68. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1950/51
kommt er nach wohlgesetzten Worten auf die Bittendenz seines Schrei¬ bens zu sprechen. Er ersucht eindringlich, seinen Brief ernstlich zu glauben, daß er von bitterer Notwendigkeit diktiert sei; es liegt ihm auch so¬ gleich ein entsprechendes griechisches Zitat an der Hand? (p. 1., Zl. 18). Doch kein Unwürdiger wage zu bitten, nein, für ihn bürge das „testi¬ monium“ der Professoren der Universität Wittenberg, daß er ein acht¬ barer akademischer Bürger der philosophischen Fakultät sei. (p. 1., Zl. 22). Auf den nächsten zwei Seiten wird das Thema der Bitte immer deut¬ licher ausgeführt, sein Titel als Magister wird bescheiden eingeflochten (p. 2., Zl. 9), Hesiod? (p. 3, Zl. 8/9) muß mit einem treffenden Vers aus den „Werken“ aushelfen. Das Verbum „peto“ häuft sich nun zu¬ sehends, es wird eindringlich, hält aber gleichwohl in Spannung, da man bisher die Sache, die erbeten werden soll, nicht erwähnt hat. Endlich, fast schon am Ende des Briefes (p. 4, Zl. 4) werden die Quinquaginta florenos“, man könnte beinahe sagen, eingestreut, um die sich die lange Petitionsvorbereitung drehte. Schnell kommt Ortner dann zum Schluß, den er in einer Bitte an Gott um das Wohlergehen Steyrs harmonisch ausklingen läßt. In der Gesamtschau können wir diesen Bittbrief eines Steyrer Studenten als in seiner Art vollkommen hinstellen. Die „Aurea Aca¬ demia“ war wohl auch in der Zeit unseres, den Studien ergebenen Stipendiaten von der Sorge um den schnöden Mammon getrübt. Daher konnte es auch Ortner nicht als Schande empfinden, seine „Mecaenates“ an ihre stets offene Hand zu erinnern. Für Wolf Ortners weiteren Lebensweg ist von Interesse, daß er, wie ein Brief? aus Italien be¬ weist, in späteren Jahren in Padua, einer der berühmtesten Univer¬ sitäten der Zeit, medizinischen Studien oblag. Von anderen Briefen sticht noch der des Christoph Pfefferl?s her¬ vor, der große Kenntnis im Gebrauch des Griechischen zeigt. Pfefferl ersucht in wohlgesetzter Art den Magistrat Steyr um die Bewilligung, seine Studien in Ingolstadt fortsetzen zu dürfen. Gegen Ende des 16. Ihs. und am Beginn des 17. Ihs. treten deutsche Briefe an die Stelle der lateinischen. Erwähnenswert sind viel¬ leicht noch zwei lateinische Gesuche? und zwei Prüfungsaufgaben? für die Erlangung eines Stipendiums. Die Gesuchsteller hatten einen deut¬ schen Text ins Lateinische zu übersetzen und hiezu ein Distichon zu „he machestai deinon esti“: Das Kämpfen ist furchtbar, besser: Der Kampf um die Existenz 20) ist unerbittlich. Hesiodos, Erga kai Hemerai, V. 686: 21) „Chremata gar psyche peletai deiloisi brotoii“: Das Geld wird zur Seele für die armen Men¬ schen! oder besser: Geld bedeutet ja Leben für uns erbärmliche Menschen! (Uebers. v. Prof. H. Bilek) Arch. d. St. Steyr, K. XI/L. 37 /Stip. Ges./Nr. 5/Bl. 13, dat. 22. August 1578. 22) 23) Arch. d. St. Steyr, K. XI/ L. 37/Stip. Ges./Nr. 4/Bl. I., dat. Cal. Aprilis 1574. 24) 25) Arch. d. St. Steyr, K. XI/L. 37/Stip. Ges./Nr. 6 7
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