67. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1949/50

36 tem Anlaß zu einer besonderen Feier gerüstet, dann ist dein Herz offen für die Liebe, ,die dich empfangen will. Jeder Schmuck und jede Fahne, das Grün der Blätter der alten Bäume und die Bläue des Himmels scheinen für dich bereitet zu sein. Du bist ein wenig früher gekommen, du hast noch einen Tag für dich und du gehst über die vertrauten Plätze und durch die engen Gassen. Du suchst deine Lieblingsorte auf, den Baum auf einer Anhöhe, den Bauernbarock einer vergessenen Stätte voll alter Weihe, die Grabmale der Vergangenen. Ueber jenen alten Taufstein hat man dich gehalten, dort wieder hast du jene ersten Schultage verbracht, dort ist es, wo dein Herz zum erstenmal liebend schlug, und dann führt dich dein Rundweg zu dem alten Bau mit den leuchtenden Fahnen, wo morgen der 75 Jahre gedacht werden soll, ihrer Arbeit und ihrer Sorgen, ihrer Jugend und ihrer Freuden, von denen alle diese Jahrzehnte erfüllt waren. Dann ist auch dieser Tag dahin und der Abend ist da. Festcommers ! In den großen Casino-Sälen - welche Geschichte des Sanges und der Lustbarkeiten, des Tanzes und der künstlerischen Darbietungen bewahren sie doch ! - ist für den Commers alles zurechtgerückt. Du suchst den Platz deines Jahrgangs, und die andern, c;lie vielen, vielleicht an die tausend, die festlich hier zusammenkamen, tun desgleichen. Und mit dem Tumult, dem Tumult der Freude und der gegenseitigen Aussprache, dem Tumult der Frage und der Antwort ist das Fest, für jeden hörbar, für jeden fühlbar, für jeden greifbar gekommen, und das Fest ist in dein und unser, in unser aller Herzen hineingesprungen. Aber ich widerspreche keinem, wenn er dagegen behauptet, daß es vielmehr aus unserem Herzen heraussprang. Begrüßung durch den Bürgermeister der Stadt und durch den Direktor der jubilierenden Schule, ein Orchester gewesener Schüler sich durchspielend durch den Chor der Gespräche, gemeinsamer Gesang und die einander ablösenden Genüsse, geboten durch die vielen künstlerischen Begabungen, die aus dieser Schule erwuchsen, gesteigert bis zur „Fledermaus", wiedergegeben mit den vielen schönen Stimmen und der schauspielerischen Leistung, und endlich zu der dieser Stunde gemäßen Arie aus den „lustigen Weibern" durch den gewaltigen Bassisten. Studentenbrettl in dem kleinen Raum mit Heiterkeit und Gemüt, mit Vortrag und musikalischer Leistung. Und die alten Lehrer und die alten Freunde, die du wiederfandest, die durch sie wiedergefundene Berührung mit den gewesenen Zeiten läßt in dir dennoch seltsamerweise das Gefühl aufkommen, als ob du noch etwas erwartetest. Worauf wartest du wohl, so fragst du dich noch, wenn du dann unter einem aufs neue schimmernden Sternenhimmel für heute dein Lager aufsuchst. Denn all dies war nur erst Vorfeier und Vorfreude. Nun aber ist der Tag der Feier, jetzt geht der Festakt vor sich. In der alten Schulkirche haben die Schüler bereits die Deutsche Messe von Schubert gesungen, der 1817 über diese Stadt schrieb, daß ihre Umgebung über alle Begriffe schön sei. Der große Saal mit den großen, so viel Licht einlassenden Fenstern des wiedererrichteten Schultrakts ist gefüllt, überfüllt von Maturanten, bis weit in die Gänge hinaus stauen sich die

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