66. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums in Steyr über das Schuljahr 1948/40 veröffentlicht am Ende des Schuljahres 1. Das Ringen um die Steyrer Mittelschule nach Auflösung des lesuiten¬ gymnasiums und ihre Entfaltung von der Unter-Realschule zum Realgymnasium von Prof: Dr. August Bloderer 2. Aus der Schulgemeinschaft des Bundes-Realgymnasiums 1948/49 Zusammengestellt von Prof. Dr. August Bloderer Herausgegeben von der Direktion des Bundes. -Realgymnasiums in Steyr
Herausgegeben von der Direktion des Bundes-Realgymnasiums in Steyr Druck: Vereinsdruckerei Stey
Das Ringen um die Steyrer Mittelschule nach Auflösung des Jesuitengymnasiums und ihre Entfaltung von der Unterrealschule zum Realgymnasium Omnia sponte fluant, absit violentia rebus (Comenius).
I. Der Übergang vom humanistischen zum realistischen Bildungsideal in Österreich im 18. Jahrhundert Die gewerbetüchtige Stadt Steyr erfreute sich eines ansehnlichen Wohlstandes!). Da wissenschaftliche Ausbildung seit jeher als einer der Faktoren des Aufstieges angesehen wurde, war auch die Bürgerschaft Steyrs emsig auf eine gründliche Schulbildung bedacht. Die Schul¬ geschichte Steyrs stellt, im Spiegel der Zeit gesehen, der Stadt ein gutes Zeugnis aus, denn die Quellen wissen schon früh von einem regen Schulbetrieb zu berichten. Seit etwa 1543 hatte Steyr auch eine prote¬ stantische Lateinschule, die 1624 aufgehoben wurde?). Um 1600 bemühte sich der Garstner Abt Johann Wilhelm Heller um eine katholische Lateinschule, die mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, da viele Bürger der Stadt ihre Söhne nach Wittenberg und Leipzig schickten. 1601 wurde für diese Schule Theobald Teubner gewonnen, der aber wegen der geringen Entlohnung die Stadt bald wieder verließ. Im nächsten Jahr kam Wolfgang Lindner, bisher Schul¬ meister in Waidhofen an der Ybbs, nach Steyr'). Am 3. November 1632 hielten die Jesuiten in Steyr ihren ersten Gottesdienst'). Sie gingen sogleich daran, ein Gymnasium zu errichten das sich aus einem bescheidenen Anfang allmählich zu hoher Blüte ent¬ wickeltes). Ihrem Kolleg gegenüber, das in den Jahren 1632—1672 erbaut wurde'), errichteten sie ein Schulgebäude, in das 1681 das Gym¬ nasium übersiedelte?). 1)Es war schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts gar nicht so selten, daß Adelige zur Sanierung ihrer finanziellen Lage reiche Bürgerstöchter zur Ehe nahmen. Zur Verheiratung der reichen Tochter des Steprer Ratsbürgers Dietrich Reischkoh, Magdalena, mit Wolf von Dietrichstein macht Prevenhuber die be¬ zeichnende Bemerkung: „Mit derselben sind nun über 20.000 Gulden aus der Stadt hinweg an den Adel gekommen, welches zur selben Zeit (zur Zeit Maxi¬ milians I) für ein mächtig Gut gehalten ward“. Annales Styrenses, S. 189. 2) Hackel, Dr. Alfr.: Zur Geschichte der lutherischen Stadtschulen in Stepr. 55. Jahresbericht der Realschule (1902/05), S. 16. Die Lateinschulen sind die Vorläufer unserer Gpmnasien. 3) Rolleder, A. — Pillewitzer, Dr. E.: Die Schulen der Stadt Stepr in der Reformationszeit, S. 42. Beiträge zur österreichischen Erziehungs= und Schul¬ geschichte, XVIII. Heft. 4) Zetl, Jakob: Die Chronik der Stadt Stepr 1612—1655. Revidiert und redigiert von Ludwig Edlbacher. Aus JB. XXXIII. S. 125. Die Jesuiten waren um 1550 von Ferdinand I. nach Oesterreich berufen worden. Um 1600 unter¬ hielten die Jesuiten in fast allen größeren Städten der kaiserlichen Erblande gut besuchte Lateinschulen. 5)Das Grmnasium wurde mit 2 Schülern eröffnet. Bald stieg die Zahl der Schüler auf über 200. Hackel, 55. Jahresbericht, S. 16. 6) Heute Michaelerplatz 6. 7) Heute Michaelerplatz 15.
5 Am 21. Juli 1773 hob Papst Klemens XIV. durch das Breve „Dominus ac Redemptor“ den Jesuitenorden hauptsächlich auf Betreiben der bourbonischen Höfe auf. Die Kaiserin Maria Theresia hatte wohl mit Rücksicht auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zum spanischen und französischen Hof eine vom Papst zu Gunsten des Ordens erwartete Intervention unterlassen und auch seine Weiterverwendung in ihren Erblanden aus Gründen ihrer Schulpolitik nicht in Erwägung gezogen, wie es die Regenten von Preußen und Rußland gemacht hatten!). Eine Folge der Aufhebung des Ordens war die Schließung des Jesuiten¬ gymnasiums in Steyr am 14. Oktober 1773. Als das Jesuitengymnasium geschlossen wurde, hat wohl kein einziger Bewohner von Steyr geahnt, daß das Gymnisium für immer verloren sei, daß es über 70 Jahre dauern sollte, bis wieder ein bescheidener Anfang zu einer Mittelschule gemacht und daß 100 Jahre vergehen sollten, bis Steyr nach schwerem Ringen eine vollständige Mittelschule sein eigen nennen könne. Mit der Aufhebung des Jesuitenordens hätte an sich noch gar nicht die Schließung des Gymnasiums in Steyr verbunden sein müssen. Es hätte, wenn schon entsprechend den Forderungen des Zeitgeistes nicht weltliche Lehrkräfte zur Verfügung gestanden wären, ein anderer Orden, etwa die Benediktiner oder Piaristen das Gymnasium weiterführen können. Der Grund für die Schließung des Gymnasiums in Steyr so wie in manch anderen Städten ist darin zu suchen, daß im 18. Jahr¬ hundert sich auch in Oesterreich eine Abwendung vom humanistischen Bildungsideal mit einer Hinwendung zum realistischen vollzog?). Dieser Umstellung kam die Aufhebung des Jesuitenordens sehr gelegen. Auch in Oesterreich hatten die Männer der Regierung längst auf die Auf¬ hebung des Ordens gewartet und alle Vorbereitungen für diesen Fall getroffens). Eine der Aufgaben der „in Angelegenheit des aufgehobenen Jesuitenordens niedergesetzten Commission“ war eine vollständige Neu¬ gestaltung des bisherigen Schul= und Studienwesens. Mit der Auf¬ hebung der lateinischen Schulen der Jesuiten wurde der Weg für die deutsche Schule im Sinne der theresianischen Schulreform frei. Der Lehrplan der Jesuitengymnasien beruhte auf der vom Ordensgeneral 1)Als gegen die Jesuiten allgemein Front gemacht wurde, hatte sie Maria Theresia auch dem Kardinal Migazzi, 1757—1805 Erzbischof von Wien, gegen¬ über in Schutz genommen und sich gegen jedwede Verfolgung der Jesuiten aus¬ gesprochen. Eine eigenhändige Resolution der Kaiserin lautet: mit „ ist großer sorgfalt aller animositaet in religions und doctrine sachen auszuweichen auch alles was nur einen schatten einer verfolgung gegen die jesuiten auszu¬ weichen (— es sollte wohl heißen: an sich hat, zu vermeinden —), wie hingegen auch von nichts weichen will, was schonn mit guter überlegung und erkantnus resolviert habe“ Helfert, I. A.: Die Gründung der österreichischen Volksschule durch Maria Theresia I., S. 224. 2) Zu den Schulen der neuen Art gehörte auch bereits die 1744 in Krems¬ münster errichtete Ritterakademie. Ihr Lehrplan war nicht mehr der eines Gpm¬ nasiums. Uebrigens ging ihr Lehrplan weit über den Rahmen einer Mittelschule hinaus, da Fächer vorgetragen wurden wie sie an Universitäten gelehrt wurden. 1782 wurde die Ritterakademie von Josef II. aufgehoben. 3) helfert, I. A.: Die Gründung der österr. Volksschule I., S. 244 f.
6 Aquaviva 1599 erlassenen Ratio atque institutio studiorum Societatis esu!). Im Laufe des 18. Jahrhunderts machte sich die Gegnerschaft gegen den Lehrplan der Jesuiten, der tatsächlich den Forderungen des praktischen Lebens nicht mehr genügen konnte, immer mehr fühlbar. Es brach sich die Ueberzeugung Bahn, daß neben und vielleicht sogar an Stelle des Gymnasiums eine andere Art von einer höheren Schule nötig sei, eine Schule, deren Zweck auf das praktische Leben abgestimmt ist. So entwickelte sich ein vom Gymnasium völlig emanzi¬ pierter Schultyp, die mathematisch=naturwissenschaftlich=ökonomischen Schulen, die später den einheitlichen Namen Realschulen erhielten?). Der geistige Vater dieser Schulgattung ist Johann Amos Comenius, der „Vater des Realismus“, der „Vater des Anschauungsunterrichtes 9). Als treibende Kräfte dieser Entwicklung sind zu nennen: Der dring¬ liche Aufbau nach den Verwüstungen des 30jährigen Krieges, das Auf¬ blühen von Industrie, Handel und Gewerbe, die Erschließung der über¬ seeischen Länder und die damit verbundene Notwendigkeit der Kenntnis moderner Sprachen, die fortschreitende Verstädterung, das Erwachen des nationalen Bewußtseins und der Umstand, daß die mathematisch=ökono¬ mischen Schulen nicht mehr den Konfessionen unterstanden!). 1) Der Bildungsgang teilte sich a) in die studia inferiora mit 5 Grammati¬ kalklassen und 2 Humanitäts=Klassen und b) in die studia superiora mit 2 oder in 5 philosophischen Lehrgängen. Dgl. Mosser=Reitterer: Die Mittelschulen Oesterreich, S. 1 kl. — Der tiefgehende Einfluß der Jesuitenschulen lag nicht ehr in den Gegenständen, als vielmehr in der harmonischen Verbindung von 0 Unterricht und Erziehung, die diesen Schulen ein scharf umrissenes und ge¬ schlossenes Gefüge mit staunenswerter Erfolgsicherheit verlieh. 2) Die erste in Deutschland errichtete Schule dieser Art war die vom Archi¬ diakon Christoph Semler 1706 in Halle gegründete mathematisch=mechanische Realschule für Knaben. 3) Tschechisch Komenskv. Als „gut lehren“ bezeichnet er bewirken, daß se¬ mand rasch, leicht und sicher lernt (bene docere est ut quis cito, jucunde solide¬ que discat efficere, Methodus linguarum 1o, 2.). Seine Hauptgrundsätze für den Unterricht sind: Verbindung von Wort und Sache, lückenloses Fortschreiten und ein Verfahren, das beim Zögling eine volle, fruchtbringende Betätigung hervorruft. Wenn der Wille des Zöglings zu einer spontanen Mitarbeit ge¬ wonnen wird geht das Lernen wie von selbst. Daher sein Wahlspruch: Omnia sponte fluant, absit violentia rebus. Für das Sprachstudium schlägt er als Reihenfolge vor: Zuerst die Muttersprache, dann die Sprache der Nachbarvölker, nachher Latein. Er gehört zu den bedeutendsten Söhnen seines Dolkes. † 1592. Dgl. Roloff: Lexikon der Pädagogik. I., Sp. 687. 4) In Oesterreich gingen Aufklärung und Absolutismus im Laufe des 18. Jahrhunderts daran, der Kirche die Schule zu entwinden. 1770 legte Graf von Pergen, seit 1766 Staatsminister in inländischen Geschäften, der Kaiserin einen ausführlichen Plan über die Verbesserung des gesamten Schul= und Er¬ ziehungswesens vor. Grundgedanken: Erziehung der Jugend zu gerechten, auf¬ geklärten, zu den Diensten am Vaterland fähigen Christen, Unterstellung der Schule unter den Staat und Ersetzung der Lehrpersonen aus dem Ordensstand durch weltliche Lehrer oder durch Weltpriester. Helfert, I. A.: Die Gründung der österr. Volksschule, I., S. 195—206. Ein Schritt in dieser Richtung war vorher schon das kaiserliche Patent vom 16. November 1755: „Ueber die Ord¬
Wie zu erwarten, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der humanistischen und den Anhängern der realistischen Richtung, zwischen dem historisch=statischen und dem biologisch=dynami¬ schen Element im Kampf um das Bildungideal. Beriefen sich die Freunde des Gymnasiums auf das hohe Bildungs¬ ethos, auf die Denkzucht der lateinischen Sprache, auf den Wertder für klassischen Bildung und auf die Bedeutung der Kenntnis der Antike das richtige Erfassen des Weltgeschehens und der Gegenwart, so be¬ tonten die Jünger der neuen Schule, daß die Jugend aus der Schule etwas in das Leben mitnehmen müsse, daß man unter hundert tüchtigen Männer nur einen brauche, der gelehrte grammatikalische Kenntnisse auf¬ weise, dagegen neunundneunzig erfordert seien, die Technik, Handel, Naturwissenschaft und vaterländische Kultur verstünden. Wurden die Anhänger der humanistischen Bildung als Wortführer für ein welt¬ fremdes Gelehrtentum hingestellt, so bezeichnete man die Rufer im Streit um die mechanisch=ökonomischen Schulen als materialistische Uti¬ litaristen und beurteilte ihre Anstalten als Unruheherde, als Brut¬ tätten des Umsturzes und als Pflanzstätten der Mechanisierung des Lebens. Eines hatten jedoch die Absolventen der Gymnasien voraus: Ihre Zeugnisse gewährten eine große Berechtigung und öffneten die Tore zum Aufstieg. Die Frequentanten der realistischen Schulen ver¬ ließen ihre Anstalten als Praktiker, aber nicht als Studierte. Kaum hatten sich die mathematisch=ökonomischen Schulen durch¬ gesetzt, stand man vor der Tatsache, daß ihre Zeugnisse einen sehr ein¬ seitigen Wert hatten. Der Wettlauf der Realschulen um Gleichstellung ihrer Zeugnisse mit denen des Gymnasiums dauerte über hundert Jahre. Es blieb dabei den sogenannten praktischen Schulen nichts anderes übrig, als nach und nach Fächer für allgemeine Geistesbildung in ihren Lehrplan einzubauen. Die notwendige Folgerung aus diesem Schritt aber war die, daß sie im gleichen Maß, in dem sie Lehrgegenstände für allgemeine Geistesbildung aufnahmen, rein praktische Fächer ausscheiden mußten und dadurch vielfach über ihren ursprünglichen Zweck hinaus¬ wuchsen oder ihm entfremdet wurden. Die Entwicklung führte daher zu einer Gabelung. Der eine Zweig führte von der praktischen Schule zur Schule mit allgemeiner Geistesbildung auf Grundlage der modernen Literatur, teilweise sogar zu einer Synthese von Gymnasium und Real¬ schule, und der andere Zweig führte zur Ausgestaltung der Fachschulen. Damit wäre in kurzen Strichen die geistige Lage gekennzeichnet, in der sich die Schule in Oesterreich zur Zeit der Aufhebung des Jesuiten¬ ordens befand. Die Gymnasien wurden zurückgedrängt, die praktischen Schulen sind auf dem Vormarsch und die Kirche kann ihre Ansprüche nung und Einrichtung der Schule". Und das Wort der Kaiserin Maria Theresia: „Die Schule ist und bleibet allezeit ein Politikum(= Staatsangelegenheit im Gegensatz zu Ecclesiasticum = Kirchenangelegenheit) und ... der Schulmeister hanget von der weltlichen Obrigkeit ab“ gibt die Zeitanschauung treffend wieder. Diese Entschließung erfloß über Vortrag der böhm.=österr. Hofkanzlei vom 28. September 1770 gelegentlich eines Kompetenzkonfliktes in Kärnten. Helfert, I. A.: Die Gründung der österr. Volksschule, I., S. 118.
8 auf die Erziehung der Jugend gegenüber dem Machtgebot des aufge¬ klärten Absolutismus nicht mehr voll durchsetzen. Praktisch gesehen vollzog sich die Entwicklung in Oesterreich in fol¬ gender Weise: Die Reduzierung der lateinischen Schulen der Gymnasien ergab sich von selbst aus der Aufhebung des Jesuitenordens und die Einführung der deutschen und der praktischen Schulen und die Unter¬ stellung des Schulwesens unter den Staat war ein Werk der Gesetz¬ gebung!). übrigens Niemand leugnet, daß die Reform des Schulwesens — ein Gebot der Stunde war. Die gar nicht einmal in Oesterreich allein neuen Zeit= und Lebensverhältnisse verlangten gebieterisch die ihnen konforme Schule. Wenn jedoch Maria Theresia die Schulreform so energisch in An¬ griff nahm, so steckte dahinter auch ein politischer Grund. Im sieben¬ jährigen Krieg hatte Oesterreich Schlesien, eine wertvolle Provinz ver¬ loren. Nach Beendigung des Krieges bemühte sich die preußische Lite¬ ratur, Oesterreich als rückständig hinzustellen und Oesterreich zur Nieder¬ lage auf dem Schlachtfeld auch noch die Niederlage auf dem geistigen Gebiet zuzufügen'). Wollte Oesterreich sein Ansehen nicht einbüßen, so mußte es sein Bildungswesen neu gestaltens). Im Zusammenhang mit dem Gewerbepatent v. 10. Jänner 1751 war ein Lehrplan für Schulen mit weltlichen Lehrern ausgearbeitet worden die der Förderung von Handel und Gewerbe dienen sollten!). Die erste mathematisch=naturwissenschaftlich=ökonomische Schule in Oesterreich war 1) Es ist ein tragischer Dunkt in der Schulgeschichte, daß die Jesuiten nicht selbst ihre Schulen den Forderungen der Zeit entsprechend Der reformierten. schwache Ansatz der Aufnahme von Realien in ihren Lehrplan reichte nicht aus. Helfert, I. A.: Die Gründung der österr. Volksschule, I., S. 284, sagt hiezu: „Zur Zeit ihrer Macht fürchtete man die Gesellschaft und unter dem überwiegen¬ den Einfluß, womit sie das gesamte Schulwesen beherrschte, unterblieben die heilsamsten Verbesserungen“. — „Der Jesuitenorden stockte, sank, fiel, als er verlernt hatte, der geänderten Zeit das zu werden, was er der früheren war“. I., S. 284. — An die Stelle der Jesuiten traten zum Teil die Piaristen (fratres piarum scholarum; amtlicher Titel des Ordens: Ordo Clericorum Regularium Pauperum Matris Dei Scholarum Piarum, gegründet 1597 vom hl. Josef von Calasanca), die dem Ruf nach der neuen Schule wendiger als die Jesuiten nach¬ kamen, Deutsch, Griechisch, Geschichte Geographie, Mathematik und Physik in ihren Lehrplan aufnahmen (Mosser=Reitterer, S. 1) und seit 1785 nach dem Cehrplan des P. Gratian Marx unterrichteten. 2) Nadler, Josef: Literaturgeschichte Oesterreichs, S. 184, Linz, Verlag für Belletristik.—Man vergleiche hiezu das Schlagwort nach dem Jahre 1866: Der preußische Schulmeister hat den österreichischen Schulmeister besiegt. 3) Am 12. Februar 1774 setzte Maria Theresia die Studienhofkommission ein. 4)In einer Denkschrift an die Kaiserin aus dem Jahre 1766 war der Grundsatz dargelegt worden, daß sich der Unterricht den Bedürfnissen der ein¬ zelnen Stände anzupassen habe. Mosser=Reitterer, S. 4.
die 1770 in Wien errichtete Real=Handlungs=Akademie zum Zwecke der höheren gewerblichen und kaufmännischen Ausbildung!). Faktor für die Ausbildung der Jugend in den reali¬ Der wichtigste stischen Fächern ist in der von Johann Ignaz von Felbiger ausgearbeite¬ ten „Allgemeinen Schulordnung für die deutschen Normal=Haupt= und Trivialschulen in sämtlichen kaiserlich=königlichen Erblanden“ grund¬ gelegt, die am 6. Dezember 1774 von der Kaiserin Maria Theresia be¬ stätigt wurde und zwar liegt der Schwerpunkt für die realistische Aus¬ bildung in der Einrichtung der Hauptschule'). Felbiger hatte sich die Einrichtung der Realschule in Berlin zum Vorbild genommen. Die von ihm vertretenen Grundsätze sind nicht mehr nach dem Gymnasium aus¬ gerichtet. Auf Grund dieser Schulordnungs) waren in allen Städten, Märkten und Kirchdörfern Trivialschulen'), in jedem Kreis wenigstens eine Hauptschule, wo es die Gelegenheit erlaubte, eigene Mädchenschulen und in jeder Provinz, und zwar am Orte der Schulkommission') eine Normalschule') einzurichten. Der Lehrkörper der Hauptschule bestand aus einem Direktor, einem Katecheten und drei bis vier Lehrern. Die Unterrichtsgegenstände sind in Weiterführung der Gegenstände der Trivialschule Religion, Anfangs¬ gründe der lateinischen Sprache, schriftliche Aufsätze, Zirkel= und Frei¬ handzeichnen, Feldmeßkunde, Baukunst, Mechanik, Haushaltungskunde, Landwirtschaftslehre, Erdbeschreibung und Geschichte mit besonderer Be¬ rücksichtigung des Vaterlandes'). Aus der Aufhebung des Jesuitenordens zog das deutsche Normal¬ schulwesen auch insofern einen großen Vorteil, da seine Kollegien und Unterrichtsanstalten vielfach als Schulgebäude für die Hauptschulen Verwendung fandens). An die Stelle der Gymnasien traten die deutschen Schulen?). 1)An dieser Schule wurden unterrichtet: Deutsch, Schreiben, Rechnen, Fran¬ zösisch. Italienisch, Geometrie Physik, Zeichnen und praktische Handlungs¬ wixenschaft. Mosser=Reitterer, S. 4. 2) Johann Ignaz von Felbiger Abt des Augustiner=Chorherrenstiftes von Sagan, war am 1. Mai 17zg von Maria Theresia zur Ausarbeitung der Schul¬ ordnung nach Wien berufen worden.* 6. Jänner 1724 zu Großglogau, † 1788 als Dropst von Dreßburg. Unter Maria Theresia Oberdirektor des deutschen Schulwesens in sämtlichen deutschen Erblanden. — 3)Text und Erläuterungen bei Helfert, I., S. 525—582. 4) Trivialschule = Volksschule. 5) Einsetzung der Schulkommission am 19. Mai 1770. 6) Don norma. — Richtschnur, Muster. Diese dienten auch der Lehrerbildung. 7) Einen besonderen Wertzuwachs gewann die vierklassige Hauptschule spä¬ ter dadurch, daß der vierten Klasse ein zweiter Jahrgang angegliedert wurde. 8)§ 10 der Allgem. Schulordnung lautet: Hauptschulen sind in größeren Orten, auch wohl in Alöstern, wo es Gelegenheit dazu gibt, anzulegen. Ge¬ legenheit bieten insbesondere die überflüssigen Gpmnasien, deren Zahl auf das wahre Bedürfnis einzuschränken und die Gelder sowie die Gebäude, die dadurch in Ersparung kommen, zur Einrichtung und Unterbringung deutscher Stadt= und Hauptschulen zu verwenden sind. 9) Aus dem Vermögen des aufgehobenen Jesuitenordens wurde durch Ka¬ 9
10 Im Zuge der theresianischen Schulreform erhielt Steyr an Stelle des aufgelösten Jesuitengymnasiums eine dreiklassige Hauptschule, die am 6. November 1775 feierlich eröffnet wurde. Im Jahre 1783 wurde sie zu einer vierklassigen Anstalt erweitert!). Seit dem großen Sieg der realistischen Richtung über das Gymnasium konnte Steyr auf kein Gym¬ nasium mehr hoffen. Es ließ sich damals schon vorhersehen, in welcher Richtung sich das kommende höhere Schulwesen in Steyr entwickeln werde. Es konnte sich nur um eine Schule handeln, die sich entsprechend den weiteren gesetzlichen Regelungen des realistischen Unterrichtes in Oesterreich aus der Kreishauptschule wie von selbst entfalten würde. Die Hauptschule war bei allen ihren Vorzügen doch nur ein magerer Ersatz für den Verlust des Gymnasiums und es ist verständlich, wenn die Bürgerschaft von Steyr dies nur schwer verschmerzen konnte?). Die Differenz in der Bildungsmöglichkeit zwischen Vergangenheit und Gegenwart war zu groß. Es haben sicher auch in Steyr wie in anderen Städten noch weiterer Gründe zum Schmerz beigetragen, nämlich die Rücksicht auf Einnahmsquellen und der Ruf der Stadts). Er¬ binettsschreiben vom 25. Juni j7zg der Studienfonds geschaffen. Mit den trägnissen dieses Fonds wurde zum Teil der Aufwand der Universitäten, der technischen Hochschulen und der Grmnasien bestritten. Es galt der Grundsatz, nur jene Arten von Schulen, die ihrer Bestimmung nach ein mehr als bloß öffentliches Interesse in Anspruch nahmen, aus einem öffentlichen Fonds ganz oder teilweise zu erhalten. Die Schultppen der „Allgemeinen Schulordnung“ da¬ gegen mußten durch lokal aufgebrachte Mittel erhalten werden. Zu diesem Zweck wurde der Schulfonds durch Maria Theresia gegründet. Die Einnahmsquellen dieses Fonds sind ihrem Wesen nach hauptsächlich indirekte Steuern und Ab¬ gaben. — In Wien ist zuerst Kaiser Josef II. auf den Einfall gekommen, „die Vergnügungssucht seiner Phäaken für einen heilsamen Endzweck auszubeuten“ Felbiger schätzt diese Einnahmen von der Redoute auf jährlich 10.000 fl. Helfert, I. A.: I., S. 595. Zum Schulfonds val. Strakosch=Graßmann: Geschichte des österr. Unterrichtswesens, Wien 1905, S. 150. 1) Ofner Josef: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Stepr, S. 12. Ihr erster Direktor war Amand Berghofer, mit etwas Uebertreibung der öster¬ reichische Rousseau genannt. Er verzichtete auf seine Stelle, führte ein unstetes Wanderleben, wurde nach seiner Rückkehr nach Oesterreich Verwalter der auf¬ gehobenen Klöster. * 1745 in Grein, † 1825 in Graz. 2) „Die Stadt verlor mit ihnen (= den Jesuiten) nun auch das Gym¬ nasium, welches derselben in vieler Hinsicht schmerzlich fiel.“, Pritz, Fr.: Ge¬ schichte und Beschreibung der Stadt Stepr, S. 547. 3)Helfert, I., S. 402, erwähnt, daß es bei der Schließung der Gpmnasien an Jammer und Wehklagen, an Bitten und Gegenvorstellungen der betroffenen Gemeinden nicht fehlte und daß unter den vorgebrachten Gründen der „Nah¬ rungsstand der Bürger“ eine Rolle spielte; daß sich aber die Regierung, die die Beschränkung der Gpmnasien als eine zeitgemäße Maßregel erkannte, durch keine Kirchturmpolitik beirren ließ.
11 II. Steyr beginnt das Ringen um seine Mittelschule So erklärt es sich, daß Steyr bald nach der Aufhebung des Jesuiten¬ gymnasiums das Ringen um ein neues Gymnasium begann. Schon 1777, vier Jahre nach der Aufhebung des Jesuitengymnasiums, wurde der erste Versuch in dieser Hinsicht unternommen. Die Bürger von Steyr richteten an die Regierungsstellen die Bitte um Errichtung eines Gymnasiums unter Leitung der Piaristen. Der Landeshauptmann wünschte die Uebernahme dieser Schule durch die Dominikaner 1). Zur endete Erfüllung der Bitte der Steyrer kam es nie. Der erste Versuch mit einem Mißerfolg. Im Jahre 1796 erfolgte ein neuer Schritt?). Der Lärm der Fran¬ zosenkriege war in weiter Ferne und die Stadt hatte bis dahin von den Kriegswirren nichts verspürt. Gewerbe und Handel und damit der Wohlstand blühten. Der Wunsch nach einem Gymnasium war trotz des ersten Mißerfolges nicht erloschen. Man trat mit einem fertigen Plan an den Kaiser Franz II. heran und wollte schon für das nächste Jahr die Eröffnung des Gymnasiums. Als Professoren sollten Geistliche wir¬ ken, die in einer Kommunität lebten und zugleich neben dem Unterricht die Seelsorge übernehmen könnten. In erster Linie dachte man an die Piaristen und, falls diese nicht zu gewinnen wären, an andere Ordens¬ priester. Falls sich gar kein Orden bereit erklären sollte, dann wollte man als Lehrer Weltpriester anstellen. Die Bürgerschaft erklärte, daß sie zur Herhaltung des Gymnasiums keinen öffentlichen Fonds in An¬ pruch nehmen wollte. Einen Teil der Kosten müßte die Stadtkasse und den anderen die Bürgerschaft übernehmen. Als Gymnasialgebäude war das ehemalige Dominikanerkloster ausersehens). Als besonders hoch tellte man sich die Kosten jedenfalls nicht vor. Wären Ordensleute als Professoren zu gewinnen gewesen, dann hätte sich die Lösung der Be¬ soldungsfrage einfach gestaltet und die Tragung der Kosten für die Her¬ haltung des Gebäudes und die Beschaffung der Schulerfordernisse hätte für die Stadt beim damaligen Wohlstand keine übergroßen Opfer be¬ deutet. Auch diesmal war die Bewilligung nicht zu erlangen und die Errichtung eines Gymnasiums unterblieb. Es war dies für einige Jahrzehnte der letzte Versuch dieser Art. Es sei sofort die Frage aufgeworfen, woraus sich dies erkläre. Die Antwort ist leicht zu geben. Sie liegt im Schwinden des Wohlstandes der Be¬ völkerung, der durch die Besetzung Steyrs durch die Franzosen und durch den großen Brand vom 18. Juni 1824, dem 103 Wohnhäuser 1) Pritz, Fr.: Geschichte der Stadt Stepr, S. 547. 2) Pritz Fr.: S. 554. 3)Heute Postgebäude. Das Haus sollte um den Betrag von 10.000 fl von Die Erklärung, keinen öffentlichen Anton Schartner zurückgekauft werden. — Fonds in Anspruch nehmen zu wollen, war wichtig, weil die Inanspruchnahme des Studienfonds nicht ohneweiters möglich war und damit der Wunsch nach einem Grmnasium von vornherein unrealisierbar gewesen wäre.
12 zum Opfer fielen und der einen Schaden von rund zwei Millionen Gulden verursachte, herbeigeführt wurdet). Auch die großen finanziellen Katastrophen von 1811 und 1816 wirkten sich aus. Schon ein flüchtiger Blick in die Quellen läßt ermessen, wie viel die Stadt zur Franzosenzeit wirtschaftlich gelitten hat und daß ein Schaden eines so furchtbaren Großfeuers, wie es der Brand von 1824 war, lange nachwirkt, liegt au der Hand. Die Höhe des bürgerlichen Wohlstandes, wie ihn die Stadt zu Ende des 18. Jahrhunderts aufwies, war lange Zeit nicht mehr zu erreichen. Es braucht daher gar nicht wunder zu nehmen, wenn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem Ruf nach einem Gym¬ nasium nichts zu vernehmen ist. Weil man an eine humanistische Lehranstalt vorderhand nicht den¬ ken konnte, wandte man sich der Ausgestaltung der Hauptschule zu. Am 9. Jänner 1837 tagte über Anregung des Hauptschullehrers Johann Löw unter dem Vorsitz des Kreishauptmannes Baron Handl eine Kommis¬ sion, die darüber beriet, ob man der vierten Klasse der Hauptschule einen zweiten Jahrgang angliedern oder ob man eine Art technischer Schule errichten sollte, an der Mechanik, Baukunst, Naturgeschichte etc. unter¬ richtet werde. Die Entscheidung fiel auf die Errichtung einer technischen Schule?). Man war gegenüber früher genügsamer geworden, aber selbst dieser bescheidene Plan wurde vorerst nicht durchgeführt. 1844 wurde der Gedanke wieder aufgegriffen. Im Mai dieses Jah¬ res ersuchte das Mandariat des Industrie= und Gewerbevereines für Inn= und Oberösterreich mit Salzburg zu Steyr beim Kaiser um Be¬ willigung eines zweiten Jahrganges zur vierten Klasse der Hauptschule auf Kosten des Schulfonds und die Bürgerschaft von Steyr verfaßte eine Bittschrift, es wäre im Interesse des Gewerbes, daß in diesem zwei¬ ten Jahrgang auch Stereometrie, Mechanik, Bau= und Wasserkunde sowie Architektur unterrichtet werdes). Das Bestreben nach dem zweiten Jahrgang zur vierten Hauptschul¬ klasse muß deshalb besonders im Auge behalten werden, weil aus ihm die unselbständige zweiklassige Unterrealschule herausgewachsen und in ihm daher die Keimzelle der Steyrer Realschule zu sehen ist. Die Er¬ öffnung des zweiten Jahrganges erfolgte am 1. Oktober 1847°) Im Revolutionsjahr 1848 ist in den Geschichtsquellen der Stadt Steyr wiederum vom Bestreben nach einem Gymnasium zu lesen. 1)Rolleder, A.: Heimatkunde von Stepr, S. 162; Dritz, Fr.: Geschichte der Stadt Stepr, S. 571. 2) Kautsch, Jakob: Steprer Geschäftskalender 1915, S. LXVIII; Ofner, J.: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Stepr, S. 46. 3) Ofner J.: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Steyr, S. 46. Der schulfreundlich gesinnte Schuldistriktsaufseher, Dechant Kanonikus Josef Plersch nahm sich der Angelegenheit besonders eifrig an. 4)Mit allerhöchster Entschließung vom 21. November 1846, Studienhofdekret vom 24. November 1846 Zl. 8711. Dgl. Archiv der Stadt Steyr, Ratsprotokolle 1845, S. 54k, Sitzung des Gemeinderates vom 11. März 1845. Ratsprotokolle 1847 B S. 17ff; Sitzung des Gemeinderates vom 25. Februar 1847. Schreiben des bischöflichen Konsistoriums vom 8. September 1847, Zl. 460, Archiv Steyr 1 Akten der Hauptschule. Ofner, J.: Zur Schulgeschichte der Stadt Sterr, S. 47.
13 Man rechnete so: Der Sturm der Revolution wird manches Ordens¬ gymnasium hinwegfegen. Wie wäre es nun, wenn man einer solchen Schule in Steyr ein neues Wirkungsfeld anböte? Oekonomierat Gaffl der spätere Bürgermeister, griff in der Sitzung des Gemeinderates vom 11. August 1848 diesen Gedanken auf. Er brachte den Antrag ein, beim Unterrichtsministerium wegen der Errichtung einer höheren Lehranstalt vorstellig zu werden, da aller Wahrscheinlichkeit nach entsprechend den Reichstagsbeschlüssen mit den Orden und ihren Lehranstalten Verände¬ rungen vor sich gehen werden. Die Stadt solle trachten, eine aufgelöste Ordensanstalt nach Steyr zu bringen, da Steyr in Bezug auf höhere Lehranstalten seit langem stark zurückgesetzt sei. Er empfinde es als chweren Mangel, daß Steyr bei einer Bevölkerung von 10.000 Seelen nur eine Hauptschule, eine Mädchenschule und drei Trivialschulen besitze. Er wies dann auf die Bedeutung Steyrs als Industriestadt hin, was noch mehr ins Gewicht falle als der Blick auf die Einwohnerzahl allein „Und wenn man“, so führte er aus, „die Einwohner größtenteils aus ge¬ Industriellen bestehend betrachtet, so wird ein größeres Raffinement 71 fordert, als man in all diesen Schulen unmöglich erlangen kann Sein Antrag gipfelte in der Forderung: Jetzt oder nie. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt, beim Ministerium die Bewilligung eines Gymna¬ siums zu erreichen. Dies müsse leicht möglich sein, da Lokalitäten zur Unterbringung einer solchen Schule vorhanden seien. Mit einem Hin¬ er weis auf den zweiten Jahrgang der vierten Hauptschulklasse fügt sich bei: „Hätte der Industrie= und Gewerbeverein vor einigen Jahren der nicht für die Erlangung der zweiten Abteilung der vierten Klasse bei¬ Hauptschule beworben, hätte nicht auch derselbe sein Scherflein so getragen, wäre die Stadtgemeinde nicht so splendid gewesen wäre Steyr noch in demselben Zustand, wie er war, als die Klöster in und um Steyr mit ihren Anstalten aufgehoben und aufgelöst worden sind“?) Diese Sprache verrät, daß sich Steyr von den chweren Schicksalsschlägen wieder erholt und die materielle Lage der Stadt sich bedeutend gebessert hatte'). Doch Steyr erhielt kein Gymna¬ sium. Steyr war zwar eine bekannte Industriestadt, aber keine Haupt¬ stadt eines Kronlandes und dieser Umstand verursachte der Stadt aller¬ lei Zurücksetzung. 1) Archiv Stepr, Ratsprotokolle 1848 B, S. 15 ff. 2) Archiv Steyr, Ratsprotokolle 1848 B, S. 157 ff. 3) Willner macht die Bemerkung: „Steyr machte bei diesem allgemeinen Auf¬ schwung keine Ausnahme“. Annalen (handgeschrieben), S. 55. Archiv Steyr, Nr. 255. Stephan Willner war von 1822—1852 Lehrer in Stepr, dann Beamter ab 1841 Distriktsaktuar, Konskriptionsbuchführer, Fremdenkommissär, Polizei¬ kommissär und Stadtkassier, ab 1876 Kassendirektor. Seine Annalen umfassen die Jahre 1859—1885.
14 III. Die grundlegende Regelung des Realschulwesens in Oesterreich in der Mitte des 19. Jahrhunderts Die Pläne der Studienrevisionskommission, am Sitz einer jeden Universität und eines jeden Lyceums eine vierklassige Realschule als Mittelschule mit allgemeiner Bildung zu errichten, wurde nicht durch¬ geführt. Der „Plan einer künftigen Verfassung und Leitung des ganzen deutschen Schulwesens“ von 1804 sah zwar eine dreiklassige Realschule vor, betrachtete sie aber als Zweig des Volksschulunterrichtes, wenn auch die Lehrer dieser Schule Fachlehrer sein mußten. Der Eintritt in die Realschule erfolgte nach Vollendung der beiden Jahrgänge der 4. Haupt¬ ). schulklasse Die durch die „Allgemeine Schulordnung“ geschaffenen Hauptschulen bewährten sich gut und eine anerkennenswerte Verbesserung und Aus¬ gestaltung bedeutete der 2. Jahrgang der vierten Hauptschulklasse, wo¬ durch die Möglichkeit einer guten Vorbereitung für die gewerblich¬ praktischen und industriellen Berufe geboten wurde. Mit kaiserlicher Entschließung vom 23. März 1848 trat an die Stelle der Studienhofkommission als vollkommen selbständige Zentralstelle für Unterrichtsangelegenheiten das Ministerium für Unterricht?) Für die Realschulen wurde vom Ministerium für Unterricht schon 1848 ein Reorganisationsplan entworfen, der eine dreiklassige Realschule vorsah. An die Volksschule sollte die dreiklassige Bürgerschules) und an diese die Realschule anschließen. Mit kleinen Aenderungen ging der Reorganisationsplan in den von Franz Exner und Hermann Bonitz verfaßten Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen in Oesterreich über'), der mit kaiser¬ licher Verordnung vom 16. September 1849 vorläufig genehmigt wurde, aber nur für die Gymnasien Gesetzeskraft erlangte, da über den Zweck der Realschulen keine völlige Klarheit und Einigkeit herrschtei). Das Gymnasium hatte eine Tradition, die Realschule so gut wie keine. Da¬ viel durch erfreute sich das Gymnasium gegenüber der Realschule einer günstigeren Lage. 1) Diese Realschule ist also als eine Art Oberrealschule anzusehen. 2) Seit Juni 1849 führt es die Bezeichnung Ministerium für Kultus und Unterricht. In den Jahren 1860—1867 bildete es eine Abteilung des an die Stelle des Innenministeriums getretenen Staatsministeriums. 3)Diese Bürgerschule, später unselbständige Unterrealschule genannt, sollte an die Stelle der beiden Jahrgänge der vierten Klasse der Hauptschule treten. 4) Für gewöhnlich Organisationsentwurf genannt. Exner hatte sich den Lehrplan des Piaristen Lang zum Dorbild genommen. 5) Don den Gpmnasien heißt es im Entwurf: „ so erfreuen sich die Gpmnasien einer klaren Einheit ihres Zweckes...“. Von den Realschulen da¬ gegen: „Im Fortschritt der modernen Kultur sind andere, für die Gesellschaft nicht minder wichtige Lebenskreise zur Entwicklung und Geltung gelangt, welche dringend ihre Vorbereitungsschulen fordern. Sie sind, gleichwie sie zunächst aus
15 Als Zweck der Realschule, die zwischen die Volksschule und die technischen Lehranstalten gestellt wird, wurde die Vermittlung einer Bildung unter Zugrundelegung der modernen Literatur und der mathe¬ matisch=naturwissenschaftlichen Fächer wie Mechanik, Maschinenlehre Baukunst, Bauzeichnen, technische Chemie, kaufmännische Arithmetik, Buchhaltung, Wechsel= und Zollkunde, Wasser= und Straßenbau, line¬ ares Zeichnen und Freihandzeichnen, Modellieren, Schönschreiben, Gym¬ nastik und Stenographie bezeichnet. Sie sollte gut unterrichtete und brauchbare Geschäftsmänner für die verschiedenen Arten des bürger¬ lichen Gewerbes, für den Handel und die Fabriken, für die Manufaktu¬ ren, für Oekonomie und Forstwesen heranbilden und zum Studium an den technischen Lehranstalten vorbereiten. Es war viel, was man von der neuen Schule erwartete und heute sehen wir, daß sich eine solche Aufgabe nur von speziellen Fachschulen bewältigen läßt. Die gesetzliche Regelung des Realschulwesens in Oesterreich erfolgte durch die kaiserliche Verordnung vom 2. März 1851, RGBl. Nr. 70]). Manunterschied Unter= und Oberrealschulen?). 1.Die Vollanstalten bestanden aus einer dreiklassigen Unter= und einer dreiklassigen Oberrealschule. Die Oberrealschule bestand nie allein, sondern war stets mit einer Unterrealschule verbunden. 2. 2. Die dreiklassige Unterrealschule konnte auch für sich allein be¬ stehen. Die Unterrealschule hatte eine doppelte Aufgabe zu er¬ füllen: a) auf den Uebertritt in die Oberrealschule und b) auf einen praktischen Beruf vorzubereiten. 3. Daneben kannte man die unselbständigen zweiklassigen Unter¬ realschulen von zwei Jahrgängens). Sie wurden nicht zu den Mittelschulen gerechnet, aber so organisiert, daß der Uebertritt in den materiellen Bedürfnissen hervorgegangen, auch vorzugsweise durch die mate¬ riellen Bedürfnisse beherrscht und gezwungen, bei Voranstellung der Fachbildung die allgemeine Bildung mehr oder weniger zurück zu setzen und ihr den Raum zu verengen. Daraus ergibt sich für die Realschulen, welche ihnen zu dienen haben, eine doppelte Unsicherheit des Zweckes: Sie trifft das Maß der allge¬ meinen Bildung, das angestrebt werden soll... sie trifft ferner die Fachbildung elbst... kein Wunder, wenn unter solchen Schwierigkeiten und bei der Neuheit dieser Schulen sich noch Unsicherheit in der Organisierung derselben zeigt.“ Ent¬ wurf der Organisation der Gpmnasien und Realschulen in Oesterreich, Plan der Realschulen, S. 219. 1)Näher dargelegt im Statut vom 15. August 1851, das aber im Reichs¬ gesetzblatt nicht veröffentlicht wurde. 2) Stundentafel siehe S. 16. 3) Gelegentlich werden die unselbständigen Unterrealschulen auch Bürger¬ schulen genannt, weil sie im Gegensatz zu den Oberrealschulen und den huma¬ nistischen Lehranstalten als Dorbereitung für bürgerlich=gewerbliche Berufe dien¬ ten. Auf keinen Fall aber dürfen sie mit der 1870 in Oesterreich geschaffenen Bürgerschule, die sich aus der damaligen Hauptschule entwickelt hat, verwechselt
16 Stundentafel der sechsklassigen Realschule Sum¬ VI V IV III II I me 12 2 2 2 2 2 2 * * * Religion Unterrichtssprache.. 7 44 8 6 8 7 8 Zweite lebende Sprache.. 1 1 * * * * Geographie * * * * 4 21 3 3 3 3 3 Geschichte * 11 * 4 3 4 Arithmetik, nebst Zoll= und Wechselkunde 14 5 9 * Mathematik*„ „ „ „ „ „ „ * „ „ 4 * 4 * Geometrie „„ * * * * * * „ * ** 2 10 2 2 2/0 Naturgeschichte. 4 12 4 2 2/4 * Physik * * * * „ „ * 2 * Maschinenlehre 12 6 2 * Chemie „ „ „ * * * * * * * 10 * 10 * * Geometrisches Zeichnen.. — 13 * * 6 * ** * * ** * * * Freihand=Zeichnen * 26 10 10 6 * Zeichnen und Modellieren 3 3 * * Baukunst 8 2 2 2 2 Schönschreiben 34 202 35 34 33 33 33 die dritte Klasse einer selbständigen Realschule ohneweiters mög¬ lich war. Sie traten auf Grund des Organisationsentwurfes, obwohl er für die Realschulen gar nicht Gesetzeskraft erlangt hat, seit 1849 automatisch an die Stelle des zweiten Jahrganges der vierten Klasse der Hauptschule. Sie blieben mit einer anderen Schule in organischer Verbindung, um mit dieser ein größeres und dadurch pädagogisch kräftigeres Ganzes zu bilden. Es wurde werden. Im Plan der Realschulen von 1849 findet sich im § 5 die Bezeichnung zerfallen in Unter=Realschulen oder Bürger¬ „Bürgerschule". „Die Realschulen In den allgemeinen Bestimmungen von chulen und in Oberrealschulen“. Bürgerschule nicht mehr. § 2 lautet: „Die 1851 findet sich die Bezeichnung und Oberrealschulen“ § 7 lautet: „Die mit Realschulen verfallen in Unter¬ Verbindung verbleibenden zweiklassigen Unter¬ der Volksschule in unmittelbarer in ihrem Lehrplane den beiden ersten Klassen realschulen werden im allgmeinen gleichzuschalten sein, so daß es Schülern, welche der vollständigen Unterrealschule eine zweiklassige Unterrealschule mit gutem Erfolg absolviert haben, möglich ist, unmittelbar die Aufnahme in die dritte Klasse einer vollständigen Realschule sich zu erwerben“.
17 aber gerade auf die Einrichtung dieser zweiklassigen unselbstän¬ digen Unterrealschulen ziemlich viel Wert gelegt. Sie waren Lokalanstalten und leisteten vieles in der Heranbildung eines gut geschulten Gewerbestandes und für ihre Finanzierung brauchte der Studienfonds nicht in Anspruch genommen werden. Für sie mußte der Schulfonds, bzw. die Gemeinde aufkommen und dadurch erklärt es sich, warum die Errichtung selbständiger dreiklassiger Unterrealschulen nur zögernd bewilligt wurde. Es drehte sich nicht um die Anfügung einer dritten Klasse, das hätte nicht viel bedeutet, es drehte sich vielmehr um eine juridische Neuschöpfung mit Inanspruchnahme des Studienfonds. Die Ent¬ wicklung der Mittelschule in Steyr bietet hiefür ein geradezu klassisches Beispiel. Bezüglich der Erhaltung der zu gründenden Realschulen wurde bestimmt, daß die Beträge für die Bezüge und Pensionen der Lehrkräfte demStudienfonds entnommen werden sollten, allen übrigen Aufwand aber, wie Beistellung der notwendigen Lokalitäten, der Bedienung, Be¬ heizung, Beleuchtung, Einrichtung etc. mußten die Gemeinden leisten. IV. Die unselbständige zweiklassige Unterrealschule in Steyr 1849—1863 Als Ausfluß der Aenderungen im österreichischen Schulwesen aus dem Jahre 1848 finden wir in Steyr seit 1849 eine zweiklassige, unselb¬ ständige Unterrealschule, die aus dem zweiten Jahrgang der vierten Hauptschulklasse herausgewachsen ist und auch weiterhin mit der Haupt¬ schule in Verbindung blieb!). Der Direktor der Kreishauptschule war zugleich der Leiter der Unterrealschule'). Auch wenn die Unterrealschule mit der Kreishauptschule in Verbindung stand, so war sie doch eine von ihr Verschiedene Anstalt, die ihr besonderes Eigenleben führte. Sie ist aber auch nicht identisch mit dem ehemaligen zweiten Jahrgang der vierten Hauptschulklasse. Die Verbindung der unselbständigen Realschule mit der Kreishauptschule hatte nicht nur den Zweck der Verbilligung und Vereinfachung in der Schulverwaltung, sondern auch die Sicher¬ 1)Die einzige primäre Quelle, die darüber berichtet, ist das Ehrenbuch der Hauptschule in Stepr in dem vom Jahre 1824 an bis 1865 alle Schüler einge¬ tragen sind, die ein Zeugnis mit Vorzug erhalten hatten. In diesem Buch findet man für das Jahr 1847/48 und 1848/49 noch die Schüler des zweitenJahr¬ ganges verzeichnet. Im Schuljahr 1849/50 fehlt die g. Hauptschulklasse und der 2. Jahrgang, dafür erscheint die 1. und 2. Klasse der Unterrealschule auf. Zu Abschluß des Sommerkurses vom 5. August 1865 ist die Unterrealschule im 7 Ehrenbuch das letzte Mal erwähnt. In diesem Jahre wurde die Unterrealschule dreiklassig und selbständig. Die Kreishauptschule war bis 1855 dreiklassig, ab Schuljahr 1855/56 wieder vierklassig. Archiv Steyr, D i 1—87. 2) Der erste und einzige Direktor der unselbständigen Unterrealschule war Anton Haasbauer, der von 1847—1868 Direktor der Hauptschule war. 2
18 stellung eines hinreichenden Nachwuchses für die Realschule. Es würde den 1848 vorgenommenen, auf einen Fortschritt hinzielenden Aenderun¬ gen nicht entsprechen, wenn man aus der verwaltungstechnischen Ver¬ bindung mit einer anderen Schule zu viel folgern und den Wert und die Bedeutung der unselbständigen Unterrealschule herabmindern wollte. Man kann daher mit Recht das Jahr 1849 als den Anfang der kom¬ menden Steyrer Mittelschule bezeichnen, wenn auch die zweiklassige, un¬ selbständige Unterrealschule als Mittelschule in juridischem Sinn nicht anzusprechen ist. Durch sie war eindeutig die Linie festgelegt, auf der die Entfaltung der Mittelschule vor sich gehen sollte!) Steyr hatte 1849 auf dem Schulgebiet zwar etwas Neues erhalten, aber es war nur eine bescheidene Gabe. Es war wenig, gemessen an der Bedeutung der Stadt, es war auch wenig im Vergleich zu dem, wo¬ nach der Sinn stand. Doch wie dem auch sei, es war auf dem Weg zur Erreichung einer Mittelschule wenigstens ein Anfang gemacht, auf dem man weiter fortschreiten konnte. Die Unterrealschule übersiedelte am 2. und 3. November 1849°) in das ehemalige Kloster der Cölestinerinnen'), während die Hauptschule 1) Zur Veranschaulichung des Unterschiedes zwischen der Haupt= und Unter¬ realschule diene die Abschrift zur Einladung an den öffentlichen Prüfungen am 29., 50. und 51. Juli 1861: Hauptschule: 1. Klasse, Alter der Schüler 6—7 Jahre, Klassenlehrer Michael Pachinger; 2. Klasse, Alter der Schüler 7—8Jahre, Klassenlehrer Franz Alois Wiesner; 5. Klasse, Alter der Schüler8—9 Jahre, Klassenlehrer Haas¬ Heinzl; g. Klasse, Alter der Schüler 9—10 Jahre, Direktor Anton bauer, unterrichtet Schönlesen, deutsche Sprachlehre, Richtig= und Diktando¬ Schön¬ schreiben, mündlicher und schriftlicher Gedankenaustausch, Rechnen, schreiben und an Realien Geographie u. Naturgeschichte; Technischer Lehrer Josef Sadtler unterrichtet Zeichnen. Unterrealschule: 1. Klasse, Alter der Schüler 11—15 Jahre: Technischer Lehrer Josef Wurzinger unterrichtet Geometrie, geometrisches Zeichnen, Schön¬ schreiben; Technischer Lehrer Josef Sadtler unterrichtet Rechnen, Ohpsik und Freihandzeichnen; Grammatischer Lehrer Johann Plaichinger unterrichtet deutsche Sprache, Geographie, Geschichte, Naturgeschichte. — 2. Klasse, Alter der Schüler 15—15 Jahre: Technischer Lehrer Josef Sadtler unterrichtet Rechnen, Physik, Freihandzeichnen; Technischer Lehrer Josef Wurzinger unterrichtet Geometrie, geometrisches Zeichnen und Schönschreiben; Gram¬ matischer Lehrer Johann Plaichinger unterrichtet deutsche Sprache, Geo¬ graphie, Geschichte und Naturgeschichte; Religionslehrer an der Unterreal¬ schule Josef Schwaninger. Archiv Steyr, Akten der Hauptschule. Der Ausdruck Technischer Lehrer, Grammatischer Lehrer bedeutet Fachlehrer. Die Lehrkräfte an den Mittelschulen führten ursprünglich die Bezeichnung Gym¬ nasiallehrer oder Realschullehrer. Die Amtsbezeichnung Professor für die definitiv angestelltn Lehrkräfte an den Mittelschulen wurde erst durch Allerhöchste Ent¬ chließung vom 6. Februar 1866, K. U. R6Bl. 22 eingeführt. Dorher kam der Titel Drofessor nur den Lehrern an den Hochschulen zu. 2) Ofner, J.: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Stepr, S. 49. 3) Heute Berggasse 4. Die Cölestinerinnen, auch Augustinerinnen von der Verkündigung oder Annuntiatinnen genannt, waren am 20. 8. 1646 nach Steyr gekommen. Im Zuge des Josefinischen Klostersturmes konnten sie 1782 das
19 im alten Gymnasialgebäude der Jesuiten!) gegenüber dem Kloster') untergebracht wurde. Mit Ende des Schuljahres 1851/52 kam die Real¬ schule in den 2. Stock des Rathuses'). Die junge Unterrealschule erfreute sich bald eines guten Rufes. Auch von der Landesschulbehörde wurden die Unterrichtserfolge lobend hervorgehoben. In einem Bericht der Statthalterei aus dem Jahre 1856 wird erwähnt, daß die Unterrealschule in Steyr nach Art der Einrichtung der zweiklassigen Unterrealschulen und nach der durchschnittlichen Beschaffenheit der Lehrer an solchen An¬ talten zu den besten des Landes gehöre?). Die hervorragenden Leistun¬ gen rechtfertigten auch den guten Besuch der Schules). Die Unterbringung der Realschule im Rathaus war von Anfang an nur als ein Uebergangsstadium gedacht, bis eine definitive Lösung der Unterkunftsfrage gefunden würde. Im Jahre 1853 standen drei Projekte zur Beratung: 1. Ein Neubau auf den Amortgründen in der Nähe der Stadt¬ pfarrkirche. 2. Die Unterbringung in einem stadteigenen Haus am Wieserfeld¬ platz. 3. Die Unterbringung im ehemaligen Jesuitenkloster am Michaeler¬ platz. Die dritte Möglichkeit wurde von den Gemeindevätern als die günstigte bezeichnet'). In dieses Gebäude war aber inzwischen eine Reihe von Aemtern eingezogen: Das Kreisgericht, das stadtisch=delegierte Bezirksgericht, das Bezirksamt für den Landbezirk, das Steueramt und gerichtliche Depositenamt, die Forstregulierungskommission und die Land¬ wirtschaftsgesellschaftsfiliale'). Drei Jahre später wurden gelegentlich Stimmen laut, die Unterrealschule wieder in das Gebäude der Exzölesti¬ nerinnen zu verlegen, wo sie schon einmal gewesen wars). Der Stadt¬ Kloster vor der Aufhebung nur dadurch retten, daß sie sich bereit erklärten, die Ordensregel der Ursulinen anzunehmen und eine Mädchenschule zu leiten. Trotz¬ dem wurde das Kloster 1784 aufgehoben. 1) Heute Michaelerplatz 15. 2) Heute Michaelerplatz 6. 3)Ofner, J.: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Stepr, S. 49. 4)Ofner, J.: Zur Geschichte des Schulwesens der Stadt Steyr, S. 51. 5)Die Zahl der Schüler betrug im Schuljahr: 1850/51 (1. Klasse)57, (2. Klasse) 22; 1851/52 40, 25; 1852/55 55, 22; 1855/54 56, 51; 1854/5558, 25; 1855/56 55, 25; 1856/57, 41, 20; 1857/58 46, 52; 1858/59 41, 57; 1859/60 58, 56; 1860/61 55, 50. Aus einem Bericht des Direktors Haasbauer an die Stadtgemeinde Stepr. Archiv Steyr, Akten der Hauptschule. Zum Vergleich sei erwähnt, daß in diesen Jahren die durchschnittliche Schülerzahl an der Haupt¬ schule in der 1. Klasse 66, 2. Klasse 81, 5. Klasse 86, g. Klasse 81 Schüler betrug. 6)Archiv Steyr, Rathausprotokolle 1855, S. 125 ff. 7) Kautsch, Jakob: Steprer Geschäftskalender 1916, S. 9; Willner, Annalen, S. 444. s) Archiv Steyr, Ratsprotokolle 1856, S. 87 fl.
20 gemeinde war nun sehr daran gelegen, vom Studienfonds die mietweise Ueberlassung des Jesuitengebäudes zu erlangen und den Auszug der in diesem Gebäude untergebrachten Aemter zu erreichen. Am 17. März 1860 wurde von der Stadtgemeinde an das Ministerium die Bitte wegen Ueberlassung des Exjesuitengebäudes für Schulzwecke gestellt und ersucht, das von den Aemtern belegte Gebäude für die Schule frei zu machen!). Vom 12. bis 14. Juni 1860 weilte Stadthaltereirat Strobach in Steyr, um wegen der Unterbringung der Unterrealschule zu verhandeln, welche sich unentgeltlich im 2. Stock des Rathauses befand'). Noch im gleichen Jahr, am 10. Juli, wurde die Bitte an das Ministerium wieder¬ holt. Dann trat der Bürgermeister der Stadt in dieser Angelegenheit persönlich mit dem Ministerium in Verhandlungens). Die Vertreter von Steyr scheinen aber nicht besonders viel Gehör bei der hohen Stelle ge¬ funden zu haben, denn laut Anordnung des Telegraphen=Inspektorates Wien sollte nach Auszug der bisher untergebrachten Aemter das Tele¬ graphenamt im Kollegiumsgebäude untergebracht werden'). Gegen diesen Plan wurde von der Stadtgemeinde in einem Schreiben an das Staatsministerium vom 7. Juni 1861 energisch Stellung genommen'). Dieser entschiedene Protest fand Beachtung und Ende August 1861 er¬ folgte die Dislozierung der Aemter'). Während der Österferien') im April 1862 übersiedelte die Unterrealschule in das Exjesuitenkloster am Michaelerplatz, um endgültig dort zu bleiben'). Die amtliche Uebergabe des Gebäudes erfolgte am 28. Mai?). Schon während dieser Verhandlungen wegen der Unterbringung der Unterrealschule waren Schritte um die Erweiterung der zweiklassi¬ gen unselbständigen in eine deiklassige selbständige Unterrealschule ein¬ geleitet worden. Der Wohlstand der Stadt beruhte fast ausschließlich in der Blüte von Handel und Gewerbe. Nun brach die Zeit an, in der 1) Archiv Steyr, Akten M 5/a. 2) Kautsch, Jakob: Steprer Geschäftskalender, S. 9. 3) Archiv Steyr, Ratsprotokoll 1860, S. 415. 4) Weisung vom 2. Juni 1861, Zl. 1856. 5) Archiv Sterr, Akten M 5/a. 6) Min. Erl. v. 20. August 1861, Zl. 1579 (Statthalterei=Präsidial=Erlaß August 1861, Zl. 4700/prs. Archiv Steyr, Ratsprotokolle 1861, S. 549; v. 25. des Gemeinderates vom 15. September 1861. Willner, Annalen, S. 444, Sitzung hiezu die Bemerkung: „ganz nach dem Antrag der Gemeinde“. macht 7)Willner: Annalen, S. 470. Die Uebersiedlung begann am 20. April 1862 (Datum aber irrig, weil 8) der 20. April 1862 Ostersonntag war). Archiv Steyr Aktenfaszikel M 5/. Willner, Annalen, S. a77: „Endlich ist auch die Ministerialbewilligung der pacht¬ weisen Ueberlassung des ganzen, dem Studienfonds gehörigen Exjesuitengebäudes an die Stadtgemeinde um 685 kl zur Unterbringung der Haupt= und Realschule eingelangt“. Der Dachtvertrag lautete auf 10 Jahre. den 9) Das Protokoll ist unterzeichnet von Bürgermeister Anton Haller, Gemeinderäten Joh. Amort und A. Stigler und dem Hauptschuldirektor A. Haas¬ bauer. Archiv Sterr, Aktenfaszikel M 5/a. Dgl. Kautsch, J.: Steprer Geschäfts¬ Die Kreishauptschule übersiedelte am 29. September kalender 1916, S. 18. —
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