68. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1950/51

Steyrer Humanistenbriefe Dr. Anton Sommer Die Zeit vom ausgehenden 14. Ih. bis etwa zum Beginn des 17. Ihs. sieht eine glanzvolle Epoche des Schrifttums in Mitteleuropa, den Humanismus. Petrarca gilt als Vermittler antiken Geistes an Deutschland. Doch die Pflege der „humanitas“ geht weiter zurück. Der Hof der Salier und schon der Kreis von Gelehrten um Karl den Großen schätzte bewußt humanistische Ideen. Die Brücke zur Antike hatten jedoch die Klöster geschlagen, besonders die Benediktiner, welche in ihren Bibliotheken antike Autoren hüteten, abschrieben und sie ihren Schulen vermittelten. Das Mittelalter hatte literarisch in der höfischen Dichtung seinen Kulminationspunkt gefunden; am Beginn der Neuzeit wird der edle Geist wahren Menschentums wiedergeboren. Im selben Ausmaß, wie jetzt die höfische Kultur versinkt, wachsen und erstarken die bürgerlichen Kräfte, die in den gleichzeitig mächtig emporstrebenden Städten ihren Nährboden finden. Vollends wird diese neue bürgerliche Weltanschauung durch den Buchdruck gefördert, der dem anfangs noch unsicheren Bildungsstreben jener neuentstandenen Stände entgegenkam. Von nicht geringer Bedeutung für das Eindringen humanistischer Ge¬ danken waren die „vagierenden“ Studenten, welche aus Italien ihr erworbenes Wissen in die Heimat mitbrachten und verbreiteten. So erwuchsen besonders dem gelehrten Unterricht auf Universitäten wie in den Lateinschulen Grundlagen, auf die gestützt das antike Bildungs¬ ideal einfließen konnte. Es blüht eine feinsinnige Poesie im Geiste des Vergil und des Horaz, deren stilistisches und ästhetisches Empfinden einer erwachenden deutschen Dichtung gegen Ende des 16. Ihs. und besonders zu Beginn des 17. Ihs. vorgearbeitet hat. In diese literarischen Strömungen bringt die Reformation neue Impulse. Sie verdrängt in immer steigenderem Maße den im Schul¬ wesen dominierenden Humanismus und betont in der Erziehung der jungen Generation den „evangelischen“ Charakter im Gegensatz zum „humanistisch=weltmännischen“ Persönlichkeitsideal. Mit dem Eindringen des Protestantismus um 1520 in die öster¬ reichischen Lande wird auch hier das Vorbild des evangelischen Schul¬ typus, die „sapiens et eloquens pietas“ hoch geschätzt. Geistiger Ahnherr ist vor allem der große Philologe und Lehrer Philipp Melanchthon in Wittenberg. 3

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2