31 wäre das Reichsvolksschulgesetz, durch das die Hauptschulen aufgelöst und an ihre Stelle die Burgerschulen') eingeführt wurden, der Unter¬ realschule in Steyr beinahe zum Verhängnis geworden. Da die Besucher¬ zahl der Unterrealschule auffallend gering war, tauchte die Gefahr ihrer völligen Liquidierung und ihrer Ueberführung in die Bürgerschule auf*). Es war nun der Gemeinde sehr daran gelegen, dieser Eventualität zuvorzukommen und aufs neue energisch die Erweiterung der Unter¬ realschule zu einer Oberrealschule zu betreiben. In der schon erwähnten Gemeinderatssitzung vom 15. Juli 1870 wurde die Gemeinde vom Re¬ ferenten Gemeinderat Dr. Hochhauser aufgefordert, sofort die notwen¬ digen Schritte zu unternehmen, um diese Anstalt ins Leben zu rufen. Die Berechtigung dieser Forderung wurde mit dem raschen Ansteigen der Bevölkerungsziffer, mit dem Aufblühen der Industrie in Steyr und der zahlreichen Industrieanlagen in der Umgebung der Stadt begründet. Sollte die Realschule wirklich der Bürgerschule weichen müssen, so be¬ deute das ein Zurückwerfen in die Zeit vor 1849. Schon die von 1849 bis 1863 bestehende zweiklassige unselbständige Unterrealschule sei für Steyr unzureichend gewesen, hätte aber immerhin einen höheren Cha¬ rakter als die kommende Bürgerschule gehabt, da sie den ungehinderten Uebertritt in die dritte Klasse und weiterhin in die Oberrealschule er¬ möglichte, was bei der Bürgerschule nicht der Fall sei'). Gemeinderat Moritz Cramer stellte in der gleichen Sitzung den Antrag auf Umwand¬ lung der Unterrealschule in ein Realgymnasium'). Dieses tatkräftige Auftreten der Gemeindeväter fand Beifall, Widerhall und Unterstützung unter der Bevölkerung. In der Gemeinde¬ ratssitzung vom 29. Dezember 1870 schlug Gemeinderat Wickhoff die Einsetzung eines Komitees vor (nominiert wurden der Bürgermeister als Vorsitzender, Putz, Dr. Hochhauser, Wickhoff, Cramer, Theisig, 1) Gesetz vom 15. Jänner 1870. G. u. DBl. Nr. 6. 2) Archiv Steyr, Ratsprotokolle 1870, S. 77—84, Gemeinderatssitzung vom 15. Juli 1870. 3) Gemeinderat Moritz Cramer, der die Ausführungen seines Vorredners kräftig unterstützte, legte dar, daß in Stepr die Bürgerschule und die Realschule nebeneinander bestehen können. Die Bürgerschule sei zu begrüßen und die Eltern seien dahin zu belehren, die weniger begabten Kinder nach der Volksschulzeit in die Bürgerschule, die begabten in die Realschule zu schicken. Mit dem Hinweis daß Oberösterreich, was Realschulen anbelangt, anderen Ländern gegenüber weit zurückstehe, da in Oberösterreich an Realschulen nur die vollständige Realschule in Linz und die Unterrealschule in Sterr existierten, führte er wörtlich aus: „Man braucht ja gerade nicht an dem mindesten Bildungsgrad der Kinder genug zu haben. Die Zeit schreitet auch geistig gewaltig vorwärts und wir wer¬ den nicht zurückbleiben wollen. Koste es, was es koste“ Weiter sprach er von den Erfordernissen der Zeit und sagte „daß man bald an keinem Wissen und Können zu viel haben wird. Gewiß, die Zahl der Studierenden muß zunehmen. Also nicht eine Verminderung der Realschulen, sondern eine Vermehrung der¬ selben brauchen wir.“ 4) Archiv Steyr, Akten M 5/a.
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