64. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1946/47

17 häuslichen Studium danach verfahren. Er wird am Schluß eines solchen Unterrichts zwar mehr oder minder sicher wissen, was etwa Kalium¬ chlorat beim Erhitzen mit oder ohne Braunstein gibt — was er aber mit diesem Wissen anfangen soll, wird er sich ebenso vergeblich fragen wie der unvoreingenommene Beobachter. So geht es also ganz gewiß nicht. Solange eine Erstreckung des Chemieunterrichts über 3 Oberstufen¬ jahre nicht möglich ist, gibt es nur einen Weg, der hier das Aeußerste an Abgleiten in Leerlaufarbeit verhüten kann: eine Kürzung der organischen Chemie (so schwer sie im einzelnen fallen mag) zugunsten der anorga¬ nischen Chemie. Die anorganische Chemie müßte dabei 1¼ bis 1½ Jahre für sich beanspruchen. Ist doch auch für den künftigen Chemiestudenten eine Einbuße an organischem Wissen, das er nach der Matura oder im Selbststudium leicht ergänzen kann, weniger schwer fühlbar als eine Lücke in den allgemeinen Grundlagen. In der 5. Klasse müßte dann etwa außer der Chemie der Nichtmetalle Grundlegendes über wässerige Lösungen (Löslichkeit, Konzentration; Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung und ihre Anwen¬ dung zur Molekulargewichtsbestimmung) Platz finden; ferner einiges über das Verhalten der Gase (Molvolumen; Gasdichte und Molekular¬ gewicht; eine leicht faßliche Darstellung des Grundgedankens der kine¬ tischen Gastheorie; Loschmidt'sche Zahl); ferner einiges über Reaktions¬ wärme sowie über das chemische Gleichgewicht; die Behandlung des periodischen Systems der Elemente, der radioaktiven Erscheinungen und der wichtigsten Aussagen der modernen Atomistik; schließlich einiges über Elektrolyte und Elektrolytlösungen (Jonenlehre). Die 6. Klasse müßte das Wichtigste aus der Chemie der Metalle bringen und könnte erst dann mit dem Stoffgebiet der organischen Che¬ mie beginnen, das demgemäß etwas gekürzt werden müßte. Eine gewisse Vorarbeit leistet der Mineralogieunterricht der 4. Klasse und er kann dadurch schon etwas die Chemie in der 5. Klasse entlasten. Wenn man das Ziel konsequent verfolgt, in der Unterstufe zu einem ge¬ wissen Abschluß zu kommen mit Rücksicht auf Schüler, die nach der Unterstufe ausscheiden, wird man wohl auch in den Unterklassen für den Chemieunterricht ein etwas höheres Stundenausmaß in Erwägung zie¬ hen müssen. Man dürfte aber auch dann die entlastende Wirkung eines solchen für die Oberstufe keinesfalls überschätzen. Die Unterstufe ist für einen Chemieunterricht, der den Darlegungen dieser Zeilen entsprechen soll, in keiner Weise reif. Der Schüler der 4. Klasse wird im allgemeinen begierig den ihm völlig neuen Experimenten folgen, wird vielleicht selbst zu experimentieren beginnen; er wird — vielfach mit wirklichem Inter¬ sich Tatsachen aneignen und sie behalten, besonders wenn sie — esse irgendwie auf seinen Gesichtskreis Bezug haben. Der Versuch aber, ihm den Lehrstoff in einer gedanklichen Verarbeitung nahezubringen, wie sie im Früheren als wesentliches Ziel des allgemeinbildenden Chemieunter¬ richtes erkannt wurde, wäre psychologisch völlig abwegig und müßte fehlschlagen. Noch weniger kann man einem Schüler, der eben erst die ersten physikalischen Eindrücke empfangen hat, mit chemischen Gleich¬

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