in der Religionsfrage zu zwingen und gleichzeitig auch schon den evangelischen Gottesdienst wieder eingeführt. Wer konnte ihnen das im Augenblick verwehren? Der Kaiser war weil, sa~ auf dem Hradschin in Prag und studierte die Sterne, sein Bruder Mathias aber war von den Landständen abhängig. Wollte er Soldaten, so brauchte er Geld, wollte er Geld, so brauchte er die Landstände - wer aber von diesen würde so unvernünftig sein, ihm Geld zu geben, damit er ihnen dann mit seinen Soldaten auf den Hals käme? Wenn Geld, dann höchstens für Soldaten, die gegen Rudolf II. marschierten und als Dank für das Geld - Religionsfreiheit! Mit Jubel hallen die Sleyrer die Rückkehr der evangelischen Prädikanten begrü~t, und als diese am 31. August 1608 zum erstenmal seil ihrer Ausweisung im Jahre 1597 wieder in der Schulkirche predigten und das Abendmahl spendeten,') war der wichtigste Schrill zur Wiedereinführung der Augsburger Confession getan, der 19. 3. 1609 bestätigte ihn nur. Nun halle man wieder ein evangelisches Kirchenministerium, dem Johann lsingius aus Willenberg als Pfarrer vorstand, und eine Lateinschule mit Egidius Weixlberger aus Regensburg als Rektor und Georg Taubenrack aus Eferding als Kantor. Als Konrektor wurde Magister Jakob Tydeus von Horn in Aussicht genommen. Das evangelische Gymnasium in Horn•) halle einen guten Ruf; selbst aus gro~en Entfernungen schickfen die Adeligen ihre Kinder dorthin. Die Steyrer, denen Horn auch sonst ein Begriff war, versuchten nun, den Konrektor Tydeus (Tydeo, Tydaco) dieser angesehenen Schule für die Steyrer Lateinschule zu gewinnen und bald interessierten sie sich auch für den dortigen Organisten Paul Peuerl. Die Ratsprotokolle vermerkten am Beginn des Jahres 1608 Beschwerden des alten Steyrer Organisten. Niemand, so sagt er, sei da, ihm die Bälge zu 1) Pritz S. 236 ff; Preuenhuber S. 330 ff. 2) Lhristoph Kirner war Abgeordneter Steyrs in Horn und der Stadtrid,fer Paul Trauner unferzeidrnefe die „Kapitulation• für Steyr. ') Lindner S. 170-172; Ralsprotokolla vom 30. 8. 1608 (Bd. 27, Nr. 27). ') P. Friedrich Endl:. Geschichte der alten Stadtschule Horn, NO., in den Beiträgen zur österreichischen Erziehungs- und Schulgeschichte, Heft III, Wien 1901. 10

treten (kein Kalkant) und die Besoldung reiche nicht aus; besonders arg sei es d swegen, weil der •Turnher" (Stadttürmer) ihn immer mehr bei Verlobungen, Gastmählern und Hochzeiten verdränge, auf denen stets der Organist für Musik g sorgi habe.1) Diese Stellung des Türmers war nicht nur in Steyr von Bedeutung. In der Anstellungsurkunde des Homer „Thurnermeisters" Urban Albrecht von 15982) 1 sen wir, da~ der Türmer an hohen Festtagen, an Sonn- und Feiertagen, beim Gottesdienst und bei vornehmen Hochzeiten, wenn in der Kirche musiziert w rde, .. ... selb Vierter zur Music blasen und treulich Beistand leisten soll, ... Brauche ihn einer der hiesigen Bürger mit der Music, so soll er besonders di gering Vermögenen unbeschwärl hallen, ... auf Begern des Ludi-Recloris II Samstag in Schuel khum, unnd die unbekannten Stuckh oder Gesang, so der Khirchen gesungen werden, übersingen und probirn hellen .. ." Einern schällstüchtigen Türmer eröffnete eine sold,e Erlaubnis allerhand Möglidiiten und der Organist konnte leicht ins Hintertreffen geraten, wie die Klage ~ Sleyrer Organisten zeigt. Der Rat versprach damals seine Hilfe,3) gab 10 II (Gulden) Gehaltsaufbesserung, stellte einen Bälgetreter ein und verspradi, den rürmer auf seinen Platz zu verweisen. Er konnte es sich aber nicht versagen hinzuzufügen, da~ auch er zu klagen habe, da~ der Organist oft abwesend sei, „der Orgel nachlessig auswarth", und er drohte, falls der Organist sich nicht bessere, würden ihm die Stadtväter nicht nur die Aufbesserung wegnehmen, sondern auch den Normallohn kürzen. Im Juni 1608 gab es wieder diesbezüglid,e Bemerkungen in den Ratsprotokollen. Der Umschwung im August und die allgemeine Umgruppierung der Ämterbesetzung mag eine ganz willkommene Gelegenheit gewesen sein, sich auch um einen neuen Organisten umzusehen. Sei es nun, da~ Horn und seine Schule sowieso im Blickfeld der Steyrer lagen, sei es, da~ Tydeus erst das Interesse für Horn weckte, auf jeden Fall gelang es dem .Schul-Collega" Spanesperger, den Organisten Paul Peuerl von Horn dem Magistrat als Organisten für Steyr begehrenswert erscheinen zu lassen. Dieser lsac Spanesperger spielt bei Peuerls Obersiedlung nach Steyr eine gro~e Rolle und wird von ihm als sein Gönner bezeichnet. Er war bis 1601 als „Schul-Collega" unter dem Rektorat Matthias Anomaeus an der Evangelischen Landschaftsschule in Linz tätig gewesen,•) 1608, wiederum als „Schul-Collega" nach Steyr gekommen. Einer seiner Schüler, Hans Gottfried Freiherr von Clam (1598-1673) nennt ihn in seiner Familiendironik einen .gelahrten Mann", der neben seinem Lehrberuf „dabei gleichwohl Eisennägel und Messer, auch Sensen neben seinem Consorten Colmann gehandelt" habe.5) So nennt ihn Peuerl mit Recht in der Adresse seines Briefes .Herrn lsac Spannesberger, Burger und Handelsmann zu Steyer, mein gro~günstigen Herrn und Befürderer" - und bei dieser Vorstellung wollen wir bleiben. ') Lindner S. 189: •... consuetum fuerat, ut turn demum tubicines urbis in turri Styrensi, peractis ef finitis divinis offiziis in ipsa parocchiali ecclesia, diebus festivis more sol'ito ') Endt S. 43. ') Ratsprotokolle 2. 1. 1608. ') Cod. Chart. Xl/594 fol 98 der Stiftsbibliothek St. Florian. 5 ) Vgl. dazu Ph . Blittersdorf: Was eine alte oberösterreichische Familienchronik erzählt. Heimatgaue Jhg. 18 (1937), S. 155. 11

PAVL PEVERL IN STEYR Peuerl, Peuerll, Beuerl, Bäwerl (Titelblatt der .Neuen Padouanen"), Peurl, Peyerl, Payerl, die verschiedensten Schreibweisen dieses Namens finden wir, doch ganz ohne Zweifel handelt es sich stets um den Organisten und Orgelmacher aus Horn, der mit dem Steyrer Bürgecrmeister M. Jahn zu einer mündlichen Aussprache in Krems zusammengekommen war, um über eine Anstellung in Steyr zu verhandeln.') Der Gedanke, von Horn nach Steyr zu übersiedeln, scheint Peuerl von Anfang an sympathisch gewesen zu sein. Steyr war eine freie Stadt, von keiner Adelsfamilie beherrscht, und bot einem künstlerisch ambitionierten Mann ein weites Betätigungsfeld. Horn dagegen halle in Reinhard von Puchheim einen strengen Stadtherrn, dem es gefiel, seine Untertanen zu .examinieren und zu tummeln" .2) Auch Peuerl war ein Untertan Puchheims und er mu~te hart kämpfen, um von ihm loszukommen. Am 22. August 1609 erging die offizielle Anfrage der Stadt Steyr an Peuerl, ob er von Horn freikomme und wann er seinen Dienst in Steyr würde antreten können.3) Gleichzeitig geht auch an Konrektor Tydeus (Horn) ein Schreiben, der Rat hoffe, Tydeus würde bald nach Steyr kommen. Am Schlu~ des Schre-ibens hei~t es von Peuerl, da~ auch dieser .mit Verlangen" erwarte.! werde. In Horn aber stritt sich Peuerl mit dem Stadtherrn herum. Ein langer Brief an seinen Steyrer Gönner lsac Spannesberger vom 24. 8. St. Barthelmy 1609 zeigt diesem seine Nöte an. Herr von Puchheim wolle ihn auf gar keinen Fall vor Jahresfrist freigeben. Er brauche ihn jetzt dringender als je zuvor, da er eine Orgel kaufen wolle und wisse, da~ er, Peuerl, .damit umbgehen khunde", auch sei er zornig, weil ihm der Rektor der Schule gesagt habe, da~ Peuerl und noch jemand daran schuld seien, da~ Tydeus nach Steyr berufen wurde. Da~ Tydeus sowieso resignieren und von Horn wegwolle, helfe ihm gar nichts. Puchheim habe gedroht, er wolle dem Rat von Steyr schreiben, da~ er Peuerl wieder „abkhünde", also die Berufung zurückzöge. Nun habe er '(Peuerl) erneut seinen Dienst für das Jahresende gekündigt und damit wiederum den Zorn seines Herrn geweckt, der die Steyrer bereden wolle, ihn nicht aufzunehmen. So wenig Verständnis finde er bei seinem Herrn, dem er acht Jahre treu gedient. Herr von Puchheim wolle ihn bei der Landschaft unterbringen - dafür habe er aber gedankt. Nachdem Peuerl so all seinen Kummer seinem Steyrer Freund und Gönner unterbreitet hat, schlie~I er daran seine Billen: 1. für ihn ein gutes Wort bei Bürgermeister und Rat der Stadt Steyr einzulegen, diesen von seiner Not zu erzählen, damit sie sich durch keine Nachrichten aus Horn abhalten lie~en, ihm die Stelle in Steyr zu geben; 2. aber bitte.! er Spannesberger, seine Frau mit den Kindern sobald als möglich nach Steyr bringen zu dürfen, damit sie nicht 1) Stadtarchiv Steyr. Ein Abdruck aller Peuerl betreffenden Schrillslücke des Sleyrer Stadtarchivs ist bei K. Geiringer, Studien zur Musikwissenschaft, Beihefte der. Denkmäler dar Tonkunst in Osterreich, 16. Bd., Wien 1929, zu finden. 2 ) Karl Liebleitner, Die Entwicklung der Stadt Horn vom Ausgange des Mittelalters bis zum Weltkrieg. 48. Jahresbericht des nö. L. R. u. 0. Realgymnasiums in Horn, Horn 1920. -- P. F. Endl: Die Stadl Horn um das Jahr 1600. Stift Altenburg bei Horn, 1902. ') Konzept im Steyrer Stadtarchiv. 12

in der kalten Zeil übersiedeln müf}ten. Er hofft auf das in der Bestallung verinbarte Zimmer, das er zugewiesen bekommen sollte. Aus dem Brief geht hervor, daf} Peuerl ehrlich besorgt ist, sein Herr könnie den Rat von Steyr durch die Beschwerde .all} wann sie ihme seine Leuth abwendtig macheten" so verärgern, daf} sie auf den Homer Organisten verzichten würden. Er beteuert, daf} Herr von Puchheim aus seiner Supplication genau entnehmen könne, daf} er, Peuerl, .selbst umb den Dienst geraist• sei. Aus jedem Wort spricht der Wunsch, von Horn wegzukommen und daf} kein noch so lokk ndes Versprechen Horns ihn hallen könne. Dieses Bemühen wird umso versliindlichet, wenn man anderen Quellen entnimmt, daf} Horn zu dieser Zeit inem Feldlager glich, daf} seit dem protestantischen Landtag der Stände EinC'JU!lrlierungen die Bürger bedrängten und ein Katholik klagend an den Abt d s Stiftes Altenburg schrieb') • ... und stecken dahero die Unterthanen in rof}fJ Furcht und Drangsal . ..• Für Peuerl, den Organisten, und Tydeus, den Schulmann, gab es nur eine Porole: Auf, nach Steyr! Dem Rat der Stadt Steyr versichert Peuerl, als er am 26. 8. 16092) den Brief vom 2~. 8. beantwortet, dar, er, wie besprochen, zum Jahresende nach Steyr kommen wolle, ja, daf} er schon früher käme, wenn es ihm möglich wäre. Sollte ihm das nicht gelingen, so hoffe er, die Sleyrer würden ihn .guetwillig erwarllen". Daf} auch die Stadt das Ihre tun wollte, die beiden Homer nach Steyr zu bringen, erfahren wir aus einem Brief der Stadl an Tydeus vom 28. 9. 1609.3) Diesem wird angeboten, er und Peuerl sollten ihre Sachen nach Krems bringen, von wo sie der Kassier der Eisenhandelsgesellschaft auf seinem Schiff nach Steyr befördern würde. Auch ihre Familien sollten sie beizeiten nach Steyr schicken - Peuerl möge darüber bald Nachricht geben. Wie und wann dio Obersiedlung sfaffland, wissen wir nicht, doch wenn es auch noch einige Dispute hin und her gegeben haben wird, nach Steyr kamen beide und das nächste, das wir von Peuerl hören, hören wir von ihm als dem Staf-Organislen Paulsen Peyrl.4) So halle er also nach achtjähriger Dienstzeit (1602-1609) Horn verlassen und war mit Frau und Kindern nach Steyr übersiedeli·.5 ) . Als Wirkungskreis kam für den Organisten der Evangelischen Kirche damals nur die Schulkirche im ehemaligen Dominikanerklosler in Frage. Die Pfarrkirche war 1598 nach der Vertreibung der Protestanten wieder katholisch geworden. Die Schlüssel der Spilalkirche halle seif 1600 der Abt von Garsten in Verwahrung und die Bruderhauskirche in der Vorstadt (Sfeyrdorf) lag doch schon zu wei; abse-ils, um noch in Betracht zu kommen. In der Schulkirche war seif 15596 ) der evangelische Gottesdienst gehalten worden und 1608 zog Valentin Lang als erster lutherischer Prediger wieder in sie ein. Die Sorge für Orgel und Kirchenmusik wurde nun Peuerl übertragen. Das nächste, was wir von ihm hören, berichtet ein undatiertes Gesuch, das er nach einjähriger probeweiser Dienstzeit an den Ral der Stadt Steyr richtet, das also aus dem Jahre 1610 stammt. Peuerl spricht darin von der Gewissenhaftigkeit, mit der er seinen Dienst verrichtet, daf} wichtige Dinge aber bisher seine Bestätigung in diesem Dienst verhindert hätten, was er mehr und mehr als Schaden empfinde. Nun ') David Waidhofer an Abt Thomas von Altenburg. Geiringer S. 37. ') Steyrer Stadtarchiv. 1) Steyrer Stadtarchiv. ') 27. 2. 1614 Bestallungsschlu~ P. Peurls, ebenso Bestellung des Jakob Tydaco zum Lehrer. Nr. 29, Kasten XI, Lade 36. 5 ) Wir nehmen an, dafJ er etwa 30 bis 35 Jahre alt war, somit wäre er ungefähr um 1590 geborerT; genaue Daten fehlen. 6 ) Preuenhuber S. 273. 13

könne er - so gern er es auch täte - nicht mehr länger seine Bille um Bestallung '(offizielle Einsetzung in sein Ami auf vertraglicher Basis) zurückhalten " ... dabei ich verbleiben, auch nollurfle Unllerhaltung haben und was meine Verrichtung sei, wissen kann". Er will also Bescheid über seine fixe Anstellung, seine Rechte und Pflichten, was verständlich ist. Um sicher zu gehen, da~ seine Bille gehört werde, richtete er gleichzeitig auch an den Bürgermeister ein Gesuch, in dem er daran erinnert, da~ die Schulpersonen ihre Bestallung bekämen und so auch er darum bille. Eine „Khundschafl" seines Verhaltens in seinem vorhergehenden Dienst, die bei seiner Ankunft in Steyr verlangt worden sei, lege er dem Brief bei. Leider ist diese unter den Akten nicht erhalten geblieben. Sein Gesuch blieb erfolglos und so wendet er sich in einem zweiten Gesuch, das ebenfalls undatiert ist, erneut an den Bürgermeister Maiheus Jahn. " .. . Sie wölln mir nit für übl haben, da~ ich Sie so ofll behölligen lhue, welches ich doch, Goll wei~, gern underlassen wolle, da mich die gro~e Nolh nit darzu belzwingen lhel ..., wöllen meiner nit vergessen ..."1) Diese Billen unter Hinweis auf die gro~e Notlage kennen wir aus den Akten vorhergegangener und späterer Jahre zur Genüge und es lief}en sich hier zahlreiche Beispiele einreihen, die ein Licht auf die Beso,ldungsverhältnisse der damaligen Zeit werfen. Mit wieviel Freude waren sie alle in Steyr begrüfJt worden, Prediger, Rektoren, Schulgehilfen, Kantor und Organist und nun beiteilen sie um ihren Sold. Die Billschriflen des Rektors Brunner (1563-1569) geben ein beredtes Zeugnis davon: Schlechte Besoldung, mangelhafter Zusland der Schule, Schüler, die sich von Haus zu Haus durchbetteln mu~len.2) Brunner wollte damals weg von Steyr, der Ral lie~ ihn nicht gehen, versprach Besserung, doch rissen die Klagen nicht ab, die Nachfolger setzten sie fort. Als Peuerl 1611 seine „Newe Padouane" bei Wagenmann in Nürnberg drukken lie~, nannte er sich darauf „bestellten Organisten bey der Evangelischen Kirchen zu Sleyer". 1613 lie~ er auf seinen, ebenfalls bei Wagenmann herausgegebenen „Weltspiegel" drucken: .,Der löblichen Stadt Sleyer ... bestellten Organisten". Es mag sein, da~ die Änderung der Bezeichnung auf die Verschärfung der Lage im Glaubenskampf zurückzuführen ist, es kann aber auch sein, da~ sie eine Berichtigung darstellt, denn bestallt wurden ja sowohl die Angehörigen der protestantischen Kirche als auch de,r Lateinschule vom Magistrat und waren so „der löblichen Stadt Stadt Steyr bestellte ...• Eine Abrechnung über Peuerls Bezüge ergibt, da~ er 1610-1612 folgende Beträge, eine Art unregelmä~iger Ratenzahlung, erhielt :3) 1610: 40 fl, 20 fl = 60 II; 1611: 15 II, 10 II, 2511, 25 fl = 75 fl; 1612: 50 II, 25 fl, 25 fl, 25 II und 18 II für den Hauszins = 143 II. Das ergibt eine Summe von 278 II für die ge • nannten drei Jahre und einen jährlichen Durchschnitt von etwa 93 fi. Tydeus halle jährlich 160 fl, Weichselberger 290 II; sie mu~len jedoch davon ihre Unterbeamten bezahlen. Peuerls Vorgänger halle in den ersten Jahren nach 1600 aus dem Pfarrkircheneinkommen 40 II, dann 70 II jährlich, dazu noch 4 II für einen etwaigen Kalkanten bezogen. Peuerl bekam mehr und doch war es zu wenig; sein Gesuch spricht von Not und die Lieder seines „Wellspiegels" almen Traurigkeit, ja Pessimismus. Im Februar 1614 erhielt Peuerl endlich seine ersehnte Bestallung, deren Wortlaut im Konzept erhalten ist: ,,Ge~orsambe Relation der Verordneten gemainer Sial Steyr evan1) Stadtarchiv Steyr. 2 ) Pegaeus an den Rat der Stadt Steyr am 4. XI. 1567. Schulakten im Stadtarchiv. Ratsprotokolle 1570, S. 178, S. 73. 3 ) Rechnungsauszug über die Besoldung der evangelischen Schul- und Kirc:henbeamlen 1610 bis 1612. Steyrer Stadtarchiv. 14

gelischer Khirchenverwaltung der mit dem Sial Organisten Paulsen Peyrl auf Ratification aines ersamen Rats beschlossenen Bestallung und Instruktion." Dieser Bestallung nach halle Peuerl schon mit der Kündigung gedroht, weil r mit dem Gehalt nicht auskommen könne. Er verlangt wöchentlich 3 II Ordinaribesoldung, freie Wohnung, 20 Klafter Holz oder dafür 20 II, dazu eine gebührliche Taxe für seine Verwendung bei Hochzeiten, Brautspielen und Mahlzeiten. Die Stadt richtet die Orgel her, Peuerl sorgt für ihre Instandhaltung, ohne d für etwas zu bekommen, au~er die Orgel erlitte einen besonderen, von ihm 111 ht verschuldeten Schaden. Sollte er gehen, übergibt er die Orgel in gutem u fand. Freie Wohnung wird ihm zugesagt, dazu jährlich 140 II bar, eine Fuhre 11 lz und 20 II jährlicher Bewirtung. Als erster Zahltag wird Georgi (24. 4.) des J 1hr s 1614 festgelegt. Für ein Jahr bleibt die Abmachung unveränderlich. Für 11 hzeiten wurde als Taxe 1 Taler festgelegt, für Brautspiel und Mahlzeit je ½ Taler - mehr solle er nicht fordern, doch ist eine freiwillige Mehrbezahlung ni ht verboten. Für die Kirchenmusik anlä~lich einer Hochzeit erhielt Peuerl 15 Kreuzer, 11i ht mehr - so sieht es im Dekret. Ein Exemplar des Dekrets mit dem Datum 27. 2. 1614 ging an Peuerl, das zweite an die Kirchenverweser. So war Peuerl fast 3½ Jahre nach seiner so hart erkämpften Obersiedlung n eh Steyr endlich als Organist in seinem Amt bestätig worden. Damit endet, was wir über Peuerl aus dem Archiv erfahren können, doch s hweigi damit noch nicht jede Quelle. Aus dem Jahre 1618 ist ein Vertrag b kannl über den Bau einer Orgel in Wilhering, wovon noch ausführlich die Rede sein wird. 1620 erschienen, wiederum bei Wagenmann, "Ettliche lustige Paduar.en, vom Verleger dem Herzog Johann Casimir von Sachsen gewidmet•,1) 1625 das letzte uns bekannte Werk, die .Gantz neuen Padouanen". Mil dem Jahre 1625 brechen die Nachrichten über Peuerl endgültig ab. In Steyr war 1624 die Schulkirche gesperrt worden,2) die Prädikanten und Lehrer mu~ten die Stadt verlassen. Einquartierungen der Soldaten Herbersdorfs bereiteten der Zeit der Religionsfreiheit ein hartes Ende. Auswandern oder bekehren, eine andere Entscheidung gab es nicht für die Steyrer Protestanten. Was in dieser Zeit mit Peuerl geschehen ist, wissen wir nicht. In den Listen der Auswanderer (1629), die den Zehent ihres Vermögens abliefern mu~ten, ist sein Name nicht zu finden; vielleicht, weil er kein Vermögen besa~, vielleicht, weil er in Steyr blieb. Möglich ist auch, da~ Peuerl 1629 nicht mehr lebte oder da~ die Listen unvollständig waren. Geiringer führt an, da~ in den Bescheidprolokollen der obderennsischen Landstände am 26. 3. 1625 eine Wittib Elisabeth Peuerlin genannt wird. War sie Peuerls Witwe? Darüber erfahren wir aus dem Protokoll nichts, nur da~ es sich um 140 II .conlra Einnember" handelt. 1652 findet sich auf einer Beicht- und Kommunionslisle ein Georg Peuerl, der vielleicht ein Sohn des Organisten gewesen ist - Beweis gibt es keinen, doch erlaubt die Seltenheit des Namens derartige Kombinationen. So bleiben die „ Gantz neuen Padouanen• des Jahres 1625 das letzte sichere Zeugnis von Paul Peuerls Leben und Arbeit. Ob ihn die Zeitereignisse aus Steyr vertrieben oder eine Krankheit seinem Leben ein Ende setzte - so wie sein Geburtsjahr (1580) ungewi~ ist, so ungewi~ ist auch sein Todesjahr. Sicher ist nur, da~ er in Steyr eine Zeit reichen Schaffens verbrachte. 1 ) Von einer Verbindung zwischen dem Herzog und Peuerl ist nichts bekannt. ') Zell S. 35. 15

PEVERL DER ORQELBAVER Im Titel der 1625 bei Abraham Wagenmann in Nürnberg herausgegebenen .Gantz Neuen Padovanen" bezeichnet Peuerl sich selbst als „Organist und Orgelmacher der zeit zu STEYER in Oesferreich ob der Enns". Aber auch ohne diese offizielle Bezeichnung wüf}ten wir, daf} er sich mit dem Bau oder zumindest mit der Reparatur von Orgeln beschäftigte und deshalb besonders geschätzt wurde. Wir hörten in seinem Brief an Spannesberger (von 1609), daf} er mit Orgeln umgehen konnte und deswegen von Horn so schwer wegkomme, da Herr von Puchheim eine neue Orgel kaufen wolle und ihn deshalb mehr denn je benötige. In dem Konzept seiner Steyrer Bestallungsurkunde lesen wir auf}erdem, die von den Steyrer Stadtvätern ausdrücklich geforderte Verpflichtung, daf} er als Organist für alle „Handgriffen und Pesserungen" aus eigenem zu sorgen habe. Am 31. Juli 1619 nun schlof} Peuerl mit dem Abt Georg li. Grill des Klosters Wilhering einen Vertrag, in welchem genau die Bedingungen für den Bau einer Orgel durch Peuerl festgelegt wurden. Das Original dieses Vertrages ist venchollen, doch existiert eine Kopie aus dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, welche zum ersten Mal 1950 im Jahrbuch des Oberösferreichischen Musealvereines durch Othmar Wessely veröffentlicht wurde.1) Die-• sem Vertrag zufolge wurde dem „Ehrnfesten, fürnehmen und kunstreichen Herrn Paul Peuerll, Organisten und Orgellmacher zu Steyr" aufgelragen, eine Orgel samt Rückpositiv, Pedall und zwei Notenregistern ihm selbst zum Lob, dem Gotteshaus zum Ruhm und vor allem zu Gottes Ehren zu erbauen. Abrif}, Maf}stab und Stimmwerke wurden ihm übergeben, nun hatte er die Orgel auf eigene Unkosten innerhalb eines Jahres herzustellen, nach Wilhering zu liefern {wiederum „ohne entgeldtt des closters" !) und mit Hilfe seiner eigenen Leute aufzustellen. ,.Im gesichte• sei sie mit Olfarben zierlich zu bemalen, ,.das gesprenge und andere zierathen", welche genau angegeben werden, seien zu vergolden und zu versilbern - kurzum man wünschte eine bis ins Detail vollkommene Orgel zu bekommen, mit einer Garantie für zwei Jahre, ,.Also daf} nicht no-th sey, dieselbe alle Jahr oder Monath, Wie bif} Weillen an den unbestandigen Werken zu geschehen Pflegt!, Zu Zurichten zustimben.• Von einer Bezahlung ist in der 1. Hälfte dieses Vertrages keine Rede, sondern es wird immer wieder betont, daf} Peuerl vorerst .auf seine Aignen unkosten dahaimb zu Steyr" die Orgel zu bauen habe. Anschlief}end folgt im Vertrag eine A,1gabe der einzubauenden Stimmwerke: .Erstlich in dem obern Corpore: 1. Ein vollkommenes principall. 2. Grol} Koppel!. 3. Klain Coppell. 4. Grof}e Ouintatonen. 5. Spitz Plaiffen. 6. Cimbellen. 7. Grol} oclav. 8. Dreylache Mixturen. 9. Quinten. 10. Flölten. Fürs Rückposiliv: 1. Grof} oclav. 2. Klain oclav. 3. Super oclav. 4. Regall. 5. Cimbellen. 6. Coppell. Im Pedall: 1. Porlunen von holtz. 2. Posaunen, die Obern Corpora von Holtz. Neben Register: 1. Tremulant. 2. Vogell gesang." 1) Vgl. dazu Othmar Wessely: Neues zur Lebensgeschichte des P. Peuerl im Johrbud, des Oö. Museolvereines, 95. Band 1950, Seite 300 ff. 16

W nn alle Bedingungen erfüllt werden, bekommt Peuerl: 1000 Rheinische ul n (jeder Gulden zu 15 Patzen oder 60 Kreuzer) n a eh und n a eh : 100 fl (Gulden) Angabe, 100 fl auf Michaeli '(29. September), 40 II auf Martini (11. November), 30 II auf Weihnachten, 30 II auf LichtmefJ (2. Februar), 100 fl uf Ost rn und 100 II wenn das Werk geliefert wird, 200 II wenn die Orgel äuf sl III und be,schlagen (womit das Bemalen, Versilbern und Vergolden gen In, sein dürffe) ist. Die restlichen 300 Gulden aber werden erst nach der 1w ljöhrigen Probezeit ausbezahlt. Sollte die Orgel die Probe nicht bestehen, würd die Restsumme solange nicht bezahlt, bis sie in tadellosen Zustand geI ro h: s i. Während der Aufrichtung des Werkes werden Peuerl und sein Gel 11d Im Kloster verpflegt. J d r der beiden Vertragspartner bekam ein Exemplar des Vertrages unterf rli I und gesiegelt. f} die Orgel zur Zufriedenheit des Klosters ausgeführt wurde, beweist In v n 0. Wessely1) zitierter Akf: "Paul Peuerll, Orgelmacher und bestellter r9 nisl in Steyr hat 1619 zehn Register im obern corpus, 6 im Rückposifiv, 2. N nrogisfer und 2. im Pedal! um 1.000 II gemacht." NaturgemäfJ würde uns aufJerordentlich inferessieren, ob Peuerl im lbau ebenso wie in seinen musikalischen Schöpfungen aufgriff, was an ndigen und zukunftsvollen Tendenzen in der Zeil lag und zur Gestaltung driin lc. Die unvollständigen Angaben des Vertrages über die Disposition der r I lassen immerhin erkennen/) dafJ bei dem Orgelbau in Wilhering jenes Ir(', 1b rocke Klangideal vorschwebte, wie es der gro!Je Zeitgenosse Peuerls Mihe I Praetorius gleichzeitig auch theoretisch begründete.3) Auf diesen Orgeltyp w isen hin:4) Das damals viel verwendete Register der Cimbelln in dem b rn Corpora", die „Gro!Jen Ouinlatonen" (nach Praeforius a. a. 0. S. 137 nlz lieblich zu gebrauchen und zu hören"), die „Spitz Pfeiffen" (bei PraeI rlus S. 135 „Spilzflöll" mit ihrer „lieblichen Resonanz"), die Posaunen im 1' del u. a. Das Nebenregister Tremulant soll den starren Orgelklang dem ,n ,,schlichen Gesang ähnlich machen, damit es nach Praeforius (a. a. 0. S. 85) „ inen recht natürlichen klang, laut und thon" gebe, .,nicht anders als ein nlzer Chor voller Musikanten, do mancherley Melodeyen von junger Knaben u,,d gro!Jer Männer Stimmen gehöret werden". Auf eine künftige OrgelbauLlbung (Andreas Silbermann 1678-1734) weist bereits hin,5) da!J laut Vertrag die „Obern Corpora von Hollz" sein sollen. DafJ ein katholisches Kloster bei einem erklärten Protestanten zur Zeit der schärfsten konfessionellen Spannung eine Orgel bestellt, wundert einen zunächst. Man könnte annehmen, dafJ der Glaubensstreit in einer rein geschäftlichen Angelegenheit neben Qualität und Preis der Ware keine Rolle spielte. Vielleicht war auch kein katholischer Orgelbauer greifbar. Vor allem aber hat sich wohl Wilhering damals der katholischen Sache gar nicht so verpflichtet gelühlt, um Geschäfte mit Proteslanten abzulehnen. Erfahren wir doch aus Visitalionsberichten kaiserlicher und kirchlicher Kommissionen seit der Mille des 16. Jahrhunderts,•) da!J in Wilhering ähnlich wie in anderen oberöslerreichischen ') Jahrbuch des 00. Musealverei nes, S. 304. ') Wessely a. a. 0. S. 303. ' ) M. Praelorius, Syntagmafis musici . .. Tomus secundus. De Organographia (Wolfenbüttel 1619). '} Wesse!y S. 303 f. '} Chr. Mahrenholz, Die Orgelregister, ihre Geschichte und ihr Bau (Kassel 1930), S. 162. ' ) Vgl. Jodok Stülz, Geschichte des Cisterzienser-Klosters Wilhering. Ein Beitrag zur Landesund Kirchengeschichte Oberösterreichs, Linz 1840, und Studien zur Reformationsgeschichl~ Oberösferreidis, herausgegeben von DDr. Karl Eder: Glaubensspaltung und Landstände in österre;ch ob der Enns 1525-1602, DDr. Karl Eder, Linz 1936, 2. Band. 17

Klöstern die Bauten in schlechtestem Zustand, die Finanzen völlig zerrüttet, die Konventualen nicht mehr glaubenstreu waren; da~ Wilhering zeitweise keinen Abt hatte und von Engelszell aus administriert wurde. Der-Gottesdienst wurde, wie es hei~i, .übel verrichtet", das Abendmahl in beiden Gestalten erteilt.') Einmal wird das Kloster in die Berichtsstatistik eingereiht mit „5 Conventuales, 3 Concubinae, 1 Uxor, 4 Filii, 29 Weindreilinge (870 Eimer), 2160 Pf. alles und 3780 Pf. neues Einkommen" ;2) einmal scheint es mit 3 Brüdern, 1 Novizen, zwei fremden Brüdern auf.3) Eine Kommission findet eine Anzahl protestantischer Schriften, darunter eine Lutherbibel.4) Wenn auch unter dem energischen Abt Alexande-r a Lacu {1587-1600) das Stift wie eine katholische Insel in der protestantischen Hochflut scheinen mochte,5) so ist nach seinem Weggang bald wieder alles beim Allen, ganz entsprechend der Atempause, die dem österreichischen Protestantismus zu Beginn des 17. Jahrhunderts vergönnt war. DafJ die 1000 Rheinischen Gulden für die Orgel in die Tasche eines Protestanten flossen, dürfte daher weder Abt noch Confratres in einen Gewissenskonflikt gestürzt haben. Sie lie~en sich trotz Glaubenskampf und Schuldenlast das neue, wohlklingende Werk von dem Steyrer Protestanten bauen. Die Orgel unseres Meisters ist nicht erhalten. 1736 brannten Kloster und Kirche in Wilhering bis auf die Grundmauern nieder, mit ihnen auch Peuerls Werk. ') Stülz S. 121, Eder S. 190. 1) Hager, E.: nZur Geschichte der oö. Stifte im Zeitalter der Reformation", LMB. Band LXXVIII 1920. - Eder S. 92, 94, 97 ff und 123. ') Eder S. 125. ' ) Mayr M., Cardinal Commendones Kloster- und Kirchenvisitation von 1569 in den Diözesen Passau und Salzburg, STMBO. Bd. XIV (1893), S. 385 ff. ') Vgl. Eder, S. 307. 1596 findet auf Befehl des Klosterrates, der die Rührigkeit Alexanders a lacu mit Mi~trauen beobachtete, eine Visitation statt, die den Zustand des Klosters in geistlid,er Hinsicht für gut erklärt; 1S98 logiert ein nach Polen reisender Kardinal in Wilhering, da ihm in Linz zuviel Ketzer sind, 18

PEVERLS KOMPOSITIONEN 1 u rls erhaltene Instrumental- und Vokalwerke füllen einen schmalen 1 "" kb nd von 70 Seilen. Sie wurden in den Denkmälern der Tonkunst in O ster- , i h 1929 in einem Neudruck herausgegeben, so da~ sie Bibliothekbenützern lllr V rlügung stehen. Einzig der herrliche Vokalsatz: .,0 Musica du edle l(uml" elangte in verbreitete Chorsammlungen (.Gesellige Zeit", .Singende m inde") und gab einer gro~en Zahl Musizierender die Ahnung von einem J nz köstlichen Meister. Einzelne Instrumentalsätze sind in wenig bekannten ·,11n111lungen (A. Einstein, Beispielsammlung zur Musikgeschichte 4. A.1930 u. a.) druckt und daher nicht allzu verbreitet. Gleichzeitig mit der Neuheraus- (J ) von Peuerls Werken in den Denkmälern der Tonkunst erschien im 16. Bd. d r B ihefle der Denkmäler eine eingehende Analyse der Kompositionen des M i5I rs von Karl Geiringer, die seither allen Befassungen mit dem KomponiI n zugrundeliegt, deren Ergebnisse auch hier im Wesentlichen dargelegt rdon.' ) Wir kennen vier Werke Paul Peuerls: Drei Tanzfolgen, eine Sammlung von V kolsalzen. Die erste der Tanzfolgen ist 1611 bei Abraham Wagenmann in Nürnberg ,s hi nen2) und leitet eben jene Entwicklung der deutschen Varialionensuite in, von der eingangs die Rede war. Die Suite enthält, wie der Titelkupfer sagt: „ N we Padouan / Intrada Däntz und Galliarda / ... Componierl Durch Pauln ßilw rl / der zeit bestellen Organisten bey der Evangelischen Kirchen zu Steyer / in Österreich ob der Enn~.• In der Widmung an den „gutherzigen Leser" hillcl der Komponist, er möge mit diesem .geringen anfang verlieb nemen 1 l:lil} was anders und bessers hinnach kompl". Ein Kupfer zeigt Elias im feurigen Wagen die Erde verlassend und die beigefügten Worte können als Motto gell n: ,,Aufl solchen Weg ins Himmels Saal/ Fuhren die lieben Vaeller all / Durch Glauben sie GOTT schawen an / Wer selig wird / geht gleiche Bahn," Die Komposilion ist vierslimmig mit: ,,Canlus, Altus, Tenor, Basis". Das Werk von 1611 enthält 10 viersätzige und 2 unvollständige Tanzsuiten. Die, Tanzmusik des 16. Jahrhunderts liebte es, gegensätzliche, im Thema einheitliche Tanzpaare zu schaffen, indem man einem geradtaktigen Tanz einen lebhafteren in ungeradem Takt nachschickte. Von dieser Obung des Gesellschafts- ! nzes herkommend, gestaltet Peuerl Tanzfolgen, bei denen zweimal einem fanz in geradem Takt {Padouan und Danlz) je einer im Dreiertakt (Intrada und Galliarda) nachfolgt.') Die Erfindung und Verknüpfung der Tänze gescnieht mit musikalischen Mitleln, die zur Zeil Peuerls bereits eine reiche Obung hinter sich hallen und leichzeitig in England für Tasteninstrumente zu hoher Blüte gelangten, mittels 1 ) Dr. Karl Geiringer, Paul Peuerl 16. Band der Studien zur Musikwissenschaft (Beihefte der Denkmäler der Tonkunst in Österreich) Wien 1929. 1 ) Das einzige vollständige Original besitzt die Universitätsbibliothek Göttingen. ') Die eingangs Seite 6 u. 7 abgedruckte 10. Suite des Werkes von 1611 lä~t das meiste erkennen, was im folgenden über die Suiten gesagt wird. 19

der Variation.1) Unser Meister variiert ein einfaches Tanzthema zu neuen Sätzen, so dal} nun vier thematisch verbundene Tänze entstehen. Die Variierung erfolgt in verschiedenen Formen, die einander zu einem reichen lliel}enden Klangbiid durchdringen: In blofi mechanischer Taktverwandlung; durch Veränderungen von Melodie, Rhythmus, Harmonik bei deutlich erhaltenem Gesamtthema; durch Motivenlnahme für neue Abschnitte. So entsteht ein Reichtum an Gegensätzen, gegen welche die Veränderungen früherer Variationsreihen eintönig und arrn an Kontrasten ersche,inen,2) Sucht man innerhalb der vier Sätze einer Suite nach dem Ausgangsthema des Schöpfers, so scheiden nach den Grundsätzen des 16. und 17. Jahrhunderls3) die Tänze mit ungeradem Takt {Intrada, Galliarda) aus. Es bleiben Padouan und Danlz, von denen wieder die erstere wegen ihres komplizierteren Baues nicht in Betracht kommt. Der Danlz dagegen erscheint wegen seiner liedmäl}igen Einfachheit als Ausgangsthema gut geeignet und auch in unserem Notenbeispiel ist die Verwandlung desselben zu den drei anderen Tänzen unschwer zu erkennen. Betrachtet man die Tänze der Reihe nach, so wird eine wundervolle Verknüpfung bei reichen Gegensätzen sichtbar. Voran steht die gemessene, reich gebaute Padouan im Viererlakt. Die Melodie ist oft bis zur Unkenntlichkeit mit Verzierungen und Passagen verschnörkelt. Belebte Stimmführung, Nachahmungen, kunstvolle Harmonik schaffen ein Gebilde, das schon durch fortwährenden rhythmischen Wechsel den eigentlichen Tanzcharakter ausschlief}!. Die Padouan rückt dadurch von den übrigen lanzbaren Sätzen der Suiten ab und wird zu einer Art Vorspiel von ernstem, feierlichem Charakter. Nur einige beschwingte • lustige Padouanen" sind in dem Werk von 1611 enthalten. Die eigentliche Tanzreihe eröffnet die Intrada im Tripletakl mit schlichtem Bau, gleichmäl}iger Rhythmik, einfachem Salz Note gegen Note. Die Intrada ist auch sonst gern „ein praeambulum" und allerdings auch ein „final, dessen sich die Trompeter zu Anfang bedienen . .. und auch zum final gebrauchen", wie es bei Praelorius4) heil}I. Der unkomplizierten Intrada schlief}! sich der Danlz im Viererlakt an, der volksmäl}ig ist, schlicht in der Melodik, einfach in Periodenbau und Harmonik, ohne alle Stimmführungskünste, mit oft stereo,typer Rhythmik. Bei anderen Meistern entspricht Peuerls Danlz häufig die Allemande, von Praelorius bezeichnenderweise als „ein deutsch Liedlein oder Tänzlein" charakterisiert. Den Schlul} der Suite bildet dann jedesmal ein schwerfälligerer Tanz im Dreiertakt, die Galliarda. Der Salz ist oft ernst und gravitätisch und strebt ähnlich der Padouan nach reicherer Struktur, auch er ist nicht mehr ganz reiner Tanzsalz, häufige Passagen gegen Ende der Galliarda rufen die Erinnerung an die Padouan und wirken so mit, den Zusammenhang der Suite zu schliel}en. Der Aufbau des Ganzen beruht also auf zwei Tanzpaaren, deren komplizierteres das einfachere umschliel}t. Die Sätze des inneren Paares sind vertauscht (Dreiertakt vor Viererlakl), so dal} in der Suite zweimal gerader und ungerader 1 ) Guido Adler, Musik in Österreich im 16. Band der Studien zur Musikwissenschaft Wien 1929, S. 13. 2 ) Friedrich Blum e, Studien zur Vorgesd,ichte der Orchestersuite im 15. und 16, Jahrhundert in Band 1 der Berliner Beiträge zur Musikwissenschaft Leipzig 1925 und Haussmanns Variationen der fünfstimmigen Passamezza von 1604 in den Denkmälern der Tonkunst, Erste Folge, Band XVI, S. 141 ff. 3 } Geiringer a. a. 0 . S. 49. 4 ) Syntagma Musicum, Band 3. 20

1 kt w chseln können.') Alle vier Tänze sind innig verbunden durch die Einheit d r. h mas und der Tonarh Die Padouan allein hat drei Teile; ihr zweiter und dritt ,. is; in den folgenden Sätzen jedesmal zu einem Teil gestrafft. Auch die m llvis hen Elemente werden im Fortschreiten der Suite immer knapper und k ni ntrierler. P u rl denkt sich das Werk nach seiner Vorrede von Streichinsi'rumenten führt, was sich auch aus der starken rhythmischen Bewegung, den gro~en ,·v llsprüngen bei raschem Tempo und den reichen Passagen in allen Slimn rgibt. Im allgemeinen können die Sätze von gewöhnlichem Streichquartett pi II werden, nur bei einigen mü~te an Stelle der zweiten Geige eine 1 h lreten. as Werk von 1611 scheint rasche Verbreitung gefunden zu haben, einT"nze, eine Suite werden in Sammlungen übernommen,') doch wie Ver•• n n111gen, das Herausrei~en einzelner Nummern aus den geschlossenen ykl n und Verstümmelung einer Suite zeigen, ohne rechtes Verständnis der Ir n der gefundenen Form. Einzig der Thomaskantor von Leipzig Johann 11 rn, nn Schein greift die Schöpfung Peuerls auf und setzt das zweite Werk 1 r cl ulschen Variationssuite für mehrere Instrumente in die Welt, das .Banh II Musicale" von 1617. Schein verwendet dieselben Tanztypen, die er nur 1 llw ise anders benennt (Padouan, Courante, Allemande•, Galliarda)3) und zeigt r f} Verwandtschaft in der Formgebung. Die Tanzvariationensui!e hat sich im 1/ . J hrhundert zeitweise zu sehr freien und komplizierten Formen entwickelt. P uerl selbst hat in seinen späteren Instrumentalwerken von 1620 und 1625 strenge Suitenform verlassen. Das Werk von 1620 ist uns nur noch in einer 1 norslimme erhalten.•) Es enthält 44 Sätze: 14 dreisätzige Variationensuiten (mit Padouan, Intrada und Dantz) und zwei Canzonen. Ist die strenge 1 rm hier noch zum Teil gewahrt, so gibt sie Peuerl 1625 gänzlich auf. o Werk dieses Jahres: ,,Ganlz Neue Padouanen / Auffzüg / Balleten / Cour nl n / lnl'raden / und Dänlz . .."5) umfa~t 30 Sätze, darunter nur noch eine uil mit vier Sätzen und zwei mit dreien. Sonst kommen nur noch Zweierruppen oder Einzeltänze vor. In einigen Sätzen wechseln Zwei- und DreierT kt. In den mehrsälzigen Folgen ist das Thema von den Variationen kaum zu heiden. Einmal ist in den engen Rahmen e i n e s Salzes d ie Vielfalt der Veriationssuite gezwängt. Oft sieht das Ganze nach Experimentieren aus.6) Die .,Ganz Neuen Padouanen" von 1625 zeigen aber Peuerl in einer anderen Hinsicht erstaunlich zukünftig und aufgeschlossen. Er führt durch sie die Praxis des Kammermusizierens weiter, indem er als einer der e-rsten in Deutschland die Komposition mit Basso continuo7) übernimmt, jener eben in Italien aufgekom111 nen kontinuierlichen Ba~stimme zu Streichinstrumenten, die von Lauten und Tasteninstrumenten als Akkordbegleitung gespielt werden konnte. Der Meister cl nkt sich, wie die Vorrede sagt, die Ausführung vor allem durch drei S!rei- ') Schema: Reigen A Nachtanz B - Reigen B - Nachtanz A Viererlakt Dreiertakt - Vierertakt - Dreiertakt Padouan Intrada - Dantz - Gal liarda 7 ) Linzer Orgelkodex mit Liedbeispielenbearbeitungen und Tänzen meist ungenannter Meister. - Amoenitatum Hortulus 1622 (3 Sätze Peuerls neben nur je einem von Ha~ler, Staden und Schein!) J) Scheins Suiten haben einen fünften Satz, der eine bio~ mechanische 0bertragung des dritten Satzes in den Dreiertakt darstellt, daher keine wesentliche Erweiterung bedeutet. ' ) ,.Ettliche lustige Padovanen, Intrada, Ga\liard, Couranten und Däntz / sampt zweyen Canzon mit vier Stimmen . .." Nürnberg bei Abraham Wagemann 1620. Einziges Original in der Landesbibliothek Kassel. ' ) Gleichfalls bei Wagenmann in Nürnberg gedruckt, einziges vollständiges Original in der Bibliothek Graues Kloster in Berlin. •) Geiringer a. a. 0 ., S. S4. 1 ) Rober; Haas, Barockmusik in Bückens Handbuch der Musikwissenschaften, Potsdam 1928. Geiringer, a. a. 0. , S. 47. 21

eher') und einen „Instrumentisten", nach damaligem Sprachgebrauch einen Spieler von Kielklavieren.2) Damit ist das Werk in der" Besetzung eine Triosonate und in Deutschland vielleicht die erste dieser nachmals so reichen Gattung. Daneben empfiehlt Peuerl auch die Besetzung mit einem Tasteninstrument und e i n e m Streicher (unter Weglassung des Tenors als eigener Stimme u. a.)3) oder gar die Ausführung mit .zweyen Instrumenten" (Kielklavieren), .,da elwan zween gute Freund sich miteinander erlusligen wollen" .4) Zwei Jahre nach der Variationemuite von 1611 halle Peuerl bei Wagenmann ein ganz anderes Werk drucken lassen, fünfslimmige Vokalsätze unter dem Titel: •Weltspiegel / Das ist: Neue teulsche Gesänger / von Freud und Leid / Glück und Tück / dieser Welt" .5) Auch diesem Werk stellt Peuerl ein Motto voran: .,Wer lebt in Freuden ohne Leid / hat gute Freund und Glück ohn Tück / Der kann wohl all zeit sagen frey / In Fried und Ruh auch ohne Streit / Kein Feind und Neider hinderrück / dal} seines gleichn auf/ Erd nil sey." Der Weltspiegel ist Georg Henckel von Donnersmarck gewidmet. Welcher Art die Ve-rbindung Peuerls zu diesem Geschlecht war und wieso er zu dieser Widmung kam, ist nicht feststellbar. Vielleicht gedachte er des Herrn, weil ihm zu Ohren gekommen war, dal} dieser an den 1611 herausgegebenen Tänzen Freude gehabt halte; vielleicht hoffte er, so einen Gönner und Förderer zu gewinnen. Ein wenig Glück hätle er ja nötig gehabt. Das Inhaltsverzeichnis zeigt zwölf Vokalsätze und zwei Kanzonen. Die Vokalsätze mögen wohl von Steyr beeinflul}t sein, wo der Meistergesang bis ins 17. Jahrhundert gepflegt wurde•) und kunstliebende Bürger in Gemeinschaft mit der Lateinschule geistliche evangelische Schauspiele aufführten. Ob der Text von Peuerl verfal}I wurde, läl}t sich nicht mehr feststellen, doch möchte man Peuerl die pessimistische Grundstimmung der Lieder bei seiner damaligen wirtschaftlichen Lage gerne zutrauen. Ohnehin verlangt die Einfachheit der Texte keine dichterischen Qualitäten. .,Spiegel" ist ein Tite·I, den eine Unzahl älterer und neuerer Werke trägt',') er bedeutet Selbstprüfung, Erkenntnis der Wahrheit, sich selbst und der Welt einen Spiegel vorhalten. Denselben Gedanken finden wir bei Plinius in den „Epislolae" durch das speculum morum ausgedrückt oder in den Bezeichnungen von Gesetzessammlungen (Sachsen-und Schwabenspiegel), von Erziehungs und Lebensregeln (Fürstenspiegel, Ritterspiegel, Laienspiegel, Ehespiegel, Jugendspiegel, Knabenspiegel). Ein direkter Einflul} wurde auf Peuerl vielleicht durch das Speculum vitae humanae Erzherzog Ferdinands 11. von Tirol {1584) und das Speculum mundi Burgwaldts von 1590 ausgeübt. Die Texte Peuerls stimmen in der Form mit den deutschen Madrigalen überein, die „kurtz gefal}t und nachdenklich gemacht"•) inhalHich dem Epigramm nahestehen. Ihre „Haupt conclusion pflegt aus den letzten zweyen Reimen auch wohl nur aus der letzten Zeile zu erscheinen". Formal ist man „an keine gewisse Anzahl Verse gebunden, 1 ) ,,Discant-, Tenor-, BafJ9eiger" - nach dem geforderten Stimmumfang der Violine, der Bratscho und dem Violoncello entsprechend. ~ 2 ) Vgl. Curt Sachs, Rea llexikon der Musikinstrumente, Ber lin 1913, S. 196 a. - Bei Praetorius, Syntagma Musicum Bd. 111: ,,Clavicymbel oder Spinetten . . . sonsten in gemein 1 nsfrument genannt." 3 ) Solosona te . ') Denkmäler der Tonkunst Bd. 70, S. 62. S) Einziges vollständiges Exemplar in der seinerzeit. Preu~ischen Staatsbibliothek in Berlin. 6 ) Nagl-Zeidler, Deutschösterreichisd,e Liferaturgesd,id,te Wien 1899. - Ofner, Zur Gesdiichte des Meistergesanges in Steyr, Oö. Heimatblätter 1948. - Die letzte Nachricht vom Meistergesang in Steyr haben wir aus dem Jahre 1616. 7) Vgl. Jakob Minors Einführung zur Neuausgabe des „Speculum vifae lumanae" (Drama des Erzherzogs Ferdinand II. von Tirol), Halle an der Saale 1889. 8) Caspar Ziegler: ,,Von den Madrigalen / Einer schönen und zur Musik bequemsten Art Verse / Wie sie nach dem Italiener Manier in unserer Deutschen Sprache auszuarbeiten / Nebenst etlichen Exempeln, Wittenberg, 1653." 22

... d rH n die Verse nicht einer so lang als der andere sein, ... zum dritten d rff n die Verse auch nicht alle gereimt sein, sondern ich kann wohl einen, LW y, uch wohl drey darinnen ungereimt lassen". Im Weltspiegel haben die dl ht 8- 15 Verse. Aus Gefühl und Gedanken erwächst die Schlu~folgerung, d r R im wird frei gehandhabt. Paarreime, Kreuzreime, Umschlie~ung eines 1111 r n Reimpaares durch ein äu~eres, reimlose Zeilen wechseln. Die Zeilen ünd n das Lob der Musik, klagen über die Schlechtigkeit der Welt, darüber ,1 r I ht ein starkes Gottvertrauen. Die letzten Gesänge neigen zum geist- ! h n I d. 1 V rlonung bewahrt den Bau der Gedichte, Kadenzschlüsse unterslreiVersenden. Bilder des Textes werden gern in Tönen nachgezeichnet. h n wir lebhafte Bewegungen über Worten wie .jag", .freud", .,ein jebt nach seinem sinn" als Ausdruck leichten Sinnes; eine klar absteigende b d ulel .Unglück hat mich in Unfall bracht"; dem .Abgrund" entspricht kt vsprung nach unten; in starkem Kontrast stehen „nach lrauren und nach nl id" und das straffe .kombl offt gar hoch und gro~e freud". Zuweilen Ir ilich die musikalische Unterstreichung von Texlworlen äu~erlich. Im !!gemeinen sind die Sätze polyphon, homophone Stellen verwendet f u rl zu besonderem Ausdruck von .Lust", .kurlzweil", .freude", .,froh1 1111 " , .,1 nzen", .singen" u. ä. In dem Wechsel mehrstimmiger Stellen und rein h rm nisch gesetzter Chorpartien, in der Spaltung des Chores u. a. zeigt sid, 1 r I rke italienische Einflu~ auf die deutsche Liedform. Doch liebt Peuerl, h h I deutsch, kontrapunktische Verwicklungen, hält sich die Chromatik fern un I folgt dem alten Liedbau mit zwei gleichen Stollen und einem Abgesang.') r Obung des 16. Jahrhunderts entspricht Peuerls Hinweis, die Sätze seien .nll II in zu singen, sondern auf! mancherley Instrumenten zu gebrauchen". D n zwölf Vokalsätzen des •Wellspiegels" folgen ebenso wie den VariaII n nsuilcn von 1620 noch zwei Canzonen. Erst wird ein Thema fugenarlig bew 1, dann seine Umkehrung und Varianten derselben; am Schlu~ wird die fh m numkehrung ausharmonisierl. Die Canzonen zeigen Peuerls Meisterschaft, d11r h Variation einen reichen einheitlichen Salz zu schaffen. Im Ganzen bewegt h d r Komponist im Wellspiegel im Rahmen des Zeilüblichen. Die Vokal- 'lz sind von prachtvoller Wirkung, wenn einzelne gelegentlich zur Aufführung 9 1 ngen, wie bei der gro~en Passauer Woche .Festliche Tage - Junge Musik" Im August 1954, wo der achte Salz des Wellspiegels: .Frisch auf! und last uns in on" von lünfslimmigem Chor mit Instrumenten und der erste: .,0 musica du edle Kunst" gesungen wurden. Nur eine kurze Spanne Zeit zu schöpferischer Arbeit gewährte der Glaub nskarnpf dem Organisten Paul Peuerl im protestantischen Steyr. Von materiell n Sorgen zeitweise bedrängt, in der Wirrnis des konfessionellen Streites, inter der wachsenden Bedrohung der evangelischen Glaubensgemeinschaft, im rslen Lärm des Drei~igjährigen Krieges musizierte er im Dienst seines Bekenntnisses, baute und besserte er an Orgeln, schuf er, allem Zukünftigen in seiner öttlichen Kunst offen, schlichte Werke, die neue Wege für die Kammermusik wiesen - inmitten entfesselter Gewalten der Zerstörung eine stille Sih rung des Menschlichen, die wir noch heute aus den Liedern und Tänzen d s alten Meisters erfahren können. ') Geiringer a. a. 0. S. 65 ff. 23

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