66. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1948/49

I. Der Übergang vom humanistischen zum realistischen Bildungsideal in Österreich im 18. Jahrhundert Die gewerbetüchtige Stadt Steyr erfreute sich eines ansehnlichen Wohlstandes!). Da wissenschaftliche Ausbildung seit jeher als einer der Faktoren des Aufstieges angesehen wurde, war auch die Bürgerschaft Steyrs emsig auf eine gründliche Schulbildung bedacht. Die Schul¬ geschichte Steyrs stellt, im Spiegel der Zeit gesehen, der Stadt ein gutes Zeugnis aus, denn die Quellen wissen schon früh von einem regen Schulbetrieb zu berichten. Seit etwa 1543 hatte Steyr auch eine prote¬ stantische Lateinschule, die 1624 aufgehoben wurde?). Um 1600 bemühte sich der Garstner Abt Johann Wilhelm Heller um eine katholische Lateinschule, die mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, da viele Bürger der Stadt ihre Söhne nach Wittenberg und Leipzig schickten. 1601 wurde für diese Schule Theobald Teubner gewonnen, der aber wegen der geringen Entlohnung die Stadt bald wieder verließ. Im nächsten Jahr kam Wolfgang Lindner, bisher Schul¬ meister in Waidhofen an der Ybbs, nach Steyr'). Am 3. November 1632 hielten die Jesuiten in Steyr ihren ersten Gottesdienst'). Sie gingen sogleich daran, ein Gymnasium zu errichten das sich aus einem bescheidenen Anfang allmählich zu hoher Blüte ent¬ wickeltes). Ihrem Kolleg gegenüber, das in den Jahren 1632—1672 erbaut wurde'), errichteten sie ein Schulgebäude, in das 1681 das Gym¬ nasium übersiedelte?). 1)Es war schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts gar nicht so selten, daß Adelige zur Sanierung ihrer finanziellen Lage reiche Bürgerstöchter zur Ehe nahmen. Zur Verheiratung der reichen Tochter des Steprer Ratsbürgers Dietrich Reischkoh, Magdalena, mit Wolf von Dietrichstein macht Prevenhuber die be¬ zeichnende Bemerkung: „Mit derselben sind nun über 20.000 Gulden aus der Stadt hinweg an den Adel gekommen, welches zur selben Zeit (zur Zeit Maxi¬ milians I) für ein mächtig Gut gehalten ward“. Annales Styrenses, S. 189. 2) Hackel, Dr. Alfr.: Zur Geschichte der lutherischen Stadtschulen in Stepr. 55. Jahresbericht der Realschule (1902/05), S. 16. Die Lateinschulen sind die Vorläufer unserer Gpmnasien. 3) Rolleder, A. — Pillewitzer, Dr. E.: Die Schulen der Stadt Stepr in der Reformationszeit, S. 42. Beiträge zur österreichischen Erziehungs= und Schul¬ geschichte, XVIII. Heft. 4) Zetl, Jakob: Die Chronik der Stadt Stepr 1612—1655. Revidiert und redigiert von Ludwig Edlbacher. Aus JB. XXXIII. S. 125. Die Jesuiten waren um 1550 von Ferdinand I. nach Oesterreich berufen worden. Um 1600 unter¬ hielten die Jesuiten in fast allen größeren Städten der kaiserlichen Erblande gut besuchte Lateinschulen. 5)Das Grmnasium wurde mit 2 Schülern eröffnet. Bald stieg die Zahl der Schüler auf über 200. Hackel, 55. Jahresbericht, S. 16. 6) Heute Michaelerplatz 6. 7) Heute Michaelerplatz 15.

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