70. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1952/53

gleichmäßig gebauter Figur mit gedrungenen und kräftigen Gliedern. „Sein Gesicht hatte etwas vom Au-sdruck eines Mannes, der ständig an schlechter Verdauung leidet."') So zeigen ihn manche Münztailder mit starken Stirnrunzeln und eigentümlicher Gespanntheit. Allen Bildern gleich ist der kräftige Kopf mit starkem Hals und Nacken. Unsere Bnnser Münze hebt ein köstlicher Zug von Humor weit her aus. Hier ist das Antlitz in ruhiger Heiterkeit entspannt. Die starke Auflösung der Münzoberfläche tut der Lebendigkeit des Bildes ge wiß keinen Abbruch, sie spielt nur den Eindruck leicht in das Ver witterte eines alten Mannes hinüber. Man könnte den Kopf bei einem großen Maler gesehen haben: Bild desAlten, der noch in der Fülle heiterer Lebenskraft steht. Über das Gewöhnliche hebt ihn auch der Lorbeerkranz, dessen oberste Blätter und Nackenschleife noch sichtbar sind. Der Kaiser stammte aus einfacher Familie im Sabinerland. „Er wurde unter Aufsicht seiner Großmutter auf ihrem Landgut erzogen. Noch als Kaiser besuchte er häufig seinen Geburtsort und ließ den Landsitz seiner Großmutter ganz in seinem ursprünglichen Zustand erhalten, damit sein Auge keinen der gewohnten Gegenstände ver missen brauchte. Auch hielt er das Andenken an seine Großmutter so teuer, daß er sein Leben lang an Feier- und Festtagen aus ihrem kleinen silbernen Becher zu trinken pflegte." ,,Vespasian gehörte zeitweise zum Gefolge Neros. Doch fiel er in Ungnade, weil er öfters einschlief, wenn der Kaiser sang." „Während seiner ganzen Regie rung betrachtete es Vespasian als seine höchste Aufgabe, den zer rütteten Staat im Innern zu festigen, erst dann ihm Glanz zu ver leihen. Die zügellos gewordenen Truppen hielt er in strenger Zucht." „In allen Dingen war er bürgerlich schlicht und gütig. Niemals ver heimlichte er seine geringe Abkunft. Auf äußere Ehrungen legte er so wenig Wert, daß er am Tage seines Triumphes ermüdet und ge langweilt von dem endlosen Festgepränge des Zuges offen zugab: mir geschieht schon recht, daß ich so töricht gewesen bin, mir in meinem Alter auch noch einen Triumph zu wünschen, den ich weder meinen Vorfahren schuldig war, noch selbst jemals erhofft hatte." „Beleidigungen und Feindschaften trug Vespasian gar nicht nach. Ebenso fehlte ihm jede Rachgier. Nicht leicht wurde unter ihm jemand unschuldig bestraft. Nie hatte er Freude am Blutvergießen." Vespasian suchte mit allen Mitteln Einnahmen zu schaffen, wohl Um den ungeheuren Fehlbetrag im Staatsschatz (nach Nero!) zu decken. Dabei ließ er sich gelegentlich in zweifelhafte Finanzgeschäf te ein, über die er gern selber Witze machte. „Witze waren über haupt seine größte Freude und er war dabei oft sehr treffend. Die Abgesandten einer Stadt kündigten ihm einmal an, man habe be schlossen, ihm auf öffentliche Kosten für eine beträchtliche Geld summe eine Kolossalstatue zu setzen. Vespasian forderte sie auf, die Statue sofort zu errichten, indem er die hohle Hand hinhielt und sagte: ,Der Grundstein ist gelegt'. Nicht einmal die Furcht und die unmittelbare Todesnähe hielten ihn ab, Witze zu machen. Beim ersten Anfall seiner tödlichen Krankheit rief er aus: ,0 weh, ich glaube, ich werde ein Gott'. Als er die völlige Abnahme seiner Kräfte spürte, versuchte er sich mit den Worten: ,Ein Imperator muß ste hend sterben' aufzurichten, und so starb er." Auf gleicher Höhe hat sich der Realismus des Münzbildes in der folgenden Zeit freilich nicht immer gehalten. In der römischen Großplastik wird die Blildnistreue mit neuen Mitteln angestrebt. 40

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