64. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1946/47

19 reits das Verhalten verschiedener Metalle gegen Salzsäure gesehen. Im Verlauf der Besprechung der Schwefelsäure taucht nun abermals die Frage auf, wie sich diese Säure Metallen gegenüber verhält. Sie wird durch systematische Versuche etwa mit Eisen, Zink und Kupfer beant¬ wortet, wobei die entstehenden Gase genau beobachtet und identi¬ fiziert werden. Das Ergebnis ermöglicht dann ohne große Schwierig¬ keiten die Aufstellung der Reaktionsgleichungen. — Und doch darf man die Anwendbarkeit dieses Verfahrens nicht überschätzen und um jeden Preis erzwingen wollen. Wo man es anwendet, muß der Schüler die Folgerichtigkeit des Gedankenganges, der zur Fragestellung führt, eben¬ o klar erfassen, wie die Zweckmäßigkeit der experimentellen Lösung elbst. Er muß sozusagen zur Ueberzeugung kommen, daß er selbst so und nicht anders vorgehen würde. Nie darf die Fragestellung gesucht, an den Haaren herbeigezogen oder nur einer beim Lehrer vorhandenen tieferen Einsicht entsprungen erscheinen. Nun ist es aber leider so, daß nur rela¬ tiv selten Fragestellungen so selbstverständlich aus dem engbegrenzten chemischen Gedankenkreis des Schülers herauswachsen. Wo es nicht der Fall ist, wird man ganz gewiß besser tun, wenn man auf den Schein, die chemische Forschungsmethodik nachzuahmen, verzichtet, um nicht den Eindruck zu erwecken, die richtigen Fragestellungen würden dabei glück¬ lich erraten oder seien der Erfolg einer höheren Intuition. Man würde damit nicht Einsicht in das Wesen der chemischen Arbeitsweise vermit¬ teln, sondern eher das Gegenteil. Zumindest wird man in solchen Fällen, wo es noch einigermaßen möglich ist, die Gedankengänge durch zweck¬ entsprechende Mitteilungen vorbereiten und in die richtige Bahn lenken müssen. So wird z. B. der Durchschnittsschüler von selbst kaum auf den Gedanken kommen, daß man das Verhalten von Bromid= oder Jodid¬ lösungen beim Einleiten von Chlor untersuchen sollte. Die dazu führende Fragestellung wird aber sofort plausibler, wenn man vorher das ver¬ schiedene Verhalten der Halogene gegen He erörtert und die innere Be¬ ziehung der beiden Sachverhalte in irgendeiner Form verständlich ge¬ macht hat. Wo aber auch eine solche Vorbereitung nicht gangbar ist, wird es besser sein, auf den Schein einer induktiven Unterrichtsmethode zu verzichten — die Fragestellung ist ja dann bereits eine verschleierte Mitteilung — und den umgekehrten Weg gehen: erst darlegen und mit¬ teilen und dann durch das Experiment beweisen oder illustrieren. Da¬ durch kommt dann von selbst das richtige Verhältnis von Experiment und Mitteilung zustande. 2. Manche Sachverhalte und darunter viele, die im Sinne einer richtig gesehenen Zielsetzung des Unterrichts sogar außerordentlich wich¬ tig sind (man denke z. B. an die radioaktiven Erscheinungen!), lassen sich überhaupt nicht oder nur mit einem unvertretbar großen Aufwand an Zeit oder nur mit sehr fraglichem Anschauungserfolg experimentell darbieten. Die Versuchung ist dann naheliegend, solche Sachverhalte im Unterricht zurückzudrängen zugunsten der einfachen „Grundtatsachen“ die klar und überzeugend experimentell gebracht werden können. Man scheut leicht davor zurück, sich zeitweise vom Experiment zu entfernen 3

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