64. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1946/47

18 gewichten, elektrolytischer Dissoziation oder gar Protonen und Neutronen kommen. Damit bleibt aber auf alle Fälle die Hauptaufgabe des Chemie¬ unterrichtes der Oberstufe vorbehalten, woran kein noch so gut geführter Unterstufenunterricht etwas ändern kann. Ja, selbst die 5. Klasse ist noch reichlich früh; es fehlt da doch noch sehr an physikalischem Verständ¬ nis und physikalischen Kenntnissen. Weit besser wäre es in dieser Hin¬ sicht, wenn der Chemieunterricht erst in der 6. Klasse einsetzen würde! Der jetzige Beginn des eigentlichen Chemieunterrichtes in der 5. Klasse setzt ein Einvernehmen mit dem Physikunterricht der Unterklassen vor¬ aus, der durch geeignete Berücksichtigung manche Härten mildern kann. Besonders die Grundtatsachen der Elektrostatik müssen bekannt sein, ferner die Begriffe „Stromstärke“ und „Spannung“ sowie ihre Ma߬ einheiten; „Arbeit" und Energie“ müssen, wenn auch wohl begrifflich noch nicht völlig klar, doch bereits als physikalische Größen bekannt und auf Grund einfacher mechanischer Versuche und Sachverhalte in der Vor¬ stellung verankert sein. Die Unterscheidung zwischen Temperatur und Wärmemenge darf dem Schüler keine Schwierigkeiten mehr bereiten; die Einheiten der Wärmemenge, der Begriff der spezifischen Wärme, die thermische Ausdehnung, Schmelzpunkt und Schmelzwärme, Siedepunkt und Verdampfungswärme müssen Gegenstand eines klaren, in der An¬ schauung verwurzelten Wissens sein. Aus der Mechanik ist schließlich noch Geläufigkeit in der rechnerischen Handhabung des spezifischen Ge¬ wichtes nötig, ferner Klarheit über den hydrostatischen und aerostatischen Druck und seine Fortpflanzung, sowie über die wichtigsten Druckeinheiten. Darüber hinaus wäre es aber bei einer künstigen Neugestaltung des Lehrplans dringend nötig, den Physik= und Chemieunterricht der Ober¬ stufe zeitlich besser aufeinander abzustimmen; die hier gemachten An¬ gaben stellen lediglich eine Notlösung im Rahmen des jetzigen Lehrplans dar. Methodisches. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, daß das Experiment heute ebenso wie früher ein Kernstück des Chemieunterrichtes darstellen muß. Dem Schüler muß ja mit aller Eindringlichkeit klargemacht werden, daß die Erfahrung Grundlage jeder chemischen Erkenntnis ist. Außer¬ dem wird durch eine möglichst weitgehende Heranziehung des Experi¬ mentes und der Anschauung verhindert, daß der Schüler zu einem we¬ enlosen Wort= und Formelwissen abgleitet, statt die Hauptsache in einem lebendigen Sachwissen zu sehen. Bei der Knappheit der verfüg¬ baren Zeit ist es aber notwendig, beim Experimentieren gewisse Richt¬ linien zu beachten, um das im Früheren dargelegte Ziel möglichst wir¬ kungsvoll mit dem geringstmöglichen Aufwand an Zeit zu erreichen. 1. Experimente können grundsätzlich zwei Zielsetzungen haben: ent¬ weder sie beantworten eine aufgeworfene Frage und schaffen dadurch Erkenntnisse; oder sie werden zum nachträglichen Beweis für die Rich¬ tigkeit einer vorangegangenen Ueberlegung oder zur Illustration eines mitgeteilten Sachverhaltes verwendet. Ohne Zweifel ist die erstgenannte Verwendung die wertvollste. Ein Beispiel dafür: die Schüler hätten be¬

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