64. Jahresbericht des Bundes-Realgymnasiums Steyr 1946/47

12 liche Meinung, die die Notwendigkeit dieser Arbeit versteht. Diese schöp¬ ferischen Kräfte werden aber, von ganz vereinzelten Ausnahmefällen abgesehen, doch nur durch das fachliche Hochschulstudium nach voran¬ gegangener Mittelschulbildung ausgebildet werden können. Damit er¬ wächst dem Realgymnasium eine Aufgabe, der es sich nicht entziehen kann. Es scheint nun, daß die augenblickliche Situation für eine gesteigerte Entwicklung einer chemischen Industrie in Oesterreich nicht ungünstig, zumindest aber nicht hoffnungslos ist. Manche wirtschaftliche Behinde¬ rungen früherer Jahrzehnte sind weggefallen; andere, die in der augen¬ blicklichen Situation begründet sind, werden mit zunehmender Konsoli¬ dierung gemildert werden; wir besitzen ferner Wasserkräfte, daher elek¬ trische Energie was besonders ins Gewicht fällt angesichts der steigenden Bedeutung elektrochemischer Verfahren in der chemischen Industrie. Und die Rohstoffe der chemischen Industrie sind im allgemeinen im Verhältnis zum Wert der Fertigprodukte relativ billig, zum Teil sogar im eigenen Lande vorhanden. Es ist also sehr wohl möglich, daß die kommende Generation aus diesen Erwägungen Folgerungen zieht, sobald die Jahre der Nachkriegsunklarheit einmal überwunden sind. Aber sie wird es nur können, wenn sie die dazu befähigten Chemiker besitzt. Daran müssen wir schon jetzt in der Schule denken. Natürlich nicht so, daß möglichst viele mittelmäßige Chemiker hervorwachsen sollen, die dann den Bedarf übersteigen und einander durch Ellenbogentechnik und Ränkespiel in der Arbeit behindern. Vielmehr so, daß die wirklich in Betracht kommenden jungen Leute schon an der Schule das grundlegende Rüstzeug erwerben, um dann an der Hochschule zu erstklassigen Fachleuten von Format heranreifen zu können und nicht erst dort ein bis zwei Jahre zu brau¬ chen, um überhaupt Hochschulreife in ihrem Fach zu erreichen. Was sollen nun also die künftigen Chemiker schon an der Schule erlernen? 1. Ein erweitertes Grundtatsachenwissen, das nicht nur durch An¬ schauung, sondern durch lebendige Berührung mit der Materie gefestigt werden muß. Dabei muß wegen der grundlegenden Bedeutung der an¬ organischen Chemie auch für den künftigen Organiker die erstere stärker betont werden. 2. Uebung im zweckmäßigen Ansatz experimenteller Untersuchungen und deren Deutung. Dazu ist ein lebendiger Kontakt mit den Schülern beim Experimentieren erforderlich, der im Fortschreiten des Unterrichts immer mehr zu Vorschlägen der Schüler selbst und deren Diskussion führen soll. Es muß aber — im Hinblick auf früher Gesagtes — auch bei der Wiederholung darauf gedrungen werden, daß die Schüler nicht bloß das Tatsachenmaterial, sondern auch den verbindenden Gedanken¬ gang im häuslichen Studium verarbeiten und behalten. 3. Kenntnis der wissenschaftlichen und praktischen Bedeutung der erlernten Tatsachen in ihren Grundzügen. Es scheint im Hinblick auf die methodischen Ansichten früherer Jahrzehnte nicht unangebracht, dar¬ auf hinzuweisen, daß dies einer nachdrücklichen Betonung bedarf; hatte

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