5 Am 21. Juli 1773 hob Papst Klemens XIV. durch das Breve „Dominus ac Redemptor“ den Jesuitenorden hauptsächlich auf Betreiben der bourbonischen Höfe auf. Die Kaiserin Maria Theresia hatte wohl mit Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zum spanischen und französischen Hof eine vom Papst zu Gunsten des Ordens erwartete Intervention unterlassen und auch seine Weiterverwendung in ihren Erblanden aus Gründen ihrer Schulpolitik nicht in Erwägung gezogen, wie es die Regenten von Preußen und Rußland gemacht hatten!). Eine Folge der Aufhebung des Ordens war die Schließung des Jesuiten¬ gymnasiums in Steyr am 14. Oktober 1773. Als das Jesuitengymnasium geschlossen wurde, hat wohl kein einziger Bewohner von Steyr geahnt, daß das Gymnisium für immer verloren sei, daß es über 70 Jahre dauern sollte, bis wieder ein bescheidener Anfang zu einer Mittelschule gemacht und daß 100 Jahre vergehen sollten, bis Steyr nach schwerem Ringen eine vollständige Mittelschule sein eigen nennen könne. Mit der Aufhebung des Jesuitenordens hätte an sich noch gar nicht die Schließung des Gymnasiums in Steyr verbunden sein müssen. Es hätte, wenn schon entsprechend den Forderungen des Zeitgeistes nicht weltliche Lehrkräfte zur Verfügung gestanden wären, ein anderer Orden, etwa die Benediktiner oder Piaristen das Gymnasium weiterführen können. Der Grund für die Schließung des Gymnasiums in Steyr so wie in manch anderen Städten ist darin zu suchen, daß im 18. Jahr¬ hundert sich auch in Oesterreich eine Abwendung vom humanistischen Bildungsideal mit einer Hinwendung zum realistischen vollzog?). Dieser Umstellung kam die Aufhebung des Jesuitenordens sehr gelegen. Auch in Oesterreich hatten die Männer der Regierung längst auf die Auf¬ hebung des Ordens gewartet und alle Vorbereitungen für diesen Fall getroffens). Eine der Aufgaben der „in Angelegenheit des aufgehobenen Jesuitenordens niedergesetzten Commission“ war eine vollständige Neu¬ gestaltung des bisherigen Schul= und Studienwesens. Mit der Auf¬ hebung der lateinischen Schulen der Jesuiten wurde der Weg für die deutsche Schule im Sinne der theresianischen Schulreform frei. Der Lehrplan der Jesuitengymnasien beruhte auf der vom Ordensgeneral 1)Als gegen die Jesuiten allgemein Front gemacht wurde, hatte sie Maria Theresia auch dem Kardinal Migazzi, 1757—1805 Erzbischof von Wien, gegen¬ über in Schutz genommen und sich gegen jedwede Verfolgung der Jesuiten aus¬ gesprochen. Eine eigenhändige Resolution der Kaiserin lautet: mit „ ist großer sorgfalt aller animositaet in religions und doctrine sachen auszuweichen auch alles was nur einen schatten einer verfolgung gegen die jesuiten auszu¬ weichen (— es sollte wohl heißen: an sich hat, zu vermeinden —), wie hingegen auch von nichts weichen will, was schonn mit guter überlegung und erkantnus resolviert habe“ Helfert, I. A.: Die Gründung der österreichischen Volksschule durch Maria Theresia I., S. 224. 2) Zu den Schulen der neuen Art gehörte auch bereits die 1744 in Krems¬ münster errichtete Ritterakademie. Ihr Lehrplan war nicht mehr der eines Gpm¬ nasiums. Uebrigens ging ihr Lehrplan weit über den Rahmen einer Mittelschule hinaus, da Fächer vorgetragen wurden wie sie an Universitäten gelehrt wurden. 1782 wurde die Ritterakademie von Josef II. aufgehoben. 3) helfert, I. A.: Die Gründung der österr. Volksschule I., S. 244 f.
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