66. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1948/49

13 Man rechnete so: Der Sturm der Revolution wird manches Ordens¬ gymnasium hinwegfegen. Wie wäre es nun, wenn man einer solchen Schule in Steyr ein neues Wirkungsfeld anböte? Oekonomierat Gaffl der spätere Bürgermeister, griff in der Sitzung des Gemeinderates vom 11. August 1848 diesen Gedanken auf. Er brachte den Antrag ein, beim Unterrichtsministerium wegen der Errichtung einer höheren Lehranstalt vorstellig zu werden, da aller Wahrscheinlichkeit nach entsprechend den Reichstagsbeschlüssen mit den Orden und ihren Lehranstalten Verände¬ rungen vor sich gehen werden. Die Stadt solle trachten, eine aufgelöste Ordensanstalt nach Steyr zu bringen, da Steyr in Bezug auf höhere Lehranstalten seit langem stark zurückgesetzt sei. Er empfinde es als chweren Mangel, daß Steyr bei einer Bevölkerung von 10.000 Seelen nur eine Hauptschule, eine Mädchenschule und drei Trivialschulen besitze. Er wies dann auf die Bedeutung Steyrs als Industriestadt hin, was noch mehr ins Gewicht falle als der Blick auf die Einwohnerzahl allein „Und wenn man“, so führte er aus, „die Einwohner größtenteils aus ge¬ Industriellen bestehend betrachtet, so wird ein größeres Raffinement 71 fordert, als man in all diesen Schulen unmöglich erlangen kann Sein Antrag gipfelte in der Forderung: Jetzt oder nie. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt, beim Ministerium die Bewilligung eines Gymna¬ siums zu erreichen. Dies müsse leicht möglich sein, da Lokalitäten zur Unterbringung einer solchen Schule vorhanden seien. Mit einem Hin¬ er weis auf den zweiten Jahrgang der vierten Hauptschulklasse fügt sich bei: „Hätte der Industrie= und Gewerbeverein vor einigen Jahren der nicht für die Erlangung der zweiten Abteilung der vierten Klasse bei¬ Hauptschule beworben, hätte nicht auch derselbe sein Scherflein so getragen, wäre die Stadtgemeinde nicht so splendid gewesen wäre Steyr noch in demselben Zustand, wie er war, als die Klöster in und um Steyr mit ihren Anstalten aufgehoben und aufgelöst worden sind“?) Diese Sprache verrät, daß sich Steyr von den chweren Schicksalsschlägen wieder erholt und die materielle Lage der Stadt sich bedeutend gebessert hatte'). Doch Steyr erhielt kein Gymna¬ sium. Steyr war zwar eine bekannte Industriestadt, aber keine Haupt¬ stadt eines Kronlandes und dieser Umstand verursachte der Stadt aller¬ lei Zurücksetzung. 1) Archiv Stepr, Ratsprotokolle 1848 B, S. 15 ff. 2) Archiv Steyr, Ratsprotokolle 1848 B, S. 157 ff. 3) Willner macht die Bemerkung: „Steyr machte bei diesem allgemeinen Auf¬ schwung keine Ausnahme“. Annalen (handgeschrieben), S. 55. Archiv Steyr, Nr. 255. Stephan Willner war von 1822—1852 Lehrer in Stepr, dann Beamter ab 1841 Distriktsaktuar, Konskriptionsbuchführer, Fremdenkommissär, Polizei¬ kommissär und Stadtkassier, ab 1876 Kassendirektor. Seine Annalen umfassen die Jahre 1859—1885.

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