59 Schlußwort Die Geschichte der Mittelschule von Steyr bietet ein ebenso be¬ wegtes Bild wie die Geschichte der Stadt selbst. Es hat viel Mühe ge¬ kostet, sie ins Leben zu rufen und zeitweise hatte sie schwer um ihren Bestand zu ringen. Seit 1863 haben 242 Lehrkräfte an ihr gewirkt, 2800 Studenten und 600 Studentinnen haben in ihren Räumen Unterricht und Bildung erhalten, 1200 Maturanten (970 Abiturienten + 230 Abiturientinnen haben sich in ihr ihr geistiges Rüstzeug geholt und sind zukunftsfreudig aus ihren Hallen ausgezogen!). Die Lokalgeschichte wird nur dann verständlich, wenn sie in Zu¬ sammenhang mit der allgemeinen Geschichte behandelt wird, und die Schulgeschichte wird nur dann richtig dargestellt, wenn sie auf Grund der Schulgesetzgebung in Würdigung der die Zeit beherrschenden Ideen und Strömungen erfaßt wird. Soweit überhaupt möglich, bin ich den primären Quellen nachge¬ gangen, habe sie gesichtet und gegenseitig abgewogen und dabei die Ent¬ deckung gemacht, daß manche kursierende Lokaltradition nicht dem objek¬ tiven Tatbestand entspricht. Hatte die Unterrealschule die Vermittlung praktischer Kenntnisse zwecks Vorbereitung auf einen gewerblichen Beruf zum Ziele, so war es Aufgabe der Oberrealschule, auf Grund der modernen Literatur und der mathematisch=naturwissenschaftlichen Fächer eine höhere Geistes¬ bildung zu gewähren. Das Studium an einem Realgymnasium bietet einen Einblick in den Geist der Antike und in die Strömungen der Gegenwart, es zeigt die Formenschönheit der klassischen Bildung ebenso in auf, wie es in das Verständnis des Schaffens des Menschengeistes der modernen Kultur einführt. Die allgemein bildende Mittelschule der Gegenwart hat nicht die Aufgabe, eine spezielle Vorbildung für einzelne Berufszweige zu gewähren, ihre Aufgabe ist die Pflege des Geistes und der Bildung an sich. Der Satz, „für das Leben lernen“, kann bedeuten, sich in der Schule die Vorbildung für einen praktischen Beruf erwerben. Das ist Sache der berufsbildenden oder der Fachschulen. Er kann aber auch bedeuten, in der Schule sich jene Summe von geistigen Kennt¬ nissen und höherer Bildung aneignen, um fähig zu sein, das Leben aus einer höheren Schau zu betrachten und zu meistern, einen tieferen Ein¬ blick in die Zusammenhänge des Weltgeschehens zu gewinnen, die Zeit¬ strömungen in ihren Prinzipien zu erfassen und sich mit dem Rüstzeug für höhere, selbständige geistige Arbeit zu versehen. Das ist Aufgabe der allgemein bildenden Mittelschule. Wer durch eine solche Schule ge¬ gangen ist, bleibe sich stets der Verantwortung den Mitmenschen gegen¬ über bewußt, die da lautet: Bildung verpflichtet! 1) Die Veröffentlichung des Verzeichnisses sämtlicher Lehrkräfte, aller Ma¬ turanten, aller Schüler und des Schülerstandes in den einzelnen Jahren ist im nächsten Jahresbericht geplant.
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