66. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1948/49

8 auf die Erziehung der Jugend gegenüber dem Machtgebot des aufge¬ klärten Absolutismus nicht mehr voll durchsetzen. Praktisch gesehen vollzog sich die Entwicklung in Oesterreich in fol¬ gender Weise: Die Reduzierung der lateinischen Schulen der Gymnasien ergab sich von selbst aus der Aufhebung des Jesuitenordens und die Einführung der deutschen und der praktischen Schulen und die Unter¬ stellung des Schulwesens unter den Staat war ein Werk der Gesetz¬ gebung!). übrigens Niemand leugnet, daß die Reform des Schulwesens — ein Gebot der Stunde war. Die gar nicht einmal in Oesterreich allein neuen Zeit= und Lebensverhältnisse verlangten gebieterisch die ihnen konforme Schule. Wenn jedoch Maria Theresia die Schulreform so energisch in An¬ griff nahm, so steckte dahinter auch ein politischer Grund. Im sieben¬ jährigen Krieg hatte Oesterreich Schlesien, eine wertvolle Provinz ver¬ loren. Nach Beendigung des Krieges bemühte sich die preußische Lite¬ ratur, Oesterreich als rückständig hinzustellen und Oesterreich zur Nieder¬ lage auf dem Schlachtfeld auch noch die Niederlage auf dem geistigen Gebiet zuzufügen'). Wollte Oesterreich sein Ansehen nicht einbüßen, so mußte es sein Bildungswesen neu gestaltens). Im Zusammenhang mit dem Gewerbepatent v. 10. Jänner 1751 war ein Lehrplan für Schulen mit weltlichen Lehrern ausgearbeitet worden die der Förderung von Handel und Gewerbe dienen sollten!). Die erste mathematisch=naturwissenschaftlich=ökonomische Schule in Oesterreich war 1) Es ist ein tragischer Dunkt in der Schulgeschichte, daß die Jesuiten nicht selbst ihre Schulen den Forderungen der Zeit entsprechend Der reformierten. schwache Ansatz der Aufnahme von Realien in ihren Lehrplan reichte nicht aus. Helfert, I. A.: Die Gründung der österr. Volksschule, I., S. 284, sagt hiezu: „Zur Zeit ihrer Macht fürchtete man die Gesellschaft und unter dem überwiegen¬ den Einfluß, womit sie das gesamte Schulwesen beherrschte, unterblieben die heilsamsten Verbesserungen“. — „Der Jesuitenorden stockte, sank, fiel, als er verlernt hatte, der geänderten Zeit das zu werden, was er der früheren war“. I., S. 284. — An die Stelle der Jesuiten traten zum Teil die Piaristen (fratres piarum scholarum; amtlicher Titel des Ordens: Ordo Clericorum Regularium Pauperum Matris Dei Scholarum Piarum, gegründet 1597 vom hl. Josef von Calasanca), die dem Ruf nach der neuen Schule wendiger als die Jesuiten nach¬ kamen, Deutsch, Griechisch, Geschichte Geographie, Mathematik und Physik in ihren Lehrplan aufnahmen (Mosser=Reitterer, S. 1) und seit 1785 nach dem Cehrplan des P. Gratian Marx unterrichteten. 2) Nadler, Josef: Literaturgeschichte Oesterreichs, S. 184, Linz, Verlag für Belletristik. — Man vergleiche hiezu das Schlagwort nach dem Jahre 1866: Der preußische Schulmeister hat den österreichischen Schulmeister besiegt. 3) Am 12. Februar 1774 setzte Maria Theresia die Studienhofkommission ein. 4) In einer Denkschrift an die Kaiserin aus dem Jahre 1766 war der Grundsatz dargelegt worden, daß sich der Unterricht den Bedürfnissen der ein¬ zelnen Stände anzupassen habe. Mosser=Reitterer, S. 4.

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