68. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1950/51

Ein Stimmungsbild aus der geographisch=historischen Exkursion Angelika Röthy 7 b Der Altar zu mauer In den letzten, goldenen Herbsttagen unternahmen die beiden oberen Mädchenklassen (7b und 8b) unter der Leitung der Professoren Grassl, Fruhstorfer, Deringer und Trautwein eine Fahrt in die Wachau, um diesen an Schönheit so reichen Teil unseres Heimatlandes näher kennen zu lernen. Krems und Dürnstein wurden besucht, Ruine Aggstein und die Stifte Melk und Göttweig bewundert. Ein klein wenig Beachtung — es wurde auch dem Wachauer Wein in jeglicher Form geschenkt war gerade Lesezeit. Klares, goldenes Herbstlicht verklärte alles mit seinem Schimmer. Was Natur und Kunst uns boten, war umstrahlt vom Glanze dieses Lichtes, wurde uns dadurch zum tiefen Erlebnis. Der größte Eindruck mag es gewesen sein, als wir in dem ein¬ fachen, kleinen Kirchlein Mauer einem wunderschönen, holzgeschnitzten Flügelaltar gegenüberstanden. Er steht jetzt an der Seitenwand des Kirchleins, war wohl einst Hochaltar, doch eine stolze, prunkvolle Zeit verwies ihn hierher. Es war zu seinem Vorteil. Wirkt er denn nicht besser hier, wo das schräg einfallende Licht seine ganze Tiefe hervor¬ treten läßt? 1520 von unbekannter Meisterhand geschaffen, zeigt er nicht mehr die schlanken, aufwärtsstrebenden Linien der Gotik, nicht ihr überreiches Rankenwerk. Harmonische Klarheit durchströmt das aus rötlichem Birnen¬ holz geschnitzte Werk. Ein runder Bogen beschließt voll Ruhe sein be¬ wegtes Bild; er scheint sich selbst zu tragen, da er nirgends auflastet. Schmale Ornamente aus Blatt= und Blütenmotiven geben einen strengen Rahmen und teilen die Flügel, die Szenen aus dem Marienleben zeigen, in drei Felder. Auch der Mittelteil ist dreigeteilt. Unten sehen wir eine Gruppe von Menschen, realistisch dargestellt: Die Gesichter spöttisch, hart, voll Verzweiflung, andächtig und innig oder voll Ernst und Tiefe. Gestalt drängt sich an Gestalt. Heftige Bewegung herrscht in der Gruppe; sie kommt in den erhobenen Händen am stärksten zum Ausdruck, die hin¬ zur Gottesmutter weisen, die, von Wolken getragen, in königlicher Reinheit über ihnen schwebt. Maria bildet, in ihrer Pracht, umgeben von Engeln, den Mittelpunkt des Werkes. 33

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